Rede Hans-Jürgen Klein: Wer Genmais sät, wird Proteststurm ernten - Kammerpräsident Stegen missachtet Interessen von Verbrauchern, Bauern und Imkern

Aktuelle Stunde zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3734

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niedersachsen wird zum Monsanto-Experimentierfeld und wir alle zu Monsanto-Versuchskaninchen. 13 Standorte sind in Niedersachsen mit rund 22 ha Anbaufläche für den Genmais MON810 registriert, alle übrigens von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen.

An einigen Stellen ist man zur Vernunft gekommen oder zur Vernunft gebracht worden, aber die meisten Freisetzungen sollen laufen. Worum geht es bei diesem Konstrukt? Schauen wir uns einmal an, womit wir es zu tun haben. - Es handelt sich um einen Dinosaurier der Gentechnikpflanzen. Die Zulassung stammt aus dem Jahre 1998 auf der Basis der damals gültigen, defizitären Vorschriften. Es geht um Insektengiftigkeit, d. h. dieser Genmais produziert ständig in der gesamten Pflanze über die gesamte Vegetationsperiode Gift.

Meine Damen und Herren, die Zulassung für diesen Mais ist am 17. April dieses Jahres ausgelaufen, d. h. wir reden also über Prüfungen für ein Auslaufmodell, das zudem noch die Eigenschaft hat, gegen einen Schädling, nämlich den Maiszünzler, zu wirken, den es bei uns gar nicht gibt. Entsprechend ist eine erneute Zulassung natürlich erheblich umstritten.

Nein, das ist richtig. - Inzwischen hat es eine ganze Reihe von Studien nach der Zulassung dazu gegeben, die ein weites Spektrum von Risiken offenbart haben. Da geht es um die Bildung völlig unerwarteter Inhaltsstoffe, um die Schädigung von Nützlingen, da geht es um abweichende Geruchstoffmuster, die neue, andere Schädlinge anlocken können, da geht es um einen gestörten Stoffwechsel in der Pflanze und um einen Gifttransfer aus den Wurzeln in den Boden, mit dem erhebliche Beeinträchtigungen der Bodenorganismen verbunden sind. Immer wieder wird auch ein fehlender Monitorplan bemängelt. Dazu passt, dass Monsanto auch in diesem Fall versucht hat, die Unterlagen, die für die Genehmigung erforderlich waren, nicht herauszugeben, sondern geheim zu halten. Das alles hat z. B. dazu geführt, dass es nationale Einfuhr- und Anbauverbote in Österreich, in Griechenland, in Ungarn und in Polen für diesen Mais gibt.

Nur, meine Damen und Herren, unsere Fachbehörden sind sich für diesen Mist nicht zu schade. Auch die Niedersächsische Landwirtschaftskammer baut diesen Genmais an ? dabei geht der Kammerpräsident als Galionsfigur mit eigener Fläche vorneweg ?, wobei ich eigentlich gar nicht sagen darf, dass er bzw. die Niedersächsische Landwirtschaftskammer anbaut: Mir ist gesagt worden, man baue diesen Genmais ja nicht an, sondern führe nur einen Sortenversuch für das Bundessortenamt durch.

Meine Damen und Herren, das ist nun wirklich ein klassischer Pilatus. Da glaubt man: Die Hände bleiben sauber, solange man nur Befehle ausführt und solange man die eigene Verantwortung leugnet und verdrängt. So geht es aber wirklich nicht.

Meine Damen und Herren, dazu passt auch nicht ganz, wie Fritz Stegen in Rambo-Manier ? einer gegen alle ? dieses Projekt vorantreibt. Ob es gegen die Nachbarn im Dorf ist, gegen die Ortspolitik, gegen viele konventionelle Landwirte, gegen alle Biobauern und gegen alle Imker, er hat von Anfang an erklärt: Je größer der Protest ist, je stärker er wird, desto entschiedener wird er an diesem Anbau festhalten.

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Lo  / 25.04.2007

Meine Damen und Herren, das ist die Attitüde eines feudalistischen Großagrariers, der dem gemeinen Volk mal zeigen will, was eine Harke ist. Wenn dieses Politmodell "harter Hund" in Niedersachsen weiter Schule macht, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht Demokratie! So etwas hatten wir schon mal, so etwas brauchen wir nicht wieder.

Meine Damen und Herren, die Landwirtschaftskammer ist eine öffentliche Einrichtung, die sich aus Steuergeldern und Bauernabgaben finanziert, die Gesamtverantwortung für die ganze Landwirtschaft und für die Gesellschaft trägt.

Die Landwirtschaftskammer ist kein Monsanto-Förderverein. Die Mehrheit der Verbraucher lehnt die Agro-Gentechnik ab.

Auch in der Landwirtschaft gibt es keine Mehrheit für diese Risikotechnologie. In der Nähe von Bokel gibt es einen Demeter-Saatgutzuchtbetrieb und einen Ökobetrieb. Fritz Stegen nimmt bewusst in Kauf, dass diese bäuerlichen Betriebe in ihrer Existenz gefährdet werden, und er zerstört möglicherweise jahrelang geleistete züchterische Arbeit.

Ich frage Sie: Wer bezahlt die Analysen auf Gentechnikfreiheit, wenn die Handelspartner der Nachbarn so etwas einfordern? Wer steht für Verluste bei Direktvermarktern gerade, denen die Kunden wegbleiben, weil in der Region genmanipulierter Mais angebaut wird?

Dann ducken sich alle weg und waschen ihre Hände in Unschuld. Wie gesagt: Pilatus!

Meine Damen und Herren, 1962 hat John F. Kennedy vier Verbraucherrechte proklamiert, sozusagen als Beginn des modernen Verbraucherschutzes: das Recht auf Sicherheit, auf Wahlfreiheit, auf Information und darauf, Gehör zu finden. Alle diese Rechte werden in diesem Verfahren mit Füßen getreten. MON810 ist nicht sicher, wie alle Studien zeigen. Wenn diese Landesregierung und der Landwirtschaftsminister das ignorieren und diesen Versuch auch noch unterstützen, dann machen sie sich mitschuldig an den Gefahren, die sich daraus ergeben.

MON810 gefährdet auch die Wahlfreiheit der Verbraucher. Wir wissen doch heute, dass der Anbau genmanipulierter Pflanzen der gentechnikfreien Bewirtschaftung und dem Ökolandbau den Garaus machen wird. Dann ist es nämlich vorbei mit der Wahlfreiheit.

Die viel beschworene Koexistenz, die hier angesprochen worden ist, ist eine Farce. Es hat sich doch gezeigt, dass selbst ein Ozean nicht verhindert, dass es zu Vermischungen kommt. Denken Sie, wenn Sie irgendwelche Abstandsregelungen zitieren, doch einmal an die Bienen: Sie fliegen kilometerweit und gehen auf diesen Mais. Sie tragen den Pollen in ihre Stöcke und auf andere Maisfelder. 600 m bedeuten in diesem Fall überhaupt keine Entfernung.

Dabei sind alle Vorstellungen von Koexistenz Hirngespinste, die jeder Praxiserfahrung widersprechen.

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st  / 25.04.2007 PL

In diesem Fall gab es auch keine Informationen. Nicht einmal die Gemeinde, der Bürgermeister oder die Nachbarn wurden informiert. Hätte es das Kataster nicht gegeben, hätten wir einen Geheimanbau wie vor dem Jahr 2004 gehabt. Gehör, meine Damen und Herren, hat in diesem Verfahren ausschließlich Monsanto gefunden, nicht die Menschen vor Ort.

Ich finde es unerträglich, wie Sie wieder versuchen, aus Opfern Täter zu machen und umgekehrt. Vor Ort ist ein rechtsstaatlicher und demokratischer Protest organisiert worden. Die Leute haben sich versammelt. Sie haben demonstriert. Sie haben Veranstaltungen durchgeführt und die Medien informiert. Wenn es hier einen Täter gibt, dann nur einen, nämlich Fritz Stegen, der borniert und unbelehrbar an einer völlig überflüssigen Aktion festhält. - Herzlichen Dank.

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