Rede Hans-Albert Lennartz: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schaffung zukunftssicherer Kommunen in Niedersachsen“

 

Anrede,

die Kommunalwahl in Niedersachsen ist vorbei. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um bis zum Ende der aktuellen Wahlperiode des niedersächsischen Landtages noch Hausaufgaben zum Thema zukunftssichere Kommunen zu machen, damit in der 16 Wahlperiode konkrete Entscheidungen umgesetzt werden können.

Zum Verständnis für unseren Antrag noch einmal einen Rückblick auf die Debatten zur Verwaltungsreform der Landesregierung:

In 2004 hat der niedersächsische Landtag ein umfangreiches Gesetzespaket verabschiedet, mit dem u.a. die Abschaffung der Bezirksregierungen in Niedersachsen, der Wegfall von bislang dort wahrgenommener Aufgaben, sowie die Privatisierung und Kommunalisierung von bislang dort wahrgenommener Aufgaben beschlossen wurde.

Die grüne Position war auf zwei Sätze zusammengefasst die folgende: Obwohl für ein westdeutsches Flächenland ungewöhnlich, sei die Abschaffung der Bezirksregierungen durchaus machbar, verlange aber eine verstärkte Übertragung von bisher staatlich wahrgenommener Verwaltungsaufgaben auf die Ebene der Kommune. Da die Heterogenität der niedersächsischen Landkreise die sinnvolle weitergehende Übertragung von Aufgaben auf sie nicht zuließen, müsse als notwendiger zweiter Schritt nach der Abschaffung der Bezirksregierungen eine Kreis- und Gebietsreform in Niedersachsen erfolgen.

Die Position der SPD-Fraktion war: Niedersachsen braucht Bezirksregierungen. Die Abschaffung durch die Landtagsmehrheit führt zwingend zu einer Kreis- und Gebietsreform.

Der Ihnen vorliegende Antrag ist ein konstruktives Angebot an die Landtagsmehrheit.

Wir sagen: Wir sind bereit unsere Position zur Notwendigkeit einer Kreis- und Gebietreform in Frage zu stellen bzw. überprüfen zu lassen. Dazu soll eine Enquete-Kommission eingerichtet werden, die die Struktur der Kommunen in Niedersachsen, ihre territoriale Abgrenzung, eine sinnvolle Funktionalreform sowie Instrumente umfassender Bürgerbeteiligung untersucht.

Die Regierungskoalition kann, wenn sie seriös mit dem Thema Zukunft der Kommunen umgehen will, unseres Erachtens nicht Nein sagen. Der von Ihnen mehrfach als Sachverständiger herangezogene Prof. Dr. Hesse hat in seinem Gutachten "Verwaltungsmodernisierung im Bereich der Raumordnung und Landesentwicklung – Vergleichsanalyse und Aufgabenkritik" vom 6.2.2006 ausgeführt:

"Zumindest für die kommende Legislaturperiode dürfte es sich aber als unverzichtbar erweisen, Aussagen zur Tragfähigkeit der gegebenen Organisations- und Gebietsreform zu machen, mithin nicht nur den Umfang, sondern vor allem auch die Form dezentraler Aufgabenverantwortung neu oder doch zumindest verändert zu definieren. Dies muss zunächst nicht in eine gleichsam umgehende und flächendeckende Gebietsreform münden, doch wären zumindest die anzustrebenden Größenordnungen festzulegen und Ordnungs- wie Entwicklungspolitiken darauf auszurichten Die in nahezu allen Ländern erkennbare Entwicklungsdynamik dürfte hier auch an Niedersachsen nicht vorbeigehen."

Anrede,

Die von uns vorgeschlagene Enquete-Kommission soll sich mit vier Themen, die miteinander verknüpft sind, befassen:

  • Schaffung einer zukunftssicheren Kommunalverwaltung,
  • territoriale Abgrenzung der Kommunen
  • Funktionalreform,
  • sowie einer Entwicklung umfassender Instrumente von Bürgerbeteiligung.

Zu diesen vier Komplexen soll die Kommission konkrete Umsetzungsvorschläge für den Landtag erarbeiten und zugleich eine gesellschaftspolitische Diskussion anstoßen, zu de Frage "Was erwarten die Bürgerinnen und Bürger von ihrer Kommune, welche Leistungen können nur noch in Kooperation mit der Bürgerschaft sichergestellt werden und welche Ergänzungen repräsentativer Entscheidungsformen mit direktdemokratischen Formen sind unter veränderten Bedingungen zumindest notwendig?"

Unterpunkte der Aufgabenstellung wären die Überprüfung der Richtgrößen der Landkreise sowie der Städte und Gemeinden und das Spezielle der Aufgabenverteilung zwischen Landesverwaltung und kommunaler Verwaltung.

Antworten auf diese Fragen lassen sich finden, wenn die Kommission die bisherige Zuständigkeitsaufteilung im Hinblick auf neue Herausforderungen, insbesondere den demografischen Wandel sowie die schwierige Finanzverfassung der Kommunen, in den Blick nimmt.

Angesichts der verschiedenen Vorerfahrungen einerseits in Niederachsen selbst, andererseits in anderen Bundesländern, die Verwaltungsreformen zur Stärkung der Dreistufigkeit durchgeführt haben oder Kreis- und Gebietsreformgesetze verabschiedet haben und in der Umsetzungsphase sind, ist der Zeithorizont für die Erarbeitung von Vorschlägen durch eine Enquete-Kommission mit ca. einem Jahr nicht unverhältnismäßig kurz angesetzt. Alle Fraktionen des Landtages wären nach den Ergebnissen einer entsprechenden Kommission in die Lage versetzt, neu zu bewerten, ob und wenn ja welche Veränderungen notwendig sind und für die 16. Wahlperiode angegangen werden sollen.

Ich weiß, dass das Thema schwierig ist und das es, insbesondere für die großen Fraktionen CDU und SPD auch im Hinblick auf ihre starke kommunale Repräsentanz sensibel ist. Aber verschanzen Sie sich jetzt nicht hinter den Aussagen mancher Sprecher der kommunalen Spitzenverbände, hier insbesondere des Städte- und Gemeindebundes und auch des Landkreistages. Wenn Sie mit den kommunalen Akteuren selbst im Kontakt sind, und das unterstelle ich, dann werden Sie feststellen, dass dort die Bereitschaft zu einer Arbeit an diesem Thema weit unbefangener existiert als die offiziellen Statements der Spitzenverbände manchmal erscheinen lassen.

In Schleswig-Holstein regiert eine Große Koalition und ist mit dem Thema einer Neugliederung der kommunalen Gebietskörperschaften auf dem Weg. In Mecklenburg-Vorpommern wird voraussichtlich eine Große Koalition regieren und die CDU signalisiert zur Zeit, dass sie ihre prinzipielle Ablehnung (als Oppositionsreflex) bereit ist zu überprüfen und ggf. sogar zu korrigieren. Jedenfalls soll an den bereits geschlossenen Neugliederungsplänen eine Koalition dort nicht scheitern.

Das Verhalten der hiesigen Koalitionsfraktionen wird zeigen, ob sie in Sachen Staatsreform ihr Pulver bereits verschossen haben oder ob von ihnen noch mehr zu erwarten ist.

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