Rede Helge Limburg - Haushalt 2010: Justiz

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

das Jahr 2009 mit der  Wirtschafts- und Finanzkrise bringt auch für die Justiz gewaltige Herausforderungen. Wo von Bankern und Brokern Milliarden hin und her bewegt werden, ohne dass dabei Wünsche und Wohl der Anleger und Kunden im Mittelpunkt steht, wenn Vermögen in Milliardenhöhe durch verantwortungsloses Gebaren vernichtet wird, dann ist das nicht nur ein Fall für die öffentliche Empörung und für mehr Regulierung an den Finanzmärkten, sondern unter Umständen auch ein Fall für die Justiz. Und zwar sowohl für die Straf- als auch für die Zivilgerichte. Das haben Sie, Herr Ministerpräsident Wulff, ja bereits im März diesen Jahres erkannt und der Justiz wertvolle Tipps gegeben: So forderte der niedersächsische Ministerpräsident die Strafverfolgungsbehörden auf, die verantwortlichen Vorstände großer Banken zügig zu vernehmen. Aber die Hilfe von Hobby-Kommissar Wulff ging noch weiter: Er regte an, die Privatvermögen der Manager zu sichern und Reise- und Meldebeschränkungen zu erheben. Gut gebrüllt, Löwe, kann ich da nur sagen. Aber, Herr Wulff, halten Sie die Strafverfolgungsbehörden eigentlich für blöd? Glauben Sie, die kennen das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung nicht selbst? Was die Justiz braucht, sind keine Tipps und Hinweise aus der Regierung. Die Justiz benötigt eine ordentliche, angemessene finanzielle Ausstattung. Die Justiz braucht "Waffengleichheit" auch und vor allem mit den Straftätern in Nadelstreifen. Und da bin ich schon beim Einzelplan 11:

Es ist gut, dass Sie, Herr Busemann ein paar mehr Richter und ein paar mehr Staatsanwälte einstellen wollen. Das ist positiv. Aber ich glaube nicht, dass das angesichts der aktuellen Herausforderungen für die dritte Gewalt ausreichen wird. Wir alle haben doch noch die Mahnungen und Warnungen des niedersächsischen Richterbundes im Ohr. Wir alle kennen doch den großen Bedarf an mehr richterlichem und staatsanwaltlichem Personal. Deshalb stellen wir Grünen zehn zusätzliche Stellen in den Haushalt ein, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Und dabei geht es auch darum, durch weitere Richter die Sozialgerichte und Arbeitsgerichte zu entlasten. Denn das ist die andere Seite der Gesellschaft, über die während der Debatte über Managerboni und Finanztransaktionssteuern kaum geredet worden ist: Das sind die Menschen, die durch die Wirtschafts- und Finanzkrise ihre Arbeit verlieren und nicht mit Millionenbeträgen abgefunden werden. Das sind die Menschen, die immer noch viel zu oft fehlerhafte ALG-II Bescheide bekommen und dann vor den überlasteten Sozialgerichten verzweifelt um ihr Recht kämpfen. Die teilweise Jahre auf endgültige Urteile warten müssen und durch diesen täglichen Kampf echte Zweifel am Funktionieren des Rechtsstaates bekommen. Und das sind die Menschen, die Hilfsmittel wie Rollstühle und Krücken von ihren Krankenkassen erstreiten müssen und die ebenfalls Monate warten müssen. Für alle diese Menschen sollten zumindest ein paar mehr Richterstellen drin sein.

Ein Dauerthema in diesem Hause war im letzten Jahr der Strafvollzug. Sie, Herr Minister Busemann, haben dazu zahlreiche Initiativen und Projekte gestartet. Sie mahnen bessere Entlassungsvorbereitung, besseres Übergangsmanagement und bessere Verzahnung der sozialen Dienste an. Strafvollzug ist kein Thema, mit dem man viel gewinnen kann, aber ich kann Ihnen wirklich nicht vorwerfen, Sie würden sich nicht für das Thema interessieren. Nur: Ihren Ankündigungen müssen auch Taten, sprich Geldmittel folgen. Und da hapert es vielerorts. Wir fordern mehr Wohn- und Beschäftigungsprojekte für Straffällige, wir fordern verstärkte Anstrengungen in der Renovierung baufälliger Gebäude im Bereich des Justizvollzuges. Das Gefängniskrankenhaus Lingen zum Beispiel, das Krankenhaus im Strafvollzug in Norddeutschland, sollte in allen Häusern auf einen modernen Standard gebracht werden.

Justizpolitik spielt sich nicht nur im Großen, sondern manchmal auch im Kleinen ab. Und wir haben längst mehr Instrumente in der Justiz als das klassische Gerichtsverfahren. Ich freue mich über die Einigkeit, die in diesem Hause regelmäßig verbal herrscht, wenn es um die Förderung der Mediation geht. Aber wie sieht das konkret vor Ort aus? Mediation und Täter-Opfer-Ausgleich sind in gewissem Maße etabliert. Aber mir scheint es immer wieder, dass Sie, Herr Justizminister, vor der letzten Konsequenz Angst haben. Ein bisschen Mediation ja, aber bitte nicht zuviel und es darf kein Geld kosten. Dabei böte ein offensiver Ausbau der außergerichtlichen, auf Freiwilligkeit basierenden Mediation in anerkannten geprüften Trägern viele Chancen für mehr Rechtssicherheit, höhere Zufriedenheit und einem grundsätzlich anderen Rechtsverständnis. Aber dem können Sie sich einfach nicht vollständig öffnen. Viele Vereine und freie Träger, die aus Überzeugung Mediation anbieten, kämpfen um jeden Euro und werden von Ihnen nicht ausreichend gefördert. Selbst wenn die Amtsgerichte die Mediationsträger bitten -  zum Beispiel für ein Mediationsprojekt in familienrechtlichen Verfahren in hochstrittigen Sorge- und Umgangskonflikten – das zur erheblichen Entlastung der Familienrichter führt und dabei Geld spart, sagt der Justizminister nur: Danke, aber bezahlen wollen wir das nicht! So geht es nicht, Herr Busemann! Deshalb werden wir auch weiterhin nicht müde werden, verstärkt auch finanzielle Anstrengungen in diesem Bereich zu fordern.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir Grüne fordern ein eigenes Landesprogramm gegen Rechtsextremismus. Der Innenminister hat ja beim letzten Mal erneut behauptet, ihm sei es wichtig, bei diesem Thema zu Einigkeit in diesem Hause zu kommen. Wenn dem so ist, dann wäre es begrüßenswert, wenn Sie, Herr Schünemann, Oppositionsinitiativen in diesem Bereich nicht reflexartig ablehnen würden, sondern sich einmal inhaltlich mit den Forderungen auseinandersetzen würden.

Wir wollen hier konsequentes, verlässliches Handeln aus einem Guss. Es ist nicht so, dass es da momentan nichts gebe, was Sie gegen Rechtsextremismus unternehmen. Hier ein Projekt im Sozialministerium, da ein paar im Justizministerium und schließlich der Verfassungsschutz bei Herrn Schünemann, der ja jetzt zur Bildungsbehörde erweitert werden soll. Kurzgesagt: ein Flickenteppich. Was wir aber wirklich brauchen, ist keine Zersplitterung, sondern ein konzertiertes, abgestimmtes Handeln. Wir brauchen eine Informationsoffensive für Lehrkräfte, für Polizistinnen und Polizisten, für die Justiz, für Ehrenamtliche in den Kommunen. Wir brauchen dauerhafte, institutionelle Förderung lokaler und regionaler Initiativen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie. Das ewige Zittern, ob eine Förderung nach Jahresfrist weitergeht, muss ein Ende haben, damit diese Gruppen sich vollständig auf ihre wichtige inhaltliche Arbeit konzentrieren können.

Wir brauchen ein Landesprogramm auch deshalb, weil unklar ist, wie es mit den noch von Rot-Grün initiierten Bundesprogrammen gegen Rechtsextremismus weitergeht. Denn was da für Signale aus Berlin kommen, gibt Anlass zu großer Sorge. Schwarz-Gelb, Ihre Bundesregierung, will die Programme erweitern um Programme gegen Linksextremismus und gegen Islamismus erweitern, ohne dass die finanziellen Mittel auch nur um einen Euro heraufgesetzt werden. Meine Damen und Herren, faktisch kürzt diese Bundesregierung die Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. Das ist ein Skandal! Das bedeutet aber auch, dass Niedersachsen seine finanziellen Anstrengungen erhöhen muss. Das Hauptproblem in Niedersachsen ist aber nicht der Linksextremismus, sondern die schleichende gesellschaftliche Akzeptanz der Rechten. Um dem entgegen zu wirken, brauchen wir ein eigenes Landesprogramm gegen Rechts. 

Zurück zum Einzelplan 11: Herr Justizminister, Sie haben das Amt von Ihrer Vorgängerin mit einer Vielzahl unausgegorener Projekte übernommen. Aber, ich kann Ihnen nur gratulieren, Sie haben diese Projekte – zu Recht – gründlich platt gemacht: Große Justizreform, Bredero-Hochhaus oder auch Mehrfachzellenbelegung – nahezu jedes Projekt Ihrer Vorgängerin haben Sie mehr oder weniger elegant abgeräumt. Ein einziges ist noch geblieben: Das Öffentlich-Private-Partnerschafts-Projekt (ÖPP) Bremerförde, der private Knast. Herr Justizminister, ich biete Ihnen eine Wette an: Sie werden im kommenden Jahr irgendein Schlupfloch finden, um auch dieses heftig umstrittene Projekt zu begraben. Und wenn Sie dabei Unterstützung brauchen, wenden Sie sich vertrauensvoll an die Oppositionsabgeordneten Ihres Vertrauens, gemeinsam kommen wir da schon wieder raus.

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