Rede Hans-Jürgen Klein: Gesetz zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung (Schuldenbremse)

Anrede,

erklärtermaßen soll das Thema Schuldenbremse auf Wunsch von CDU und FDP ein zentrales Wahlkampfthema werden. Wir müssen wohl davon ausgehen, dass das Drehbuch dafür schon seit längerem geschrieben ist.
In den Hauptrollen: die beiden „M“s - McAllister und Möllring - als edle Schuldentöter in strahlender Rüstung.  An ihrer Seite natürlich die wackeren Knappen Dürr und Bode.
Für die Opposition haben Sie die Schurkenrolle vorgesehen, die das schöne Niedersachsen in einem Schuldensumpf versinken lassen möchte.

Anrede,

deshalb war auch nicht wirklich zu erwarten, dass es zur Einigung kommt, obwohl ein durchaus naheliegender Kompromissvorschlag dazu hätte führen können. Denn dann hätte Schwarzgelb dieses Stück vom Spielplan streichen müssen und welches Thema bliebe Ihnen dann noch?
Also spielen wir mit in diesem Theater.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, nicht nach Ihrem Drehbuch und nicht mit Ihrer Besetzungsliste. Unsere Texte schreiben wir uns schon selbst und die lassen wir nicht von Ihnen interpretieren oder diktieren.

Deshalb möchte ich die Positionen der grünen Landtagsfraktion noch einmal klar und deutlich darstellen:
Wir befürworten die Schuldenbremse des Grundgesetzes und wollen diese Schuldenbremse auch in Niedersachsen verankern.
Wir wollen die Nettoneuverschuldung so früh wie möglich auf Null absenken.
Wir wollen, dass dafür ein kontinuierlicher Abbaupfad eingehalten wird und planen keinen Sturzflug, der völlig unrealistisch ist.
Uns genügt die Null bei den Nettokreditaufnahmen nicht! Wir wollen die strukturellen Einnahmen mit den strukturellen Ausgaben ausgleichen.
Das heißt, wir wollen ohne einmalige Verkaufserlöse, Schattenhaushalte und andere Haushaltstricks auskommen.
Den Kommunen soll eine aufgabengerechte finanzielle Mindestausstattung zugestanden werden, die Verteilungssymmetrie mit der Streichung des Leistungsvorbehalts in der Verfassung sichergestellt werden. Das auch, wenn heute nur eine einfachgesetzliche Schuldenbremse verabschiedet wird. Daher unser Hilfsantrag.

Alle - diesen klaren Aussagen entgegenstehenden - Behauptungen von CDU und FDP sind böswillig falsch und haben wohl eher mit dem Wahlkampf zu tun.

Zu unserer vollständigen Position gehören neben den genannten Zielen und Maßnahmen, die wir erreichen und umsetzen wollen, auch noch zwei Punkte, die wir nicht wollen:

  1. Aus Achtung und Respekt vor dem Verfassungsrecht wollen wir in die niedersächsische Verfassung keine absoluten Zahlen aufnehmen, die lediglich auf einer unsicheren Prognose beruhen.
    Die Niedersächsische Verfassung ist kein Ministerialerlass, der jedes Detail regelt und alle paar Wochen nach Bedarf verändert wird.
  2. Wir wollen die finanziellen Auswirkungen von Bundesgesetzen auf die Länder nicht gleichsetzen mit Konjunktureinbrüchen und Naturkatastrophen und daher dafür keine Ausnahme von der Schuldenbremse vorsehen.

Anrede,

eine solche Regelung wäre durch das Grundgesetz nicht gedeckt und angesichts der Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung auch sachlich nicht vermittelbar.
Wir haben unsere Vorschläge in einem Änderungsantrag zur Landeshaushaltsordnung zusammengefasst.
Die von mir gerade genannten Kriterien sind es auch, die zu unserer Ablehnung der Schwarzgelben Anträge führen, aber eben auch zur Ablehnung der SPD-Vorschläge und der Klageinitiative der Linken.

Anrede,

das entscheidende Hindernis für eine Einigung ist der Abbaupfad für die Nettoneuverschuldung in der Übergangsfrist bis zur Wirksamkeit der Regelung des Grundgesetzes ab dem Jahr 2020. CDU und FDP begründen ihren Vorschlag mit den Ergebnissen der neuen Mittelfristigen Finanzplanung. Ich will noch mal klarstellen: Eine Mipla ist eine Planungsgrundlage mit prognostizierten Zahlen, die jährlich fortgeschrieben und geändert werden. Sie basiert auf Annahmen: Zum Beispiel auf der Annahme, dass sich die wirtschaftliche Konjunktur mit gleichem Wachstum wie bisher fortsetzt und damit die Steuereinnahmen im gleichen Umfang wie in den letzten drei Jahren weiter steigen.
Sie beruhen auf der Annahme, dass die Eurokrise keinen weiteren Einfluss auf unsere Wirtschaft hat, und darauf, dass die Zinsen und die Personalkostensteigerungen niedrig bleiben werden.
Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, den wirtschaftswissenschaftlichen Lehren und auch den aktuellen Daten, dass sich all diese Annahmen in den nächsten Jahren bewahrheiten werden.

Trotzdem will Schwarzgelb diese Planungszahlen in die Verfassung schreiben. Das ist borniert und wird von keinem anderen Land in dieser Republik so gemacht.

Eine einfache Lösung haben in Hamburg SPD, Grüne und FDP in dieser Frage gefunden. Die haben wir für unseren Vorschlag übernommen: Ich zitiere aus § 19: „Ab dem Haushaltsjahr 2013 sind die jährlichen Haushaltspläne so aufzustellen, dass ein kontinuierlicher, möglichst gleichmäßiger Abbau des strukturellen Defizits vorgesehen wird. Zur Sicherstellung der ab dem 1. Januar 2020 geltenden Maßgabe soll bereits im Haushaltsjahr 2019 eine Nettokreditaufnahme vermieden werden. Mit dem Haushaltsplan ist jährlich eine detaillierte Planung vorzulegen, wie das Ziel nach § 12 im Haushaltsjahr 2020 ereicht werden soll.“

Ich finde, das ist ein sehr guter Kompromiss, dem auch CDU und FDP ohne Gesichtsverlust hätten zustimmen können. Aber wie gesagt: Das ist im schwarzgelben Drehbuch nicht vorgesehen.

Anrede, sehr geehrte Damen und Herren von CDU und FDP,

Ihre Inszenierung hat ein bisschen was von einem Gewohnheitsverbrecher, der im Gefängnis Krimis schreibt.
Schwarz-gelb hat in den zu Ende gehenden 10 Regierungsjahren jedes Jahr im Durchschnitt knapp 2 Milliarden neue Schulden gemacht.

Und das, obwohl Landesvermögen in erheblichem Umfang veräußert wurde, obwohl weitere Schulden in Schattenhaushalten ausgelagert und versteckt wurden und die Rücklagen geplündert wurden. Obwohl gleichzeitig die Steuereinnahmen gestiegen sind wurden sie nicht zum Abbau der Schuldenlast eingesetzt.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP: Wie kommen Sie eigentlich dazu, sich hier jetzt die Rolle der furcht- und kompromisslosen Schuldenbekämpfer anzumaßen?

Diese Rolle kann bislang keine politische Partei für sich beanspruchen. Aber wenn nur die Fakten zählen, dürfen CDU und FDP das am allerwenigsten.

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