Rede Helge Limburg: Antrag zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Anrede,

ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist das oft zitierte „scharfe Schwert“ des Parlaments, im Regelfall das der Opposition. Oder auch der letzte Pfeil im Köcher, wenn alle anderen ihr Ziel verfehlt haben. Wenn keine andere Möglichkeit der Aufklärung eines Sachverhalts besteht, erst dann setzt man für gewöhnlich einen Untersuchungsausschuss ein.

Ist das hier vorliegend der Fall? Um das zu beantworten hilft ein Blick in die Chronologie. Am 26.02.2016 geschah der hinterhältige, menschenverachtende Angriff auf den Bundespolizisten am Hannoveraner Hauptbahnhof. Am 3.3. lagen dem Justizministerium offenbar Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund der Tat vor und es trat an den Rechtsausschuss heran und bot eine Unterrichtung dazu an. Zu dieser Unterrichtung kam es dann am Dienstag, den 8.3., dem ersten Tag des Märzplenums, gemeinsam mit dem Innenausschuss und dem Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Sie wurde am 11.3. fortgesetzt, bis niemand mehr Fragen stellte.

Am Mittwoch der Folgewoche, am 16.3., gab es eine reguläre Sitzung des Verfassungsschutzausschusses. Die Verfassungsschutzpräsidentin nutzte diese Gelegenheit, um im öffentlichen Sitzungsteil einige Dinge rund um den Fall Safia S. klarzustellen. Es gab ein paar wenige Nachfragen. Insgesamt dauerte diese Sitzung, inklusive anderer Tagesordnungspunkte, gerademal eine Stunde und wurde somit frühzeitig beendet. Es wäre reichlich Raum für Nachfragen, auch in öffentlicher Sitzung, gewesen. Sie von der Opposition nutzten das nicht. Stattdessen gaben Sie am nächsten Tag, einem Donnerstag, unvermittelt öffentlich bekannt, dass Sie jetzt den Untersuchungsausschuss wollen. Sie haben also die regulären Fragemöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Sie haben nicht die von ihnen beantragte Akteneinsicht abgewartet. Sie wollten eine Schlagzeile produzieren und Medienaufmerksamkeit produzieren. Aber wer Ihre Presseverlautbarungen und auch den ersten Entwurf für einen Einsetzungsantrag liest – der ist ja immerhin zweieinhalb Wochen nach der öffentlichen Ankündigung dann auch tatsächlich vorgelegt worden –, wer das alles liest, dem wird klar: Es geht Ihnen nicht wirklich um Aufklärung. Es geht Ihnen nicht um das Ringen um politische Antworten auf die abstrakte, islamistische Gefahr und den Umgang mit dem Salafismus. Eine Herausforderung, mit der sich Politik noch viel mehr auseinandersetzen muss. Ihr Urteil haben Sie längst gefällt. In Ihrer Fantasie macht Rot-Grün nicht genug im Bereich innere Sicherheit, Sie wollen uns das Label anheften, den islamistischen Terrorismus aus ideologischen Gründen zu vernachlässigen, der Untersuchungsausschuss soll nur noch Belege für diese, Ihre These liefern. Das ist Ihr wahres Ziel. Deshalb sollte sich nach Ihrem Willen der Untersuchungsauftrag auch nur auf die Jahre ab 2013 beschränken. Wäre es Ihnen darum gegangen, inhaltlich das Handeln oder Unterlassen von Sicherheitsbehörden zu hinterfragen, dann hätten Sie doch von vornherein Ihren Antrag nach Themenkomplexen sortieren müssen. Der syrische Bürgerkrieg tobt seit 2011, auf dieses Referenzdatum konnten wir uns ja auch einigen, dachten wir. Islamistische Ausreisen in Kampfgebiete gibt es leider noch viel länger, Sie aber wollten nur den Zeitraum der rot-grünen Regierung beleuchten. Sachinteresse sieht anders aus, meine Damen und Herren.

CDU und FDP wollen eine Angstkampagne inszenieren in der Hoffnung, daraus politisches Kapital schlagen zu können. Dass die CDU so etwas im Bereich der inneren Sicherheit veranstaltet, überrascht nur bedingt. Dass die FDP sich daran beteiligt, zeigt, dass die Bürgerrechte bei Ihnen nur ein Aushängeschild sind, das Sie je nach Bedarf ins Fenster hängen, das aber keinen substantiellen Hintergrund hat. Dr. Genthe darf Reden gegen die Vorratsdatenspeicherung halten, Jörg Bode die Videoüberwachung in U-Bahnen kritisieren, aber das letzte Wort hat Stefan Birkner, der Seite an Seite mit der CDU den politischen Nährboden für Verschärfungen der Sicherheitsgesetze bereiten soll. Angst aber ist bei der Gesetzgebung ein schlechter, ein völlig ungeeigneter Ratgeber und Antreiber.

Und um noch etwas geht es CDU und FDP: Sie wollen, das ist ja beim letzten Plenum deutlich geworden, endlich, endlich eine moralische Rehabilitierung Ihres früheren Innenministers Schünemann. Die persönliche Erklärung des Abgeordneten Schünemanns, die von Erinnerungslücken geprägt war, war da ja schon sehr aussagekräftig. Schwarz-Gelb und insbesondere Herr Schünemann sind für Ihre Innenpolitik immer wieder scharf kritisiert worden, jetzt erhoffen Sie sich durch diesen PUA eine späte Bestätigung Ihrer Maßnahmen. Welche waren das? Sie haben vor einer angeblichen Schwelle zum Linksterrorismus gewarnt, während der NSU mordend durch Deutschland zog. Sie haben mit Moscheekontrollen Gläubige beim Gang zum Freitagsgebet behindert und stigmatisiert. Sie haben mit einer Islamistencheckliste zu einem Klima der Denunziation und Ausgrenzung beigetragen. Sie haben mit diesen Maßnahmen nicht nur der öffentlichen Sicherheit und dem Inneren Frieden nicht genutzt. Sie haben beidem sogar geschadet. Gesellschaften, die ausgrenzen, werden dadurch nicht sicherer. Gesellschaften, die spalten, werden dadurch nicht sicherer. Gesellschaften, die stigmatisieren, werden dadurch nicht sicherer. Sicherer sind Gesellschaften, die sich auf die gemeinsamen Werte besinnen. Gesellschaften, die gemeinsam an ihrer gemeinsamen Sicherheit arbeiten, sind sicherer als solche, bei denen Minderheiten stigmatisiert und unter Pauschalverdacht gestellt werden. Gesellschaften, die soziale und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen und Menschen nicht abhängen, sind sicherer. Der Dialog mit islamischen Verbänden war unter Ihnen zum Erliegen gekommen, kein Wunder, wenn CDU Innenminister Schünemann öffentlich den Ausspruch, der Islam gehöre zu Deutschland, zurückweist. Auch dadurch ist das Land nicht sicherer geworden, Sicherheit erreichen wir besser gemeinsam mit islamischen Verbänden, wie es Rot-Grün macht. Ihre ideologische, spaltende, ausgrenzende Sicherheitspolitik ist 2013 abgewählt worden. Wir scheuen Untersuchungen dessen, was wir seitdem gemacht haben, nicht.

Anrede,

niemand kann ausschließen, dass in den zu untersuchenden Fällen Fehler einzelner Beamtinnen und Beamter gemacht worden sind. Aber Fehler geschehen überall, wo Menschen arbeiten. Wir werden jedenfalls nicht zulassen, dass CDU und FDP als Teil ihrer Kampagne einzelne Landesbeamte in die Öffentlichkeit zerren und mit Dreck bewerfen. Wenn Sie das versuchen, werden Sie auf unseren entschiedenen Widerstand treffen.

 

Meine Damen und Herren, es ist nicht so, dass wir nicht Sinn darin sehen, offene Fragen zu klären oder darüber zu diskutieren, wie wir unser Land noch sicherer machen können und gleichzeitig die Freiheit bewahren. Ein Untersuchungsausschuss, zumal einer, der mit einer Angstkampagne verbunden ist, ist dafür aber das denkbar schlechteste Mittel.

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