Rede Hans-Albert Lennartz Haushalt 2008 - Inneres

 

Anrede.

"Schünemann verfassungswidrig". So titelte die taz vom 7. Dezember in ihrer Berichterstattung über die "Schlappe für niedersächsischen Innenminister vor dem Staatsgerichtshof."

Allmählich könnte man diese Formulierung tatsächlich als zutreffend für die Arbeit des Innenministers bezeichnen.

Das wird besonders deutlich an den folgenden vier Themen

  • Polizeireform,
  • Arbeitsbedingungen der Polizei,
  • Zustand des Polizeirechts in Niedersachsen,
  •  Beziehungen zwischen Land und Kommunen

Zur Polizeireform:

Die Quintessenz Ihrer Polizeireform: Sie haben mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eingestellt. Aber in den Polizeistationen, also den Basiseinheiten der Polizei ist  das nicht angekommen.

Sie wollten die Polizei in der Fläche stärken, und haben sie in den großen Polizeiinspektionen konzentriert. Der räumliche Zuschnitt Ihrer Polizeiorganisation weist eine Reihe von Defiziten auf. Jetzt haben Sie durch Änderungen im Polizeigesetz aus wahltaktischen Gründen zwei Veränderungen vorgenommen. Zu einer grundsätzlicheren Korrektur fehlt Ihnen die Kraft.

Zu den Arbeitsbedingungen der Polizei:

Die Berufszufriedenheit bei der Polizei lässt zu wünschen übrig. Gründe sind die Streichung des Weihnachtsgeldes, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die Kürzung von Sonderzahlungen, aber auch die immer noch unzureichende Funktionsfähigkeit des Polizeiverwaltungssystems NIVADIS. Ein weiterer Baustein in diesem Ensemble ist die Zentralisierung der Hausmeisterdienste und nach wie vor das völlig desolate Beurteilungssystem. Mit diesem System sind Sie grandios gescheitert. Legen Sie es endlich zu den Akten.

Die GdP-Mitarbeiterbefragung vom Frühjahr diesen Jahres hat deutlich gemacht, dass die Auswirkungen der Polizeireform, unzureichende Beförderungsmöglichkeiten und schließlich damit verbunden das Beurteilungssystem im Zentrum der Kritik stehen.

Ihre Defizite als Dienstherr sind unvergessen. Statt die Kritik der Beschäftigten ernst zu nehmen, warfen Sie ihnen Stimmungsmache vor. Nehmen Sie einfach zur Kenntnis, Herr Innenminister: Die niedersächsische Polizei ist kein Trupp von Befehlsempfängern, sondern ein Personalkörper, der Recht und Gesetz anwendet, zugleich aber auch sich seiner eigenen Rechte bewusst ist. Dazu haben wir unter Zeiten der rot-grünen Regierung mit der Einführung der zweigeteilten Laufbahn und einer Reform des Ausbildungswesens wichtige Beiträge geleistet.

Zum Zustand des Polizeirechts in Niedersachsen

"Schünemann verfassungswidrig":

Die Verschärfung des Polizeigesetzes 2004 führte bekanntlich unter anderem zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der der Kern der neuen Befugnis zur vorbeugenden Telefonüberwachung ohne Tatverdacht für nichtig erklärt wurde. Dieses Urteil erforderte Konsequenzen. Die, die Sie mit der erneuten Änderung des Polizeigesetzes in der Novemberdebatte des Landtages gezogen haben, dürften vor Gericht erneut keine Bestand haben, denn die jetzt verabschiedete Regelung gewährleistet erneut nicht den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Das hat Ihnen und uns der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages in den Beratungen mit auf den Weg gegeben. Das hat Sie aber offensichtlich nicht interessiert. Geradezu skurril war das Ablenkungsmanöver des Kollegen Biallas, der anlässlich der Verabschiedung der Änderung des Polizeigesetzes in seiner Pressemitteilung schrieb: "Die Polizeibeamten bekommen ein Gesetz an die Hand, dass wesentlich praxistauglicher und mit dem sie noch besser für die Sicherheit der Menschen in Niedersachsen arbeiten können".

Ich habe Zweifel, ob die Ausbildung an einer Polizeiakademie ausreicht, um dieses Gesetz in der Praxis anwenden zu können.

Im Rahmen des Polizeigesetzes schaffen Sie auch die Möglichkeit, in Zukunft Videoaufzeichnungen zur Verhinderung terroristischer Anschläge zu praktizieren. Für zusätzliche Videoinstallationen haben Sie im Haushalt 2008 1,6 Mio. Euro eingesetzt.

Ich frage mich, wieso die bereits am Neumarkt in Osnabrück installierte Videokamera dazu beitragen kann, terroristische Anschläge zu verhindern. Es bleibt Ihr Geheimnis, dass sich gerade am Osnabrücker Neumarkt potentielle Terroristen zu kriminellen Taten verabreden. Es ist nach wie vor unklar, nach welcher Lageeinschätzung solche Videoaufzeichnungen bzw. Videoinstallationen erfolgen sollen. Man gewinnt vielmehr den Eindruck, dass das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung durch die Installation solcher Einrichtungen beruhigt und verbessert werden soll.

Zu 4. Beziehungen zwischen Land und Kommunen

"Schünemann verfassungswidrig":

Vor wenigen Tagen hat der Staatsgerichtshof das Lüchow-Dannenberg-Gesetz in einem seiner wesentlichen Regelungsinhalte kassiert. Es geht um die Vorschrift, nach der die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises nicht mehr auf der Ebene der Gemeinden, sondern auf der Ebene des Landkreises konzentriert werden sollten. Diese Entscheidung dokumentiert Ihr insgesamt unglückliches Agieren in Bezug auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg im Besonderen und die Probleme der Kommunen in Niedersachsen im Allgemeinen.

Ausnahmsweise muss ich Sie auch einmal loben. Sich der Probleme des hoch verschuldeten Landkreises Lüchow-Dannenberg anzunehmen und nach Lösungen zu suchen, war verdienstvoll. Aber schon der ursprüngliche Ansatz, eine kreisfreie Samtgemeinde zu schaffen, musste auf den "letzten Drücker" zurückgezogen werden. Dann kam die jetzige Regelung. Auch diese hat ausweislich der Entscheidung des Staatsgerichtshofs keinen Bestand. Es bleibt jetzt nur noch übrig, eine Fusion des Landkreises mit einem oder mehreren benachbarten Landkreisen anzustreben. Ein Thema, was Sie bekanntlich extrem scheuen, weil es der Einstieg in eine aus grüner Sicht notwendige Kreis- und Gebietsreform in Niedersachsen wäre. Um sich vor diesem zweifellos herausfordernden Projekt zu drücken, predigen Sie "interkommunale Kooperation oder IKZ". Dagegen ist nichts einzuwenden, aber das reicht nicht aus!

Ein letzter Punkt: Im Haushaltsbegleitgesetz verstecken Sie eine Änderung des niedersächsischen Kommunalprüfungsgesetzes, mit der zum 1. Januar 2008 den kommunalen Gebietskörperschaften im kommunalen Finanzausgleich 4,5 Mio. Euro zur anteiligen Finanzierung der Kommunalprüfungsanstalt entnommen werden soll. Die Bedenken der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände ignorieren Sie. Diese Kürzung ist weder in der Sache noch in ihrer Höhe gerechtfertigt. Aber dies dokumentiert Ihr Verständnis von vertrauensvoller Partnerschaft mit den Kommunen.

Zusammengefasst: Herr Schünemann, Sie agieren nicht wie ein Verfassungsminister, sondern wie ein Spieler, der nach dem Prinzip verfährt "ich werde schon Glück haben, es wird schon klappen."

Wir stellen fest: Diese Art des Agierens hat Ihnen kein Glück gebracht.

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