Rede Helge Limburg: „Das Kreuz mit dem Kreuz“

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

ein Hauch von Liberalität und Modernität wehte letzte Woche durch Niedersachsen. Eine Ministerin mit türkischem Migrationshintergrund – weltoffen und tolerant. Und dann das: Diese Ministerin erlaubt sich, als Muslimin, als Kind türkischer Eltern, die Aussage zu tätigen: "Ein Kruzifix gehört nicht in ein Klassenzimmer, genauso wenig wie ein Kopftuch." Das saß. Ja, Herrschaftszeiten, tönte es aus Cloppenburg, nicht wahr, Herr Große Macke, erst werde ich kein Minister, und dann sollen hier auch noch die Kreuze verschwinden. Das geht zu weit, Frau Özkan muss zu Kreuze kriechen und Herr McAllister erklärt die Debatte offiziell für beendet. Aber so einfach ist es eben nicht.

Zunächst mal sollten wir uns vor Augen führen, dass Frau Ministerin Özkan diese Aussage vielleicht weder als Kind türkischer Eltern noch als Muslima, sondern schlicht als Juristin, als deutsche Juristin getätigt hat. Und damit hat sie, bezogen auf das Kruzifix, lediglich wiedergegeben, was das Bundesverfassungsgericht in seinem Kruzifixurteil 1995, aber in Wahrheit bereits 1973, festgestellt hat. Das Kreuz hat in Klassenzimmern, Gerichtssälen und anderen öffentlichen Einrichtungen nichts zu suchen, weil es ein christliches Symbol ist und der Staat keine Religion bevorzugt behandeln darf. Und angesichts Ihrer Pressemitteilung vom Montag, Herr McAllister in der Sie wörtlich sagen: "Das Kreuz ist aus Sicht der CDU ein Symbol der Toleranz auch gegenüber anderen Religionen." Muss ich Ihnen mitteilen: Die juristische Interpretationshoheit darüber, was das Kreuz in einem staatlichen Klassenzimmer ist, hat hier in Deutschland immer noch zuforderst das Bundesverfassungsgericht und weniger die CDU Niedersachsen.

Nicht nur Karlsruhe hat sich zu der Frage geäußert, sondern auch Straßburg. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einem Urteil im letzten Jahr das Anbringen von Kreuzen in Klassenzimmern als Verstoß gegen die Religionsfreiheit gewertet. Herr McAllister, liebe CDU, dass ist nicht irgendeine Lehrmeinung, dass ist ein europäisches Gericht, dessen Rechtssprechung auch von der Bundesrepublik Deutschland anerkannt wird. Aber Karlsruhe ist weit, Straßburg noch weiter, wenn man als CDU in Vechta und Cloppenburg sitzt und verzweifelt nach identitätsstiftenden Themen sucht. Diese Debatte hat gezeigt: Die moderne Großstadt-CDU ist hier in Niedersachsen offensichtlich nur Illusion, nur eine Fassade aus Pappe, die eingerissen wird und dahinter kommen dann doch wieder nur das Gedankengut der Adenauerzeit zum Vorschein.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die CDU sagt, ihr gehe es beim Kampf ums Kreuz um Werte. Um die Vermittlung von Werten an Schülerinnen und Schüler. Gut, reden wir über Werte. Aber werden Werte durch Symbole vermittelt. Stand hier nicht gestern ein Ministerpräsident, der gesagt hat, kleine Taten die man ausführt sind besser, als große die man plant? In diesem Sinne Herr Wulff: Werte, die man vorlebt und umsetzt sind besser, als solche, die man an die Wand hängt. Sie haben in vielen Politikfeldern, in der Asylpolitik, in der Sozialpolitik und auch in der Umweltpolitik die Möglichkeit, ihre Taten in Übereinstimmung mit christlichen Wertvorstellungen zu bringen, Nutzen sie diese Möglichkeiten, anstatt sich an ein reines Symbol zu klammern.

Warum ist diese Frage so wichtig? Sie ist deshalb wichtig, weil unser moderner, demokratischer Rechtsstaat durch die zunehmende Pluralität an Religionen, Bekenntnissen und Weltanschauungen durchaus vor Herausforderungen gestellt wird. Und diese lassen sich am besten meistern, wenn der Staat als solcher die Religionen und Weltanschauungen grundsätzlich gleich behandelt und sich nicht einseitig mit bestimmten Bekenntnissen gemein macht.

Meine Damen und Herren, wir haben in Niedersachsen Menschen unterschiedlichster Religionen und Weltanschauungen, Christinnen und Christen, Musliminnen und Muslime, Jüdinnen und Juden, Atheistinnen und Atheisten und weitere. Uns eint das Bekenntnis zum deutschen Grundgesetz und zur niedersächsischen Verfassung. Uns einen zu einem gewissen Maße gemeinsame Werte und Überzeugungen. Uns eint aber nicht, dass könnten wir nicht seriös behaupten, das gemeinsame Bekenntnis zum Christentum. Unsere multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft lässt sich am besten gestalten, wenn die Religionen und Weltanschauungen gleichberechtigt nebeneinander agieren und der Staat sich an das verfassungsmäßige Neutralitätsgebot hält.

Wenn das Kreuz so wichtig wäre für Werte und Ideale, wenn das so wäre, liebe CDU, warum hängt dann hier im Landtag, im Plenarsaal kein Kreuz? Warum? Ich schlage vor, Herr Präsident, dass wir mal ein Meinungsbild machen, wer hier im Landtag ein Kreuz an der Wand braucht und gebraucht hat, um Werte vermittelt zu bekommen. Das könnten wir dochmal schnell erheben.

Frau Ministerin Özkan, ich stimme nicht in allen Punkten mit Ihren Äußerungen überein. Aber für Ihre Forderungen nach in religiöser Hinsicht neutralen Klassenzimmern sage ich Ihnen: "Sayin Özkan, tebrik ederem, helal Olsun.

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