Rede Hanso Janßen: Entwurf eines Gesetzes über die Planfeststellung zur Erdverkabelung von Hochspannungsleitungen

 

Anrede,

ob hier nun tatsächlich was geregelt wird, das sehen wir dummerweise erst nach der Wahl. Vorher wird auf Basis dieses Gesetzes ganz sicher Nichts entschieden.

Aber kurz zur Vergangenheit dieses Gesetzes: Im Juni 2005 hat der Bundesrat mit den Stimmen Niedersachsens die in Artikel 8, Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes, enthaltenen Sonderregelungen für die Erdverkabelung abgelehnt. Nach verschiedenen Änderungen hat der Bundesrat dann am 24.11.2006 einen Gesetzentwurf beschlossen, in dem die Möglichkeit der  Planfeststellung von 380kV Erdkabeln und die Umlegung der etwaigen Mehrkosten auf die Netznutzer gar nicht mehr enthalten war. Übrigens: Mit den Stimmen Niedersachsens. Herr Ministerpräsident, da hätten Sie handeln können; stattdessen: Zustimmung ohne Murren.

Mit dieser Änderung des EnWG sind Erdkabel aus drei Gründen nicht mehr realisierbar:

Zum einen fehlt schlicht die Möglichkeit, erforderliche Genehmigungen in einem einzigen Verfahren zu erlangen. Damit wird eine Erdverkabelung faktisch unmöglich, wenn auf einer Strecke wie Wahle – Mecklar unzählige Einzelgenehmigungen erreicht werden müssen.

Zum anderen sind Mehrkosten nicht mehr auf die Netznutzer umlegbar und damit Erdkabel wirtschaftlich für den Netzbetreiber völlig unattraktiv und zum dritten fehlt nunmehr im Energiewirtschaftsgesetz auch jede Vorgabe, wann Freileitungen unzulässig sind.

Nicht nur die niedersächsische Landesregierung, auch die SPD hat sich bei dem Gesetz nicht mit Ruhm bekleckert und im Bundestag dieses grandiose Gesetz federführend mit beschlossen, übrigens durchaus unter der Ägide ihres agilen Bundesumweltministers Sigmar Gabriel.

Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident,

Sie haben die Betroffenen vor einem Jahr im Regen stehen lassen.

Erst der heftige Protest der Bürgerinitiativen in Niedersachsen, der bis tief in Ihre eigene Partei reicht, und etwas Rechtsnachhilfe durch unseren Antrag im April diesen Jahres haben Ihnen jetzt vor der Wahl auf die Sprünge geholfen.

Sie haben Angst vor Stimmverlusten und deshalb peitschen Sie hier auf die Schnelle ein Gesetz durch, dessen Schlupflöcher so groß wie Scheunentore sind. Und das ist nicht nur dem engen Korridor der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit geschuldet.

Drei Kritikpunkte will ich benennen:

  1. Die Kriterien, wann eine Erdverkabelung zwingend ist, gehören in das Erdkabelgesetz; in der Landesraumordnung gibt es das Instrument der Zielabweichung; es geht eben dann doch auch über Freileitungen.
  2. Die Planfeststellungsbehörde kann laut §1 auf Antrag eines Vorhabenträgers ein Planfeststellungsverfahren durchführen; das bedeutet, es liegt in behördlichem Ermessen, ob es ein Planfeststellungsverfahren gibt. Vielleicht kann mir einer der Kollegen aus der Koalition mal erklären an Hand welcher Kriterien die Behörde das Ermessen ausüben soll?
  3. Die rechtlichen Regelungen sind unpräzise: Was ist ein technisch und wirtschaftlich sinnvoller Teilabschnitt? Hier sind möglichen Klagen Tor und Tür geöffnet. Es werden nämlich diejenigen dann klagen, die gerade eben nicht mehr in einem verkabelten Abschnitt liegen.
  4. Schneller werden die  Planverfahren damit nicht.

Im Ergebnis haben sie ein Placebogesetz vorgelegt: es gaukelt vor, etwas zu regeln, tut es aber nicht.

Es ist fraglich, ob damit überhaupt Hochspannungsleitungen unter die Erde kommen werden; mit Sicherheit erreichen Sie allerdings keine HGÜ-Komplettverkabelung.

Kein Wunder, dass die Menschen vor Ort enttäuscht sind.

Die, Herr Sander, meine Damen und Herren von CDU und FDP, sind aber noch aus einem anderen Grunde sauer:

Die Gesetzesberatungen waren eine Farce, man hätte sie auch sein lassen können. An Ihrem ersten Entwurf haben Sie trotz erheblicher Einwände der Bürger vor Ort und der Kommunalen Spitzenverbände nicht ein Komma geändert. Und das hätten Sie tun können, ohne die Architektur des Gesetzes zu gefährden: z.B. der Ausschluss des Ermessens der Planfeststellungsbehörde, z.B. die Aufnahme von ausgewiesenen Wohnbauflächen in die Abstandsregelungen.

Nein, Sie haben alles abgebügelt. Mit Zeitdruck können Sie das nicht rechtfertigen. Wenn´s Ihnen um die Sache gegangen wäre, hätte man den Plenarbeschluss auf die Sitzung im Januar legen können. Ihr Verhalten im Ausschuss war Borniertheit oder Arroganz der Macht, das können Sie sich aussuchen. Vielleicht durfte auch kein Ausschussmitglied etwas daran ändern, weil es ja schon so schön zwischen den Herren Gabriel und Wulff abgestimmt war – welch seltsame Koalition.

Herr Sander, Sie haben die Wirkungslosigkeit Ihres Gesetzes anscheinend erkannt: Die Kreiszeitung Syke konfrontiert Sie mit dem Statement vom 6.12.: "”¦ die Kabel werden wie von vornherein geplant oberirdisch verlaufen, weil das Landesgesetz Erdkabel nur dann ermöglicht, wenn der Netzbetreiber sie beantragt. Das wird E.ON aber kaum tun, weil es Geld kostet."

Sie antworten: "Das ist der Punkt. Das Bundesrecht ist zurzeit noch auf der Seite von E.ON,”¦"

Sie trauen Ihrem eigenen Gesetz nicht, Sie halten es selbst für wirkungslos. Werden Sie es gleich auch ablehnen? Da bin ich aber gespannt.

Meine Damen und Herren,

Ihr Gesetz ist ein Placebo zur Beruhigung der Menschen. Aber die Menschen vor Ort merken schon: Das funktioniert nicht.

Für solch einen Dummenfang geben wir uns nicht her. Deshalb sind auch die Anträge zur Erdverkabelung, die wir eingebracht haben nicht erledigt; wir werden sie weiterverfolgen. Der neue Landtag hat viel zu tun, bei der Erdverkabelung nachzubessern. Als Grundlage empfehle ich unseren Gesetzentwurf, der bereits sehr viel präziser ist als Ihr Kuckucksei zu Weihnachten.

Zurück zum Pressearchiv