Rede Georgia Langhans: Abschiebemoratorium bis zum In-Kraft-Treten einer Bleiberechtsregelung

Landtagssitzung am 14.09.2006, TOP 15

Anrede

in diesem Sommer ist endlich auch in Niedersachsen Bewegung in die bisher völlig festgefahrene Debatte um ein Bleiberecht langjährig geduldeter Flüchtlinge gekommen. Längst befürwortet und fordert eine breite Mehrheit in Politik und Gesellschaft eine Altfallregelung. Im Juli hat Bundesinnenminister Schäuble mit seiner Äußerung in der Süddeutschen einen weiteren Anstoß gegeben. Er hat nämlich gesagt: Jeder sieht doch, dass man Kinder, die hier geboren wurden, zur Schule gegangen sind und oft sogar einen guten Abschluss gemacht haben nicht irgendwohin abschieben kann." Auch die Innenminister der Länder streiten nicht mehr über das Ob sondern nur noch über das Wie. Letztendlich haben wir es dem Kommunalwahlkampf zu verdanken, dass Innenminister Schünemann als einer der letzten Länderinnenminister nun auch einen Vorschlag für eine Bleiberechtsregelung auf den Tisch gelegt hat. Wer will schon mit dem Image eines harten Hundes  in den Kommunalwahlkampf gehen. Lange hat es gedauert bis auch ihm aufgegangen ist, dass er mit seiner gnadenlosen Flüchtlingspolitik noch maximal bei den Stammtischen Erfolg hat. Den Rückhalt in der Gesellschaft hat er schon lange verloren. Bereits sein erster Vorschlag nur Jugendlichen ohne ihre Familien  ein Daueraufenthalt bzw. ein Rückkehrrecht einzuräumen stieß landesweit auf große Proteste. Nicht nur die Kirchen haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es unmenschlich ist, Familien auseinander zu reißen. Selbst der Koalitionspartner hat " unerfreuliche Nebenwirkungen ausgemacht". In der HAZ vom 3.5.06 sagt der Fraktionsvorsitzende der FDP: "Familien sollten nicht auseinander gerissen werden. Deshalb brauchen wir eine klare Bleiberechtsregelung."

Anrede

Jetzt will auch diese Landesregierung Asylbewerbern unter bestimmten Bedingungen ein Bleiberecht gewähren.
Leider ist auch das kein Grund aufzuatmen.

Anrede

der Minimalvorschlag ist enttäuschend. Alle Hoffnungen auf eine, wie von Ministerpräsident Wulff versprochene, vernünftige Bleiberechtsregelung werden zunichte gemacht. Kranke, Behinderte und Alte werden ausgeschlossen. Sind das nicht gerade die Menschen, die neben den Kindern unseres besonderen Schutzes bedürfen? Was ist mit allein stehenden Müttern, deren Kinder sich hier genauso gut integriert haben wie Kinder aus anderen Familien. Diese Menschen werden ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig sichern können. Sie haben damit keine Chance für eine Zukunft in Niedersachen. Auch die halbjährige Übergangsfrist die Sie Asylbewerbern zubilligen wollen, um Arbeit zu finden, ist eine Mogelpackung. Sie schieben den schwarzen Peter der SPD zu, indem Sie Herrn Müntefering auffordern, den Arbeitsmarktzugang zu erleichtern. 

Dabei könnte das Innenministerium jederzeit eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilen und das Problem wäre gelöst.

Anrede,

das vermeintliche Entgegenkommen der Landesregierung in Sachen Bleiberecht relativiert sich sehr schnell und hier zeigt sich dann auch wieder das wahre Gesicht dieser Landesregierung. Der Innenminister beabsichtigt eine drastische Kürzung bei den Leistungen für Asylbewerbern und plant eine Beweislastumkehr bei der Reisefähigkeit der von Abschiebung bedrohten Menschen. Dies ist schlicht und einfach unverantwortlich.

Anrede,

eine Bleiberechtsregelung, die die Hürden für eine Vielzahl von Menschen unerreichbar hoch setzt, die die Schutzbedürftigkeit vieler Flüchtlinge unberücksichtigt lässt, ist das Papier nicht wert auf dem sie gedruckt ist. Bischoff Trelle hat gestern Abend noch einmal ein deutliches Zeichen gesetzt, indem er Kirchen auch als Ort für Menschen, für Heimatlose, die geschützt werden müssen, definiert hat.   

Die christdemokratische Landesregierung ist noch weit davon entfernt, humanitäre Gesichtspunkte in politisches Handeln im Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern einfließen zu lassen.

Noch im Sommer hat  die FDP  den Aufstand geprobt und heute buhlen Sie bereits wieder um die Gunst des Koalitionspartners. In einer Presseerklärung vom 1. September loben sie ausdrücklich Herrn Schünemanns Vorschläge. In einer Presseerklärung vom März dieses Jahres war noch keine Rede davon, ein Bleiberecht vom  Nachweis eines Arbeitsplatzes abhängig zu machen. Wieder mal zeigt  es sich: Ihre vollmundigen Forderungen an den Koalitionspartner bleiben doch nur hohle Phrasen.

Anrede

die Forderungen nach einem Bleiberecht sind das eine. Die Chancen, noch in diesem Jahr zu einer Lösung zu kommen sind groß. Was aber passiert mit den Menschen, die bereits heute die zweifellos restriktiven Kriterien dieser Landesregierung erfüllen. Wie werden sie vor einer bevorstehenden Abschiebung geschützt?

Was passiert zum Beispiel mit dem 16 jährigen jungen Mann, der allein in die Türkei abgeschoben werden soll. Was passiert mit  Familien und ihren Kindern, die ihren eigenen Lebensunterhalt, verdienen, die über ausgezeichnete Deutschkenntnisse verfügen und sozial engagiert sind? Sie sind  hier integriert, dir haben hier ihre Heimat gefunden  und dennoch steht ihnen die Abschiebung bevor.

Anrede,

Ein Abschiebestopp bis zum In- Kraft treten einer bundesweiten Bleiberechtsregelung könnte den Familien und jungen Menschen die seit vielen Jahren hier leben, für die Niedersachsen zur Heimat geworden ist eine Chance auf ein Bleiberecht ermöglichen. Diese Chance darf Ihnen nicht durch vorzeitige Abschiebung genommen werden.

 Anrede,

Mecklenburg-Vorpommern und Berlin haben bereits in Erwartung einer Bleiberechtsregelung ein Abschiebestopp für Personen erlassen, die von einer solchen Regelung profitieren könnten.
Die Signale dieser Landesregierungen sind eindeutig: kein Abschiebestopp.

Anrede,

aus Niedersachsen hören wir eher weitere Ausgrenzungsparolen wie "mehr abschieben", "weniger reinlassen", " Familiennachzug erschweren". Damit erreichen Sie die Stammtische - die Probleme der Zukunft lösen Sie damit nicht.  

Abschließend noch ein paar Worte an die Fraktion der FDP. Der Presse entnehmen wir, dass auch der Fraktionsvorsitzende Ihrer Fraktion ein Abschiebungsmoratorium fordert.

Auf der einen Seite setzen Sie sich medienwirksam für ein Bleiberecht ein, Sie sprechen sich öffentlich dagegen aus, dass integrierte Menschen abgeschoben werden. Und im Kabinett und im Landtag ducken Sie sich weg und nehmen die Möglichkeit, eine Bleiberechtsregelung zu beschließen nicht wahr.

Sie könnten hier endlich mal beweisen, dass Sie Ihren Worten auch Taten folgen lassen.

Wir stellen unseren Antrag zur sofortigen Abstimmung.

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