Rede Helge Limburg: Aktuelle Stunde (CDU) zu Kinderehen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Kinderehen lehnen wir ab! Kinder brauchen Fürsorge, Bildung und Ausbildung und eine Gesellschaft und staatliche Behörden, die in allerster Linie ihr Wohlergehen im Blick haben und nichts anderes!

Die Debatte um Ehen von Minderjährigen braucht Empathie und muss stets das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellen. Es gibt zu dem Thema zahlreiche Stellungnahme von anerkannten Fachverbänden, die alle im Kern eines gemeinsam haben: Die Ablehnung der Kinderehe, das Kindeswohl im Mittelpunkt. Und das ist gut so. Insbesondere die Entschließung des Landtages Nordrhein-Westfalen, die von allen Fraktionen dort, also auch von der CDU, getragen worden ist, verdient Aufmerksamkeit, weil sie das Thema in seiner ganzen Breite behandelt. Diese Entschließung begrüßen wir und teilen ihre Forderungen und Analysen.

Was aber absolut nicht geht und dem Thema nicht gerecht wird, ist der Stil, den die CDU Niedersachsen hier in die Debatte eingeführt hat.  Der Tweet des CDU-Landesvorsitzenden zu dem Thema lautete: „Grüne Justizministerin in Niedersachsen: Zwangsheirat mit minderjährigen Mädchen differenziert betrachten. Unfassbar! Untragbar! Unmöglich!“. Dass das nicht wahr ist und nie wahr war, wissen sie. Zwangsehen sind verboten, und darauf hat die Ministerin auch immer wieder hingewiesen. Diese Justizministerin hat bereits im Jahr 2013 eine Bundesratsinitiative gegen Menschenhandel und für einen besseren Schutz insbesondere von Kindern als Opfern von Menschenhandel initiiert. Wider besseren Wissens haben sie diesen Tweet abgesetzt. Und damit eine Reihe von Beleidigungen und Diffamierungen durch ihre Follower provoziert: „Da hoffe ich nur, diese Frau bekommt KEINE KINDER, sonst sofort zum Jugendamt damit, diese Frau ist eine GEFAHR!“ In einem anderen Tweet wurde die Justizministerin auf den Scheiterhaufen gewünscht. Diesen Stil befeuert die CDU Niedersachsen und lässt ihn unwidersprochen stehen. Sie betreiben eine unerträgliche Trumpisierung des Landtagswahlkampfes, sie nehmen eine Vergiftung des politischen Klimas in Kauf in der Hoffnung, daraus Wählerstimmen zu ziehen. Das ist nicht mal mehr unterste Schublade, das liegt deutlich unter jedem Schrank, meine Damen und Herren.

Ich will nicht hoffen, dass die CDU Niedersachsen sich nur mit dem Thema befasst, weil es nun eine große Zahl von Einwanderern aus dem islamischen Kulturkreis gibt. Aber es ist schon bemerkenswert, dass es sie nicht interessiert hat, als US-Amerikanische Minderjährigen-Ehen hier anerkannt worden sind, nicht interessiert hat, als polnische und österreichische Minderjährigen-Ehen hier anerkannt worden. Erst, wenn es um syrische Ehen geht, wird die CDU Niedersachsen aufmerksam und jazzt das ganze hoch.

Aber wie gesagt, es ist gut, dass wir uns mit einer breiten Debatte damit befassen. Nicht gut ist, dass die CDU Niedersachsen dieses Thema für populistische Angriffe missbraucht. Ich will ausdrücklich betonen, dass es um die CDU Niedersachsen geht. Die CDU-Justizministerin aus Sachsen hat ebenso wie die rechtspolitische Sprecherin der CDU im Bundestag ähnliche Auffassungen geäußert wie unsere Justizministerin. Ihre Parteifreunde in anderen Ländern und dem Bund sind deutlich weite.

Wer, wie der CDU-Landesvorsitzende, jede Position mit wüsten Beschimpfungen attackiert, die auf Einzelfalllösungen setzt, der denjenigen die Befürwortung von Zwangsehen vorwirft, greift damit nicht nur die Grünen an. Nein, diese Attacken richten sich gegen den Deutschen Anwaltsverein, den deutschen Notarverein, das Deutsche Institut für Menschenrechte, gegen die Caritas und gegen die Diakonie. Das ist beschämend für die CDU Niedersachsen.

In der Tat, hier ist Empathie und Mitgefühl gefragt. Eine Zwangsehe kann nicht anerkannt werden, nicht bei Erwachsenen, schon gar nicht bei Kindern. Die Empathie für Opfern von Ausbeutung und Zwangsheirat und auch andere Aspekte des Kinderschutzes werden zukünftig im Mittelpunkt der Prüfverfahren stehen. Das ist gut so, und das wird den Opfern gerecht. Dafür müssen Jugendämter und Familiengerichte aber die Möglichkeit bekommen, die Einzelfälle zu prüfen. So wie die CDU hier agiert, ist das ein massives Misstrauensvotum gegen unsere Jugendämter und Familiengerichte. Das ist unerträglich und diffamierend.

Wir müssen das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellen und dieses Thema nicht als Hebel für Kulturkämpfe missbrauchen.

Ich möchte den Blick auf ein anderes Thema lenken, ich bin in unserem gestrigen Pressefrühstück darauf hingewiesen worden: Seit 2008 ist in Deutschland das Verbot, religiöse Trauungen vor staatlichen Eheschließungen vorzunehmen, aufgehoben worden. Ich halte das für einen Fehler. Dieses Verbot statuierte deutlich das Primat der staatlichen Ehe mit allen Rechten und Pflichten. Und unter den Voraussetzungen des deutschen Rechts. Und es stellte damit religiöse Eheschließungen, die nicht den Voraussetzungen des deutschen Rechts entsprachen, Ehen mit Minderjährigen oder Mehrfachehen, unter eine Sanktion. Ich meine es wäre heute, 9 Jahre später, an der Zeit, dieses Verbot wieder einzuführen um deutlich zu machen: Eheschließungen müssen dem deutschen Recht entsprechen, Kinderehen, Mehrfachehen und ähnliches dürfen nicht sein, auch nicht nach religiösen oder sonstigen Vorschriften.

Abschließend bleibt zu unterstreichen: Kinderehen sind abzulehnen, Kinder brauchen Schutz und Unterstützung der Gesellschaft, Bildung und Ausbildung. Darauf muss unser Augenmerk liegen. Vielen Dank.

 

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