Rede Helge Limburg: Antrag (CDU) Anklage gegen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt

- Es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

um das klar zu sagen: Es gibt niemanden hier im Saal, der einen Niqab in der Schule gut findet, schon gar nicht bei SPD oder bei uns GRÜNEN. Es ist klar, dass eine Schülerin, die einen Gesichtsschleier im Unterricht trägt, in mehrerlei Hinsicht problematisch für den Schulunterricht ist. Ein Gesichtsschleier schränkt die offene, direkte Kommunikation und damit das Lernen in der Gruppe ein. Ein Gesichtsschleier ist aber natürlich auch ein Symbol der Unterdrückung der Frau. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, Sie sollten nicht glauben, dass Sie in Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen dieser Koalition irgendeine Belehrung erteilen könnten. Die SPD war es, die 1919 das Frauenwahlrecht durchgesetzt hat, die SPD war es, die in den 70er Jahren die Gleichstellung der Frau im Familienrecht durchgesetzt hat, die Grünen waren es, die als erste die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe gefordert haben, die Grünen haben die Frauenquote in die Politik eingeführt, SPD und GRÜNE haben gemeinsam 2001 das Gewaltschutzgesetz durchgesetzt, SPD und GRÜNE stehen seit langem und konsequent für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern.

Nun ist es im vorliegenden Fall aber nicht so einfach. Nicht so einfach, wie es mancher Orts zu lesen war und nicht so einfach, wie es sich insbesondere die CDU gerne macht. Natürlich muss Schule im Sinne des Grundgesetzes erziehen. Natürlich muss Schule Konsequenz vorleben und deutlich machen, dass Regeln einzuhalten sind. Aber Schule darf eben auch niemanden aufgeben. Schule muss sich um jede und jeden Einzelnen kümmern. Gerade wenn es Anzeichen dafür gibt, dass es sich um ein schwieriges Umfeld handelt, dann kann doch am Ende nur die Schule der Ort sein, wo wir als demokratische weltoffene Mehrheitsgesellschaft Kontakt zum Kind bekommen. Nur dort können wir immer wieder versuchen, es für die demokratischen Werte zu gewinnen. Ein radikaler Schnitt, Schulverweis und Ende, aus dem Augen aus dem Sinn, wie er der CDU offenbar vorschwebt, mag ihrer Selbstvergewisserung als demokratisch rechtskonservativer Partei dienen und er mag das Problem oberflächlich vom Tisch wischen. Er wäre aber de facto das Ende jeglicher Einwirkungsmöglichkeit im demokratisch-rechtsstaatlichen Sinne.

Der Rechtsstaat verlangt die Einhaltung von Regeln. Der Rechtsstaat verlangt aber auch die Betrachtung des Einzelfalls, die strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung, die Güterabwägung. Der Rechtsstaat kann und darf nicht alles bestrafen, was politisch und gesellschaftlich abgelehnt wird. Der Rechtsstaat ist nie so einfach, so simpel, so brachial, wie CDU und FDP hier im Landtag suggerieren. Zum Glück nicht, meine Damen und Herren.

Herr Präsident, Meine Damen und Herren,

man kann darüber streiten, ob die Schule im vorliegenden Fall alles richtig gemacht hat. Ich maße mir dazu kein Urteil an. Aber das sollte nicht Thema auf der großen Bühne des Landtages sein. Wir alle wollen die eigenverantwortliche Schule. Das heißt aber auch, Entscheidungen über Einzelfälle im Regelfall bei den Schulen zu belassen und nicht in die Politik zu ziehen. In gewisser Weise ist es ja konsequent, dass sich CDU und FDP, nachdem sie sich zu Hilfsstaatsanwälten und Besserwisserpolizisten aufgeschwungen haben, sich nun für die besseren Lehrerinnen und Lehrer halten. Der Schule und dem Schulpersonal erweisen Sie einen denkbar schlechten Dienst mit der Art und Weise, wie Sie sie hier Monat für Monat in die Öffentlichkeit zerren, meine Damen und Herren.

Wie sollen die Menschen vor Ort, die versuchen, diese schwierige Situation zu meistern und Kindeswohl und Schulfrieden zu erhalten, denn Fortschritte machen, wenn Sie das Thema immer und immer wieder in dieser Weise für ihre Kampagnen verwenden?

Nun konstruieren Sie einen vorsätzlichen Gesetzesverstoß der Kultusministerin wegen dieser Angelegenheit. Ich muss schon sagen, dass ist selbst für Ihre Verhältnisse eine bemerkenswert kreative juristische Herangehensweise. Wir haben ja schon alle möglichen an den Haaren herbeigezogenen Anwürfe gegen diese Landesregierung erleben müssen. Dieser hier ist noch abwegiger, der ist höchstens an dünnem Stroh oder Heu herbeigezogen, meine Damen und Herren. Für einen vorsätzlichen Gesetzesverstoß der Ministerin gibt es in dieser komplexen Sachlage wirklich nicht den geringsten Anhaltspunkt. 

Herr Präsident meine Damen und Herren, die Opposition arbeitet sich offensichtlich Schritt für Schritt in der Landesverfassung nach hinten durch. Nachdem Sie irgendwann Art. 24, das Aktenvorlage- und Anfragerecht, entdeckt und bis zum Exzess genutzt haben, danach Art. 27, Untersuchungsausschüsse, aus einer Laune heraus genutzt haben, haben Sie nun Art. 40, die Ministeranklage entdeckt und wollen das auch mal ausprobieren. Bitte, machen Sie weiter so, bald haben Sie es geschafft, dann sind Sie bei den 70iger Artikeln gelandet, dass sind die Übergangs- und Schlussbestimmungen, und dann ist auch Schluss mit diesem Unfug.

Vielen Dank.

 

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