Rede Helge Limburg: Aktuelle Stunde (FDP) zur Flüchtlingspolitik

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- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

seit Monaten diskutieren und streiten wir hier im Landtag immer wieder über die richtigen Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik. In der Regel kontrovers – manchmal auch im Ergebnis einvernehmlich, beides ist gut und richtig. Aber uns allen muss doch klar sein, dass die Maßnahmen, die wir hier diskutieren, nur am Ende der Kette stehen. Zentral für die Frage, ob wir die gegenwärtige Einwanderungssituation als Staat und Gesellschaft bewältigen, ist nicht die Frage, wo genau wir eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung eröffnen oder ähnliches. Zentral für die Frage, ob Niedersachsen, ob Deutschland und ob Europa aus der gegenwärtigen Situation gestärkt und gewachsen hervorgeht, oder ob es schwere Jahre werden, diese Frage wird nicht in Niedersachsen entschieden, sondern in Berlin, Brüssel, Straßburg, in Warschau, in Budapest, in Wien, in Rom, in Talinn, in Riga, und die den anderen europäischen Hauptstädten.

Es muss eine europäische Lösung für die gegenwärtige Herausforderung geben, dafür müssen wir alle und vor allem die Bundeskanzlerin eintreten. Die beschlossene Verteilung der Flüchtlinge in der EU muss umgesetzt werden, die Einrichtung von Hot Spots muss vorangetrieben werden, die finanziellen Belastungen müssen angemessen verteilt und die Flüchtlingseinwanderung durch gesteuerte Kontingentlösungen endlich in geordnete Bahnen gelenkt werden.

Die Umsetzung dieser Maßnahmen in Europa durchzusetzen, ist auch die Aufgabe Angela Merkels als deutscher Bundeskanzlerin, darauf hat der Ministerpräsident zurecht hingewiesen. Und auch Ihnen von der Opposition täte es gut, gelegentlich mal ein wenig über den Tellerrand zu blicken. Wir werden, bei aller Kraft und Energie die in diesem Land erfreulicherweise zu spüren ist, die Situation nicht als Niedersachsen oder Deutschland alleine lösen können.

Nun ist der Herr Ministerpräsident ja nicht der einzige, der Forderungen an die Bundeskanzlerin stellt. In der Union entwickelt sich ja gerade eine ganze Reihe von Brieffreundschaften. Wer hätte gedacht, dass der Brief im Jahr 2016 nochmal ein solches Comeback erlebt. Ein Brief ist ja bereits im Oktober an die Bundeskanzlerin geschickt worden, und ein Unterzeichner ist ein Fraktionsmitglied von Ihnen, Herr Thümler, der Kollege Ansgar Focke. Da schreiben Sie unter anderem, die gegenwärtige Politik der Bundesregierung würde gegen deutsches und europäisches Recht verstoßen, eine Legende, die ja an vielen anderen Stellen wiederholt wird und auch Eingang in die jüngsten Briefe gefunden hat. Nun, Herr Focke, es ist bedauerlich, dass in der CDU so wenig Kompetenz in Rechtsfragen herrscht, aber das ist ja nichts Neues. Sie müssen Gesetze und Verordnungen schon ganz lesen: Sowohl die Dublin-Verordnung, in Artikel 17, als auch das Asylgesetz in Artikel 18 Abs. 4 Nr. 2, erlauben selbstverständlich die Aufnahme auch von Flüchtlingen aus anderen EU-Staaten. Die gegenwärtige Politik ist legal, alles andere ist Ihre Phantasie.

Aber das heißt nicht, dass sie klug und vor allem ausreichend ist, die Herausforderungen, vor denen die Bundeskanzlerin steht, habe ich bereits beschrieben. Und behaupten Sie bitte nicht, die Bundeskanzlerin wisse nicht, wie man sich europäisch durchsetzt. Angela Merkel und Wolfgang Schäuble haben in der Krise des Euro, als es darum ging, den Staaten Südeuropas ihre Austeritätspolitik aufzuzwingen, bewiesen, dass sie in der Lage sind, ihre Politikvorstellungen europäisch durchzusetzen. Sie haben Massenarbeitslosigkeit und Armut in diesen Ländern in Kauf genommen und sie haben damals Vertrauen verspielt, dass sie jetzt gut gebrauchen könnten. Die europapolitisch schwierige Lage der Bundeskanzlerin ist auch die Quittung für die nationale Borniertheit der CDU in den letzten Jahren, wo europäischer Großmut angebracht gewesen wäre. Ich erinnere mich noch gut, wie Wolfgang Schäuble, damals Innenminister in den Jahren ab 2005 eine europäische Verteilung der Flüchtlinge und damit eine Entlastung von Italien und Griechenland immer wieder abgelehnt hat. Damals hätte Deutschland leicht eine europäische Verteilung durchsetzen können. Jetzt ist es schwieriger.

Auch die Türkeipolitik der CDU erweist sich als Bumerang. Rot-Grün unter Gerhard Schröder wollte eine engere Einbindung der Türkei, ausdrücklich auch aus eigenen deutschen und europäischen Interessen. In der Merkel-CDU obsiegte die nationale Borniertheit, Sie haben die Türkei auf Distanz gehalten. 2015 und 2016 zeigt sich, wie falsch und kurzsichtig auch das war, meine Damen und Herren.

Das Interview des Herrn Ministerpräsidenten in der Welt hatte übrigens auch noch andere Inhalte, als die berechtigte Kritik an der Bundeskanzlerin. Herr Weil hat die Kanzlerin ausdrücklich gelobt und unterstützt für ihre Entscheidung, die Grenzen zu öffnen. Die Tragik gegenwärtig ist doch: Weil hat Merkel damit mehr und deutlicher gelobt als ein großer Teil der Unionspolitiker und Teile ihres eigenen Kabinetts gegenwärtig. Es ist aber auch und gerade die Verantwortung der CDU, sicherzustellen, dass die Kanzlerin gestärkt und mit Rückhalt in die europäischen Gespräche geht, und nicht mit heftigem Streit und wechselnden Briefen innerhalb ihrer eigenen Partei. Innerparteilichen Streit auf dem Rücken der Geflüchteten auszutragen ist verantwortungslos. Helfen Sie endlich mit, für eine europäische Lösung einzutreten, meine Damen und Herren.

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