Rede: Helge Limburg: Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung des Wahlrechts in Niedersachsen

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Sie haben hier in den vergangenen Minuten zahlreiche Bedenken gegen die Ausweitung des Wahlrechts auf Jugendliche ab 14 Jahren vorgetragen. Bereits gestern haben sich dazu schon einige Kollegen in der Presse geäußert. Ich möchte jetzt auf ein paar Argumente noch einmal einzeln eingehen. Zunächst zu Pressemeldungen von gestern:

Herr Professor Zielke, der gleich noch etwas sagen wird, hat gestern sinngemäß in der Zeitung gesagt, es falle ihm schwer, diesen Antrag überhaupt ernst zu nehmen. Er steht damit offenbar nicht allein. Herr Professor Zielke, nehmen Sie es nicht persönlich. Aber genau das beschreibt, warum dieser Antrag notwendig ist. Es fällt vielen Politikerinnen und Politikern offensichtlich sehr, sehr schwer, die Bedürfnisse und Wünsche von Kindern und Jugendlichen ernst zu nehmen. In der Abwägung von Jugendinteressen und von Interessen von bereits Wahlberechtigten müssen leider viel zu oft die Interessen von Kindern und Jugendlichen hintanstehen, und es wird dann zugunsten von älteren Generationen entschieden. Genau deswegen brauchen wir eine Absenkung des Wahlalters, damit wir alle herausgefordert sind, Kinder und Jugendliche in der Politik ernst zu nehmen.

Nun aber zu Herrn Tonne.

Erster Punkt: Sie haben davon gesprochen, dass wir dieses Thema hier populistisch missbrauchen würden, um in die Presse zu kommen, und dass die große alte SPD schon immer für das Wahlrecht gekämpft habe. Völlig richtig, Herr Kollege Tonne: 1919 - die ganzen bürgerlichen Parteien waren noch 30 Jahre hinterher - hat die SPD das Frauenwahlrecht eingeführt. Jetzt hocken hier die Urenkelinnen und Urenkel der SPD und sagen sich: Wir haben einmal vor 80 Jahren ein Wahlrecht erkämpft. Das reicht jetzt für die nächsten 100 Jahre. Noch mehr Wahlrecht muss nicht sein. Wir bleiben auf dem Niveau von Weimar. - So haben Sie es dargestellt.

Ein weiterer Aspekt, Herr Tonne. Sie selbst haben hier vorne wortwörtlich gesagt: Sie haben keinen Zweifel, dass die politische Reife bei Kindern und Jugendlichen vorhanden ist. - Dazu muss ich ganz ehrlich sagen: Ich verstehe Ihre Schlussfolgerung, dass sie trotzdem nicht wählen dürfen, überhaupt nicht.

Herr Kollege Adasch hat davon gesprochen, dass 14-Jährige sehr wohl in der Lage seien, zu entscheiden, welcher Religion sie angehören wollten. Wer nun aber für sie hier im Landtag sitzt, könnten sie nicht entscheiden, wurde gesagt. Dazu muss man sich einmal vorstellen: Herr Adasch ist der Auffassung, 14-Jährige können darüber entscheiden, wer die Welt geschaffen hat, wie das Universum gestaltet ist, ob es überhaupt einen Gott gibt, darüber, was nach dem Tod kommt... Ich meine das sehr ernst. Ich bin Christ, und ich stehe dazu. Ich finde, das Thema Religion ist eine sehr, sehr wichtige Angelegenheit. Es ist unangemessen, das Thema so darzustellen, als sei das etwas, was 14-Jährige behandeln könnten, aber der Landtag sei etwas, was für 14-Jährige zu hoch sei, weshalb sie nicht darüber entscheiden könnten. Das finde ich unangemessen.

Ein letzter Punkt. Herr Kollege Adasch und Herr Kollege Tonne haben die ganze Zeit Strafrecht und Wahlrecht vermischt. Das sind zwei grundverschiedene Dinge. Bei dem einen geht es darum, ein Recht zur politischen Mitbestimmung zu geben. Bei dem anderen geht es um die Sanktionierung von Straftaten.

Wie Sie bereits richtig dargestellt haben, Herr Tonne, ist es ja gar nicht so, wie hier behauptet wurde, dass erst 18-Jährige strafrechtlich herangezogen werden. Man kann in Niedersachsen zwar 14-Jährige ins Gefängnis stecken. Aber man sagt: Mit 14 dürft ihr noch nicht wählen. Ihr müsst noch vier Jahre warten. - Das muss man sich einmal vorstellen! Das ist ungerecht, das ist ein Ungleichgewicht, und das wollen wir beseitigen. Ein letzter Punkt, Herr Tonne. Ich merke, dass wir da ganz nahe beieinander sind. Sie sagen, dass die Wahlalterssenkung nicht ausreicht. Damit haben Sie völlig recht. Wir müssen jetzt die Wahlalterssenkung beschließen, und danach sind wir als Politikerin und Politiker sowie die Parteien gefragt, uns stärker für Jugendliche zu interessieren, unsere Kommunikation auf Kinder und Jugendliche auszurichten. Wir müssen in den Medien und an den Orten kommunizieren, wo auch Kinder und Jugendliche reden. Wir müssen zu den Jugendverbänden und in die Klassen gehen. Damit haben Sie völlig recht, Herr Tonne. Aber die Wahlalterssenkung kann der erste Schritt sein, und danach machen wir alle gemeinsam viel mehr Arbeit bei Kindern und Jugendlichen. Ich danke Ihnen.

Zurück zum Pressearchiv