Rede Hanso Janßen: Bedarfsabhängigen Gebäudeenergiepass nicht den Lobbyinteressen der Wohnungswirtschaft opfern

Anrede,

bei jeder Waschmaschine, für jeden Kühlschrank und bei jedem Küchenmixer erfahren Sie inzwischen, wie viel Energie das Gerät verbraucht. Nur wenn Sie eine Wohnung mieten oder kaufen wollen, erfahren Sie in dieser Hinsicht gar nichts. Dabei machen die Kosten für Heizung und Warmwasser den größten Teil der Nebenkosten und den weit überwiegenden Teil des Energieverbrauchs im Haushalt aus.

Durch die auf europäischer Ebene beschlossene Einführung des Gebäudeenergiepasses besteht die Chance das zu ändern. Endlich sollen Mieter und Käufer ein Anrecht haben zu erfahren, mit welchen Energiekosten sie rechnen müssen.

Aber, meine Damen und Heeren, die konkrete Ausgestaltung des Gebäudeenergiepasses hat die Große Koalition auf Bundesebene leider völlig versemmelt.

Stellen Sie sich vor, Sie gehen in ein Elektrogeschäft, wollen eine neue Waschmaschine kaufen und der Verkäufer erzählt Ihnen wenn Sie nach dem Energieverbrauch fragen: Bei Frau Müller hat diese Waschmaschine im letzten Jahr 150 Kilowattstunden Strom verbraucht. Herr Meier ist bei der gleichen Maschine mit 100 Kilowattstunden  ausgekommen. Diese Auskunft ist doch absurd, oder?

Anrede,

aber genau das hat die Bundesregierung mit der neuen Energieeinsparverordnung beim Gebäudeenergiepass vor. Der Eigentümer soll künftig die Wahl haben, ob er bei Mieter- oder Eigentümerwechsel einen bedarfsabhängigen, also ingenieurtechnisch berechneten Gebäudeenergiepass vorlegt oder ob er lediglich einen verbrauchsabhängigen Pass erstellen lässt. Dieser verbrauchsabhängige Gebäudeenergiepass sagt über den objektiven Energiebedarf eines Gebäudes jedoch wenig. Sie wissen nur, wie viel Energie der Vormieter verbraucht hat und damit wissen Sie so gut wie nichts, weil das Nutzerverhalten eben sehr unterschiedlich ist.

Anrede,

die Chancen die der Gebäudeenergiepass bietet, werden mit Ihrer Politik weitgehend vertan. Viele, vor allem private Eigentümer wissen überhaupt nicht, welche Möglichkeiten sie haben um effektiv Kosten einzusparen, weil sie die energetischen Schwachstellen ihres Hauses nicht so genau kennen.  Mieter können die Höhe der Nebenkosten nur in etwa erahnen, weil objektive Daten fehlen. Wenn es da mehr Transparenz gäbe, würden viele Mieter sicherlich höhere Mieten bei einer Wohnung mit gutem Wärmeschutz gerne zahlen, weil sie das bei den Nebenkosten wieder einsparen.

Bauminister Tiefensee ist mit seiner Optionsmöglichkeit für den verbrauchsabhängigen Energiepass vor den Lobbyisten der großen Wohnungsunternehmen eingeknickt, die eine objektive Vergleichbarkeit natürlich nicht so gerne haben. Da will man auch nicht in den Bestand investieren, sondern aus dem Bestand heraus holen so viel und so lange es geht und dabei kurzfristig maximale Gewinne rausschlagen.

Anrede,

die Tiefensee'sche Politik nutzt vielleicht kurzfristig den großen Wohnungsunternehmen, die vor allem in den Ballungsräumen vertreten sind. Den privaten Eigentümern schadet diese Politik ganz massiv. Das sind nämlich Leute, die nicht auf kurzfristige Gewinnmaximierung aus sind, sondern die in ihre Immobilie investieren, indem sie beispielsweise neue Fenster einbauen lassen oder eine neue Fassadendämmung machen.  Gerade im Flächenland Niedersachsen machen diese privaten Eigentümer einen überdurchschnittlichen Anteil aus.

Indem Sie, meine Damen von CDU/FDP und SPD diese Politik mittragen, schaden Sie den niedersächsischen Interessen ganz massiv. Die nötige Transparenz, die die Grundlage für Investitionen in die energetische Gebäudesanierung ist, verweigern Sie. Dadurch geht dem deutschen Baugewerbe in erheblichem Maße Potenzial für dringend benötigte Aufträge verloren. Durch Ihre Politik zu Gunsten einiger weniger Großunternehmen gefährden Sie Arbeitsplätze vor allem im Mittelstand.

Übrigens, meine Damen und Herren von der SPD: Bei Ihnen bin ich besonders erstaunt, dass Sie unseren Antrag ablehnen. Hören Sie doch mal auf Ihren ehemaligen Fraktionsvorsitzenden und jetzigen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel: Der verbrauchsorientierte Ansatz sei zur Bewertung der Gesamteffizienz völlig ungeeignet, zitiert die Frankfurter Rundschau vom 9. Juni aus einem Brief Gabriels an die Bundesminister Glos und Tiefensee. Kaum ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch, oder was?

Anrede,

bei diesem Thema wird auch die ganze Rückständigkeit Ihrer Energiepolitik deutlich: Da veranstaltet die Kanzlerin einen Energiegipfel mit den großen Energiemulits, den Sie hier ja auch prompt mit einem eigenen Jubelantrag begleitet haben, aber das Thema Energiesparen kommt dabei nur so am Rande vor. Dabei ist die Einsparung von Energie immer noch die beste und effektivste Möglichkeit, das Klima zu schützen und unsere Volkswirtschaft unabhängiger von Energieimporten zu machen.

Wer dabei nicht konsequent an den Heizenergieverbrauch herangeht, der wird dieses Ziel verfehlen. Statt in diesem Bereich vernünftige Rahmenbedingungen für sichere Arbeitsplätze im Mittelstand und Klimaschutz zu  setzen, fallen Ihnen nur Ihre energiepolitischen Ladenhüter von vorgestern ein: Was für CDU und FDP die Atomkraft ist, das ist für die SPD die Kohle. Beides ist nicht zukunftsfähig, meine Damen und Herren. 

Anrede,

Sie werden sich natürlich hier hinstellen und uns Dirigismus vorwerfen, von der Wahlfreiheit der Bürgerinnen und Bürger und von den Mechanismen des Marktes reden, der es schon richten wird.

Das Gegenteil ist richtig, meine Damen und Herren: Um wirkliche Wahlfreiheit zu haben und die Kräfte von Angebot und Nachfrage wirken zu lassen, braucht man Transparenz. Und genau diese Transparenz verweigern Sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern.

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