Rede Hanso Janssen: Sanders Kampagne gegen den Naturschutz im Wattenmeer stoppen, bewährte Grundsätze für einen effektiven Küstenschutz beibehalten

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Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
Salzwiesen sind ein herausragender Bestandteil des Wattenmeeres. 45 Blütenpflanzen sind nur hier heimisch, 1500 Insektenarten leben nur hier, die Salzwiesen sind Brut- und Rastgebiete von internationaler Bedeutung und Drehscheibe des Vogelzuges von Afrika bis in die Arktis. Genau deshalb sind sie nicht nur Bestandteil des Nationalparks Nds. Wattenmeer, sondern unterliegen auch den Bestimmungen der EU-VoSchRl und der FFH-Richtlinie der EU.
In den letzten 40 Jahren sind bundesweit rund 60% der Salzwiesen durch Eindeichungen verschwunden. Sie gehören damit zu den seltensten Lebensräumen in Niedersachsen.
Salzwiesen grenzen in der Regel an die Küstendeiche. Diese Deiche müssen den steigenden Wasserständen angepasst werden, sie müssen erhöht und verstärkt werden; das ist völlig unstrittig. Dabei müssen die angrenzenden Salzwiesen jedoch so schonend behandelt werden wie nur möglich.
Meine Damen und Herren,
das war bislang Konsens. 1995 hat das damalige Landeskabinett die 10 Grundsätze für einen effektiveren Küstenschutz beschlossen. Darin heißt es u.a. unter Ziffer 2:
"Hauptdeiche werden in der bestehenden Deichlinie soweit wie möglich auf der Binnenseite verstärkt und erhöht. Dies ist an Hand örtlicher Gegebenheiten zu entscheiden”.
Und unter Ziff. 8:
"Kleientnahmen müssen in besonderen Fällen auch im Deichvorland möglich sein. Im Regelfall wird Kleiboden im Binnenland entnommen.”
1999 haben die Deichverbände und die Naturschutzverbände diesen Grundsätzen in einer freiwilligen Vereinbarung zugestimmt. Kleientnahmen erfolgen nur dann außendeichs, wenn binnendeichs keine geeigneten Flächen in vertretbarer Entfernung zur Verfügung stehen.
Jetzt kommt Umweltminister Sander daher und stellt die Verhältnisse auf den Kopf: Regelfall soll künftig die Kleientnahme außendeichs werden, Deichverstärkungen sollen zukünftig gleichfalls in der Regel außendeichs stattfinden und der naturschutzfachliche Ausgleich wird in Frage gestellt.
Herr Minister Sander,
dass sie kein Minister sind, der den Schutz der Umwelt als Ziel hat, wissen wir. Dass Ihnen der Schutz von Natur und Landschaft reichlich egal ist -obwohl es wichtig ist und zu ihren Aufgaben zählt-, ist auch keine neue Erkenntnis. Dass es deshalb bei Ihnen auch keinerlei Sinn macht, mit Naturschutzargumenten zu kommen – wie z.B. die lange Regenerationszeit der Salzwiesen nach der Kleientnahme oder der Störungsintensität für die Vogelwelt während der Bauphase - ist uns völlig klar.
Aber, Herr Minister,
vielleicht bringt sie das ja noch zum Nachdenken: sie kündigen mit ihrem Strategiewechsel den Konsens mit den Verbänden vor Ort auf.
Ist das ihre neue Strategie des "Naturschutz mit den Menschen” wenn man sich vor Ort geeinigt hat und dann kommt Hannover und zerstört diesen Konsens? Ist das die liberale Auffassung von Subsidiarität?
Sie wissen, dass z.B. der Deichbau Elisabethgroden im Landkreis Friesland bislang geräuschlos über die Bühne ging – mit Zustimmung auch der Umweltverbände. Warum stören Sie den Konsens durch ihr rabulistisches Auftreten? – Es ist nämlich nur Rabulistik, denn Sie sind in diesem Verfahren nicht zuständig, sie sind Zaungast, und sie stören das qualifizierte Vorgehen des Landkreises Friesland ganz erheblich.
Und Herr Minister, Sie empfehlen mit ihrer Umkehr "Kleientnahme und Deichbau in der Regel außendeichs” den Verstoß gegen europäisches Naturschutzrecht und gefährden damit Fördermittel der EU und des Bundes für den Küstenschutz.
Da sie es ja bekanntlich mit der FFH-Richtlinie nicht so haben, will ich Ihnen das auch gerne nochmal erklären:
Wenn es durch Maßnahmen wie Kleiabbau oder Deichverbreiterung zu erheblichen Beeinträchtigungen eines FFH-Gebietes kommt, sind solche Maßnahmen nur zulässig, wenn sie aus zwingenden Gründen des Schutzes der Zivilbevölkerung erforderlich sind und zumutbare Alternativen nicht zur Verfügung stehen. (§34c NNatG) Alternativflächen sind also zunächst zu prüfen. Das heißt sie müssen nachprüfen, ob Klei binnendeichs in vertretbarer Entfernung gewonnen werden kann und ob eine Deichverbreiterung nach Innen möglich ist. Das war die Grundlage des bisherigen Konsenses. Tun sie das nicht, verstoßen sie gegen geltendes europäisches Naturschutzrecht.
Das wird Ihnen in der Zukunft auf die Füße fallen. Damit tun sie auch dem Küstenschutz keinen Gefallen. Sie fordern Baustops a´la Cäciliengroden geradezu heraus.
Und sie gefährden die Fördermittel des Bundes und der EU. Die am 18.11.04 beschlossenen Grundsätze der Förderung des Deichbaus im Rahmen der GAK – bei denen der Bund 70% der Finanzmittel unter Refinanzierung durch die EU zur Verfügung stellt - sehen vor, dass Maßnahmen, für die ökologisch wertvolle Flächen in Anspruch genommen werden, nicht förderfähig sind, wenn es vertretbare Alternativen gibt. Dass es die in der Regel gibt, zeigen allein die reg. ROP´s der Landkreise: mehr als 800 ha Kleibodenfläche sind hier binnendeichs ausgewiesen.
Herr Sander, wenn sie ihre verbalen Aufschläge so umsetzen, erweisen Sie nicht nur dem Naturschutz sondern auch dem Küstenschutz einen Bärendienst.
Sie werden dann natürlich gegen die EU-Bürokraten und gegen die Funktionäre in den Naturschutzverbänden wettern, aber das nützt dem Küstenschutz am Allerwenigsten. Sie machen nicht Naturschutz mit den Menschen, Herr Sander, sondern propagieren Naturzerstörung gegen Mensch und Natur.
Meine Damen und Herren,
der von uns vorgelegte Antrag zielt darauf ab, naturnahe Salzwiesen soweit wie möglich zu erhalten, er zielt darauf ab, den Konsens zwischen Naturschutz und Küstenschutz beizubehalten und damit Klagen gegen Deichverstärkungen zu vermeiden und er zielt darauf ab, finanziellen Schaden vom Land abzuwenden. Gebieten sie ihrem Umweltminister Einhalt. Unterstützen Sie diesen Antrag.
Vielen Dank

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