Rede Helge Limburg: Aktuelle Stunde (CDU) Salafismus in Niedersachsen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

ich finde es wichtig, zunächst einmal die Zuständigkeiten zu sortieren, die die CDU geflissentlich durcheinanderbringt. Der Verfassungsschutz ist für die Beobachtung verfassungsfeindlicher Bewegungen zuständig. Die konkrete Gefahrenabwehr obliegt der Polizei. Die Strafverfolgung der Staatsanwaltschaft. Ich habe bei ihnen und ihren Reihen, Herr Nacke, das starke Gefühl, dass Ihnen die Möglichkeiten und Grenzen der zuständigen Behörden nicht ganz klar sein wollen.

Bei der Strafverfolgung gibt es eine untere Altersgrenze. Die liegt bei 14 Jahren. Darunter findet keine Strafverfolgung statt, weil Kinder schuldunfähig sind. Beim Verfassungsschutz gibt es gegenwärtig die Altersgrenze 14, nach dem Gesetzentwurf der Landesregierung soll sie, wie in anderen Ländern auch, auf 16 angehoben werden. Bei der Gefahrenabwehr aber gibt es keine Altersgrenze. Gefahrenabwehr kennt keine Altersgrenze, und das ist auch gut so und muss so beiben.

Und es ist auch nicht so, weder nach der gegenwärtigen, noch nach der geplanten neuen Rechtslage, dass der Verfassungsschutz, wenn er Hinweise auf geplante Straftaten hat, er diese nur weiter geben darf, wenn die verdächtige Person ein bestimmtes Alter hat. Das ist nicht so, und das wird auch nicht so sein, auch hier gilt: Gefahrenabwehr kennt keine Altersgrenze.

Warum aber kennt das Verfassungsschutzgesetz Altersgrenzen? Weil es beim Verfassungsschutz im Kern um etwas anderes geht. Und zwar darum, Bestrebungen zu beobachten, daraus Rückschlüsse und Empfehlungen zu ziehen, Gefahren für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung bereits im Vorfeld einschätzen und dadurch verhindern zu können. Und dazu werden auch Personendaten gespeichert. Nicht als Hauptziel, sondern eher, weil eben Bestrebungen aus Personen bestehen. Und um eine Bestrebung richtig einschätzen zu können muss man sich einen Eindruck verschaffen, welche Personen dort maßgeblich mitwirken.

Diese maßgeblichen Akteure in verfassungsfeindlichen Bestrebungen sind aber in aller Regel Erwachsene. Und wenn es Minderjährige sind, dann 16 Jahre und älter. Mir ist bislang kein Fall bekannt, in dem sich eine Person unter 16 Jahre als zentraler Akteur in einer verfassungsfeindlichen Bestrebung betätigt hätte. Wenn uns ein solcher Fall bekannt werden würde, kann niemand ausschließen, dass dann manches noch mal durchdacht werden müsste. Umgekehrt aber sind uns sehr wohl viele Fälle bekannt geworden, in denen der Verfassungsschutz unter einem CDU-Innenminister Erwachsene und Minderjährige in großer Zahl widerrechtlich gespeichert hat. Und diese Speicherungen sind natürlich immer auch mit einer Stigmatisierung verbunden. Sie können Probleme bei bestimmten Jobs im Staatsdienst bereiten oder bei der Einbürgerung oder bei ähnlichem. Diese können, auch wenn das nicht das primäre Ziel ist, schweren Schaden im Einzelfall richten, und auch deswegen wollen wir Speicherungen bei Minderjährigen einschränken. Wir wollen denen, die in ihrer Teenagerzeit auf Abwege geraten nicht ihre Zukunft verbauen. Auch das gehört zu einer freien Gesellschaft.

Herr Präsident meine Damen und Herren, wir sollten uns dafür hüten, nach einzelnen Straftaten und Vorfällen reflexartig härtere Gesetze zu fordern. Das ist in der Regel undurchdacht, selten zielführend und suggeriert häufig eine Sicherheit, die es in absoluter Form in freien Gesellschaften wie der unseren nicht geben kann. Herr Nacke, wer wie sie hinterher schon vorher alles besser gewusst haben will, kann das als Oppositionspolitiker noch viele Jahre genauso weiter tun. Seriöse Sicherheitspolitik sieht anders aus und Sicherheit wird so jedenfalls nicht erzeugt. Es gibt viele Unterschiede zwischen ihnen Herr Nacke und dem Herrn Innenminister. Einer ist, dass der Herr Innenminister sorgfältig abwägt, bevor er Vorschläge unterbreitet, sie hingegen immer wieder reflexhaft schärfere Gesetze fordern.

Meine Damen und Herren, eine frühere Speicherung der Täterin vom Hannoveraner Bahnhof, deren islamistischer Hintergrund im Übrigen bislang nicht endgültig bewiesen ist, hätte die brutale Tat nicht verhindern können. Die bestehende Altersgrenze 14 hat die Tat nicht verhindern können. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu, und es ist unredlich, wenn die Opposition etwas anderes suggeriert.

Meine Damen und Herren, was haben sie im Übrigen getan in ihrer Regierungszeit um das Land sicherer zu machen, was tun wir? Sie haben Moscheekontrollen und Islamistenchecklisten eingeführt. Mein Kollege Onay ist gestern schon darauf eingegangen: Damit haben sie nicht nur der Sicherheit nicht gedient, ihre eigenen Auswertungen belegen das ja. Sondern im Gegenteil, sie haben der Sicherheit in Niedersachsen geschadet. Anstatt sich um echte Gefahren zu kümmern waren Polizisten unter der CDU damit beschäftigt, friedliche Muslime am Besuch der Moschee zu hindern. Anstatt sich für die Demokratie einzusetzen animierte die Checkliste zu Denunziation und Bespitzelung. Anstatt gerade die muslimischen Gemeinden zu Partnern im Kampf gegen Islamismus zu machen, haben sie sie ausgegrenzt und vor den Kopf gestoßen. Sie haben mit diesen Maßnahmen die Sicherheit eher gefährdet als ihr zu dienen, meine Damen und Herren.

Was macht Rot-Grün: Wir haben eine Beratungsstelle für Familien und Angehörige von Islamisten auf den Weg gebracht. Wir haben den Dialog mit den islamischen Verbänden wieder aufgenommen. Wir haben Aussteigerprogramme für islamistische Straftäter und solche, die noch nicht straffällig geworden sind, auf den Weg gebracht. Beide Maßnahmen hat die CDU explizit abgelehnt, ihnen war ist die Ideologie der frühen Schuldenbremse wichtiger als die Stärkung der Sicherheit in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns auch in der politischen Debatte stärker auf Hintermänner und Netzwerke hinter solchen brutalen Taten konzentrieren und nicht nur symptomatisch auf die Ausführenden beschränken. Und wir sollten in unserem Bemühen, jedes einzelne Kind und jeden einzelnen Jugendlichen, der vom Weg abkommt, zurückzugewinnen nicht nachlassen. Das macht eine freie, demokratische, rechtsstaatliche, eine menschliche Gesellschaft aus. Vielen Dank.

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