Rede Hans-Jürgen Klein: Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für die Jahre 2012 und 2013

 

Anrede,

auch Regierungen haben Halbwertzeiten, die von schwarz-gelb war offensichtlich mit Ende der ersten Wahlperiode schon erreicht.
Ich habe keine Probleme neidlos anzuerkennen, dass Sie 2003/2004 in Sachen Haushaltskonsolidierung beeindruckend gestartet sind.
Die massiven Einschnitte bei den Personalkosten waren hochwirksam und dank der Boomjahre 2005 bis 2008 ließ sich auch der geplante Abbau der Nettokreditaufnahme darstellen.

Aber - Schwarz-gelb hat kein Durchhaltevermögen. Während der Bankenkrise ging Ihnen die Luft aus und 2009/10 hat der Finanzminister mit 4,6 Mrd. neuen Schulden regelrecht hyperventiliert.

Trotz rund einer Milliarde Euro Vermögensverzehr im Haushalt, trotz einer weiteren Milliarde, die Ende 2010 noch zur Verfügung stand, trotz Mehreinnahmen bei der Förderabgabe, trotz erneut erstaunlichen Zinseinsparungen, aber vor allem trotz sprudelnder Steuerquellen ist die Landesregierung im Jahr 2011 nicht in der Lage die hohe Nettokreditaufnahme von 1,9 Milliarden Euro abzusenken.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie gebärden sich als seien Sie die personifizierte Schuldenbremse. Konkret sind Sie diesem Ziel noch nicht einen Schritt näher gekommen.
Stattdessen machen Sie den "großen Maxe" und erklären, Niedersachsen würde die Schuldenbremse schon drei Jahre früher als erforderlich einhalten - eine Aussage die weder belastbar noch überprüfbar und schon gar nicht seriös ist.
Da müssten Sie schon mehr tun als ein paar zukünftig immer kürzer werdende Balken auf ein Blatt Papier zu zeichnen.

Natürlich war es auch nicht seriös, uns einen Haushaltsentwurf 2012 vorzulegen, der mit 1,6 Mrd. Nettokreditaufnahme die geltende Schuldenbremse in der Niedersächsischen Verfassung schlicht ignorierte und um 700 Mio. Euro überstieg.

Das war schlicht dreist - zu dreist, um damit durchzukommen.
Es hat schon was Tragikkomisches wie Sie Ihr Zurückrudern jetzt erklären:
Da verkündet der Kollege Thümler per Pressemitteilung, dass es der Landesregierung in vorbildlicher Weise gelungen sei, eine verfassungsrechtliche Diskussion um den Art. 71 der Niedersächsischen Verfassung zu vermeiden.

Herr Thümler, vielleicht haben Sie es nicht gemerkt, aber die Diskussion um die Verfassung wurde nicht vermieden sondern intensiv geführt.
Schon gleich nach der Haushaltsklausur der Landesregierung haben wir auf die Verfassungswidrigkeit Ihrer Pläne hingewiesen. Wir waren damit mit Ihnen im Ring.
Wahrscheinlich hätte Sie das Trommelfeuer der Opposition und des Steuerzahlerbundes - wie üblich - weitgehend unbeeindruckt gelassen. Da haben Sie ja Nehmerqualitäten.

Aber dann kam der linke Haken des Landesrechnungshofes. Der hat Sie ins Wanken gebracht.
Und schließlich die rechte Gerade des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes. Die ging voll auf die Zwölf und hat Sie auf die Bretter geschickt.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie sind KO in dieser Frage!

Mit überdurchschnittlichen Ausgabensteigerungen ist der Entwurf 2012 ein Wahlkampfhaushalt pur.
Es gibt keine Konsolidierungsbeiträge, die die künftige Einhaltung der Schuldenbremse vorbereiten - weder auf der Ausgabeseite noch auf der Einnahmeseite

Stattdessen wurden die Ressortkassen gefüllt für ein erquickliches und schmerzfreies Vorwahljahr.
Die Spiegelstrichliste der Wohltaten nach der Haushaltsklausur der Landesregierung umfasste mehrere Seiten

  • Der Kultusminister wird mit Verkaufsprämien für seinen Ladenhüter Oberschule ausgestattet
  • Frau Wanka bekommt einen Zuschlag von 10 Prozent für ihr Ressort
  • Herr Bode darf die Luft-, Raum- und Schifffahrtindustrie verwöhnen
  • Der Innenminister bekommt zwei neue Hubschrauber und Herr Busemann einen neuen Gefangenenbus für 500.000 Euro.
  • Der Landwirtschaftsminister darf seinen Tierschutzplan vermarkten.

Für jeden und jede ist etwas dabei.

Anrede,

damit wir uns nicht missverstehen: Da sind natürlich auch einige politisch und sachlich unabweisbare Maßnahmen dabei. Und natürlich auch viel Wünschenswertes. Nur - wer erzählt denn seit Jahren, nicht alles was wünschenswert wäre, sei auch machbar? Wer betont in jedem zweiten Satz, dass Haushaltskonsolidierung oberste Priorität hat. Das sind Sie, meine Damen und Herren aus der Landesregierung und der Fraktionen von CDU und FDP.

Trotzdem ist es diese Landesregierung, bei der sich nicht ein konkreter Einsparungsvorschlag findet und auch die Bemühung um Einnahmeverbesserungen zur Verringerung des strukturellen Defizits von ca. 1,5 Mrd. Euro sind nicht zu erkennen.
An Ihren eigenen Maßstäben gemessen ist das ein Ungenügend - die Lücke zwischen Worten und Taten klafft unüberbrückbar auseinander.
Sie sind haushaltspolitische Hochstapler!

Anrede,

diese Landesregierung will die Menschen in Niedersachsen bis zur Landtagswahl nicht durch Lösungskompetenz und zukunftsfähige Politik überzeugen. Sie will sich das Wohlwollen erkaufen!
Deshalb musste sie tief in die Trickkiste greifen, um mit ihrem Ergänzungsentwurf in Bezug auf die Höhe der Neuverschuldung einen formal verfassungskonformen Haushalt vorzulegen.
Auch diese Aktion bringt uns einem ausgeglichenen Haushalt materiell an keinem Punkt näher.

Die formale Ausweitung der niedersächsischen Verschuldensgrenze per NordLB-Deal erfolgt mit einer Investitionen mit der das Land etwas kauft, was ihm längst gehört.

Jetzt sind die 280 Mio. Euro niedersächsischen Vermögens eine Stille Einlage; nach dem Deal ist es niedersächsisches Vermögen als Stammkapital. Der Unterschied ist allenfalls, dass die Rendite vorher höher war.

Damit die Rechnung aufgeht, wird mal eben der Investitionstopf um 30 Mio. Euro aufgestockt. Nach dem Motto: Uns wird schon noch etwas einfallen, wofür wir das Geld ausgeben können.

Das vorfällige Auszahlen des Kommunalen Finanzausgleichs verringert die Ausgaben für das Jahr 2012 aber erhöht sie 2011. Gesunder Menschenverstand nennt so etwas ein Nullsummenspiel.

Und dann ist da noch der Verschiebebahnhof der sogenannten Rücklagen. 638 Mio. Euro sind es jetzt für das Jahr 2012. Diese Rücklagen sind bekanntlich nicht benötigte Kreditermächtigungen aus Vorjahren. Zusammen mit der offiziellen Nettokreditaufnahme von 1,225 Mrd. Euro will die Landesregierung 2012 also knapp 1,9 Mrd. Euro neue Schulden aufnehmen.

Das entspricht etwa den Planungen von 2011. Der haushaltspolitische Konsolidierungsfortschritt ist Landesregierung ist also Gleich Null.

Anrede,

zu Ihrem Konstrukt des Doppelhaushaltes: wir lehnen diesen Doppelhaushalt ab: Mit wortreicher, aber aussageloser Lyrik versucht die Landesregierung zu vernebeln und das als zwangsläufig und sinnvoll darzustellen.

Die eigentliche Absicht ist aber mehr als durchsichtig. Das gesamtstaatliche Defizit, das im letzten Jahr über 43 Mrd. Euro betrug, liegt jetzt bei gut 7 Mrd. Euro. Die Zinsentwicklung ist explosiv, der demografische Handlungsbedarf steigt sprunghaft.
Die Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung haben derzeit die Qualität von astrologischen Vorhersagen. Das sind nur wenige Beispiele für die mangelhafte Belastbarkeit der Daten im Haushaltsplan 2013.

Wir werden die Zeit- und Ressourcenverschwendung einer so detaillierten Planung nicht unterstützen.

Wir sparen uns diese Zeit auf, um hier im nächsten Jahr die Initiative für einen Nachtragshaushalt vorzulegen, die die politischen Fehler der Landesregierung und unsere politischen Alternativen dazu aufgreift.

Wir werden Ihnen Änderungsvorschläge für ein Konzept machen, das die notwendigen Zukunftsinvestitionen in Bildung und Umweltschutz absichert!

Ein Konzept, das eine Neuverschuldung bis zur Höhe der niedersächsischen Verfassungsgrenze vorsieht; aber keine Inanspruchnahme von Rücklagen, die keine sind!

Wir werden in diesem Jahr auch auf Forderungen verzichten, die unter dem Finanzierungsvorbehalt steigender Einnahmen stehen, die erst noch auf Bundesebene initiiert werden müssen.
Um das zu erreichen, ist unsere Fraktion auch bereit, von unseren eigenen bisherigen Mehrkosten verursachenden Änderungsvorschlägen Abstriche zu machen und zeitliche Streckungen zu akzeptieren.

Allerdings sind wir nicht bereit, auf die hohen Steuermehreinnahmen dieses Jahres zu verzichten, um 600 Mio. Euro davon dauerhaft in einer Bank zu versenken.

Was soll daran zukunftsfähig sein?

Wir erwarten deshalb, dass dieses Geld zügig in den Landeshaushalt zurückfließt. Bei 215 Mio. Euro Gewinn, den die NordLB in diesem ersten Halbjahr gemacht hat, dürfte das auch kein Problem sein.
Wir brauchen dieses Geld für gute Kitas, gute Schulen und gute Hochschulen und nicht, um damit die Kreditierung von Schiffen und Flugzeugen zu unterlegen.
Unsere Prioritäten sind da eindeutig und klar!

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