Rede Heiner Scholing: Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Nds. Schulgesetzes

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Warum diese Schulgesetznovelle? Nur, weil wir das dringende Bedürfnis haben, einen rot-grünen Fußabdruck in der Bildungslandschaft zu hinterlassen? Gewiss nicht!

Auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren und dafür sorgen, dass unser Bildungssystem den Ansprüchen von heute und morgen gewachsen ist – das ist die Messlatte!

Einige Zahlen können diese Veränderungen deutlich machen:

Im Verlauf dieser Wahlperiode wird die Anzahl der SchülerInnen an den allgemein bildenden Schulen in Niedersachsen um fast 10 Prozent zurückgehen. In einigen Regionen bildet sich diese Entwicklung besonders stark ab.

Und auch die Zahlen zum Übergang von der Grundschule in weiterführende Schulen veranschaulichen massive Veränderungen:

42,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler besuchen ein Gymnasium im 5. Schuljahrgang. 21,2 Prozent besuchen eine Oberschule, 15,8 Prozent eine Realschule, 15,2 Prozent eine Integrierte Gesamtschule und nur noch 4,7 Prozent eine Hauptschule.

Diese Zahlen zeigen: Das alte dreigliedrige Schulsystem bildet die Erfordernisse nicht mehr ab!

Ich zitiere Ole von Beust, den ehemaligen Bürgermeister Hamburgs:

„Das dreigliedrige Schulsystem basiert auf einem veralteten bildungspolitischen Ansatz, der die Menschen in drei Gruppen unterteilt: die intellektuellen Gymnasiasten, die handwerklich begabten Realschüler und diejenigen, die beiden zuarbeiten, die Hauptschüler. Doch dieses Menschenbild ist überholt.“ 

Mit der Schulgesetznovelle der Landesregierung reagieren wir auf die notwendigen Veränderungen und sitzen sie nicht aus. Mehr Zeit zum Lernen geben – deswegen kehren wir zurück zu G9. 

Schule nicht nur als Lernraum, sondern auch als Lebens- und Erfahrungsraum erleben – deshalb der herausgehobene Stellenwert von Ganztagsschulen. Mit einer Ganztagsbeschulung, die den Namen nicht verdient hat, haben wir bereits Schluss gemacht.

Grundschulen von Selektionsdruck befreien, mehr Beratung, Elternrechte stärken – deswegen der Wegfall der Schullaufbahnempfehlung. 

Mehr Entscheidungsspielräume für Schulträger, Eltern mehr Wahlrechte geben, fortgesetzte Diskriminierung der IGSen beenden – deswegen sollen IGSen nicht nur zusätzlich neben den herkömmlichen Schulen gegründet werden, sondern auch Schulen ersetzen können, für die es keine Nachfrage mehr gibt. 

Meinen Damen und Herren von der Opposition – Sie nutzen ein leicht zu durchschauendes Argumentationsmuster:

Das Einheitsschulsystem wird uns prophezeit, mancher meint gar zu hören, wie die Axt an die Wurzel der Gymnasien schlägt. Chancenvernichtungsgesetz – auch ein interessante Wortschöpfung! Bei mancher Interessenvertretung der Gymnasien mag diese Rhetorik verfangen. Die Resonanz in einer breiteren Öffentlichkeit bleibt aber sehr mager. Und das zu recht!

Es wird gewiss nicht zur massenhaften Schließung von Gymnasien kommen. Welchem Kommunalparlament trauen Sie denn zu, Schulen zu schließen, die einen so großen Zuspruch haben? Und die Gymnasien, die einen so großen Zuspruch haben, sollten sich nicht fürchten, wenn alternative Angebote vor Ort entwickelt werden. 

Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Weiterentwicklung der Inklusion. Die intensive Auseinandersetzung mit den eingegangenen Stellungnahmen haben die Landesregierung veranlasst in Hinblick auf den ersten Entwurf einige Veränderungen vorzunehmen:

·       Förderschulen Sprache bzw. Sprachförderklassen erhalten Bestandsschutz

·       Förderschulen bleiben weiter Förderzentren

·       Das Auslaufen der Förderschule Lernen setzt sich in der SEK I fort

Damit zeigen wir, dass wir hingehört haben. Die Entscheidung der Landesregierung, dass Schulgesetz selber einzubringen, war richtig. So wurden Beteiligungsmöglichkeiten erweitert. 

Die weitere Entwicklung der inklusiven Schule braucht:

·       Zeit

·       Eine klare Zielperspektive für die inklusive Schule

·       Eine angemessene Berücksichtigung erfolgreicher regionaler Strukturen

·       Eine breite Beteiligung aller Akteure

·       Die Erfahrungen der Förderschulen, die ihre Förderzentrumsarbeit in den Mittelpunkt ihrer Aufgabe stellen

·       Und sie braucht die Leidenschaft der PädagogenInnen in unseren Schulen

Die weitere Entwicklung braucht aber keine Rolle rückwärts, wie sie im Antrag der CDU vorgeschlagen wird. Die Weiterentwicklung der inklusiven Schule wird die Bildungspolitik und vor allem die Eltern, PädagogenInnen und auch die SchülerInnen noch lange beschäftigen. Da sollte uns nicht nach den ersten Metern schon die Puste ausgehen. 

Ich danke der Ministerin und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium für die engagierte Arbeit, die in Schulgesetznovelle eingeflossen ist.

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