Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Zweite Beratung Haushalt 2007 – Wissenschaft und Kultur

Landtagssitzung am 07.12.2006, TOP 10 - 15

Anrede,

der Haushalt 2007, den Sie werte KollegInnen von CDU und FDP hier als Fortsetzung einer Erfolgsserie verkaufen wollen ist bei Lichte betrachtet im Hochschulbereich nichts anderes als das Eingeständnis des Scheiterns der eigenen Politik. Nach rasanter Irrfahrt wider jede hochschulpolitische Vernunft, sind Sie jetzt gezwungen worden, den Rückwärtsgang einzulegen. Und das geschah  nicht mal aus eigener Einsicht in die politische Notwendigkeit, der steigenden Zahl von Hochschulzugangsberechtigten mit dem Ausbau von Studienplatzkapazitäten zu begegnen. Nur, weil die Bundesbildungsministerin Schavan klug genug war, die Gewährung von Bundeszuschüssen im Rahmen des Hochschulpakts an zwei Bedingen zu knüpfen – die Gegenfinanzierung durch die Länder und die unmittelbare Verwendung zur Schaffung neuer Studienplätze – kommt Minister Stratmann jetzt endlich zur Vernunft.

Wenn der Hochschulpakt nicht wäre, und damit die Möglichkeit des Bundes, den Ausbau von Studienplätzen mitzufinanzieren – die diese Landesregierung mit anderen Unionspolitikern aus Bund und Ländern lange versucht hat zu verhindern -, dann würden Sie vermutlich noch heute behaupten, das Reagieren auf den demographisch bedingten Anstieg habe noch Zeit. Noch vor einem Jahr haben Sie an dieser Stelle im Rahmen der Beantwortung einer großen Anfrage meiner Fraktion geantwortet, "wir müssen die weitere Entwicklung der Bildungsbeteiligung sorgfältig beobachten und spätestens 2009 konkrete Vorkehrungen für Zielvereinbarungen und Budgetbemessung für die Haushaltsjahre 2010 bis 2015 treffen."

Aber auch wenn wir jetzt einen Schritt weiter gekommen sind, es ist eben nur ein Schritt hin zur Startlinie. Denn das Geld, das Sie jetzt bis 2010 zusätzlich zur Verfügung stellen wollen, deckt nicht annähernd dass, was Sie den Hochschulen im gleichen Zeitraum entzogen haben. Selbst wenn Sie den Bundesanteil beim Hochschulpakt mit einrechnen und Sie tatsächlich den jetzt festgelegten Anteil auch wirklich bis 2010 abfragen und gegenfinanzieren, haben Sie lediglich ein gutes Drittel von dem ausgeglichen, was Sie über das Hochschuloptimierungskonzept eingespart haben. Ob Sie die vollen Mittel ausschöpfen werden, ist bisher weder im Haushalt noch in der Mittelfristigen Planung ablesbar.

Anrede,

gemessen an der Studienplatzkapazität sieht die Bilanz noch trauriger aus. Seit Beginn Ihrer Amtsperiode, Herr Minister Stratmann, wurden  bis heute über 5.500 Studienanfängerplätze – zum Teil bedingt durch das HOK, zum Teil bedingt durch die Umstellung auf Bachelor und Master - abgebaut.  Wenn Sie nun bis 2010 die Schaffung von 4000 neuen Studienanfängerplätzen ankündigen, dann werden Sie noch immer eine negative Bilanz von über 1500 fehlenden Studienplätzen zum Vergleichsjahr 2003 hinterlassen. Dabei ist noch nicht einkalkuliert, dass ein großer Teil aller Studienanfängerplätze noch gar nicht auf Bachelorstudiengänge umgestellt ist. Das heißt, bis 2010 werden Sie zeitgleich zum Aufbau von Studienanfängerplätzen über den Hochschulpakt auch weiterhin Studienanfängerplätze durch die Umstellung der verbleibenden Studiengänge bedingt durch den höheren Betreuungsaufwand in den Bachelor und Master Studiengängen verlieren. Wenn Sie dies nicht berücksichtigen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, droht die Rückzahlung der Bundesmittel aus 2007 und 2008. An dieser Stelle spricht der Hochschulpakt Klartext: "Die Mittel des Bundes sind zurückzuzahlen bzw. werden verrechnet, soweit die vereinbarten zusätzlichen Studienanfängerzahlen nicht erreicht, bzw. erhalten wurden." Der Hochschulpakt kann also, wenn Sie in dem Tempo weiter machen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, ein richtig teurer Spaß werden.

Die Bezugnahme des Hochschulpakts auf die Studienplatzkapazitäten in 2005 bedeutet, dass Sie mit 1000 neuen Studienanfängerplätzen in 2007 nicht mal das kompensieren, was Sie von 2005 auf 2006 an Kapazitäten abgebaut haben Da alleine in diesem Zeitraum 1.700.Studienanfängerplätze abgebaut wurden, werden Sie nach ihrem Haushaltsplan das Jahr 2007 in Bezug auf das Hochschulpakt-Konto mit einem Minus von 700 Studienanfängerplätzen abschließen.

Dabei wissen Sie genau, Herr Minister Stratmann, dass die von Ihnen eingeplanten Mittel hinten und vorne nicht reichen werden, den tatsächlichen Bedarf zu decken. In der Enquete-Kommission Demographischer Wandel hat Ihr Ministerium eigene Modellrechnungen vorgelegt, nach denen alleine bis 2010 die Zahl der Studienanfänger um 10.000 steigen wird. Da kann man doch nicht 4.000 neue Studienanfängerplätze abfeiern, sondern muss heute aufzeigen, wie man die zusätzlichen 6.000 aus eigenen Mitteln finanzieren will. Aber Fehlanzeige!

Hinzukommt, dass die im Rahmen des Hochschulpakts geplanten neuen Studienplätze mit einer 50% Gegenfinanzierung der bereitgestellten Bundesmittel längst nicht ausfinanziert sind. Denn die Studierenden, die bis 2010 die neuen Studienplätze belegen, sind natürlich über das Jahr 2010 hinaus im System, dass heißt, da der Ausbau in tausender Schritten erfolgt, wird das Gros sein Studium erst 2014 abschließen. Auf dieser Grundlage berechnet das CHE , dass die Länder die Bundesmittel nicht zu 100% sondern zu 200% werden gegenfinanzieren müssen. Der Hochschulpakt enthält zwar die Absichtserklärung, dass der Bund die Studienanfänger gemäß seinem Anteil auch nach 2010 komplett ausfinanziert, aber ob diese unverbindliche Zusage gehalten wird, ist ob der Haushaltslage im Bund und der Tatsache, dass nach der Föderalismusreform die Zuständigkeit für die Hochschulen ausschließlich bei den Ländern liegt, ungewiss.

Darüber hinaus kann es ja wohl nicht das Ziel sein, diese Studienplätze nach 2010 auslaufen zu lassen, denn die werden natürlich - auch nach der Prognose des MWK - über 2020 hinaus gebraucht.

Außerdem ist es unlauter lediglich die Studienanfängerplätze in Bachelorstudiengängen zu kalkulieren. Ab 2010, wenn die ersten Studierenden auf den neuen Studienplätzen ihren Bachelor abgeschlossen haben, müssen Sie natürlich auch, wenn auch in geringerem Umfang, zusätzliche Masterstudienplätze schaffen. 

All dies macht deutlich, meine Damen und Herren von CDU und FDP, dass die von Ihnen geplante Aufstockung der Studienplätze nicht reicht. Darauf hat auch die Landeshochschulkonferenz bereits hingewiesen. Während dank der demographischen Entwicklung schon heute Jahr für Jahr die Zahl der Studienberechtigten steigt, werden Sie in Sachen Kapazitätsausbau weiterhin Negativsalden ausweisen.

Ihre Hochschulpolitik, meine Damen und Herren von CDU und FDP wird nicht nur dazu führen, dass noch mehr gut ausgebildete Schulabgänger Niedersachsen verlassen, sondern Sie verursachen zu Gunsten kurzfristiger Einsparungen im Landeshaushalt mittel- und langfristigen einen volkswirtschaftlichen Schaden, der um ein vielfaches höher liegen wird als die Einsparungen. Insgesamt gibt es in Niedersachsen über 25.000 Arbeitsplätze, die dadurch entstehen, dass das Land rund 2 Milliarden € in seine Hochschulen und Forschungsinstitute steckt. Zudem ist der Hochschul- und Forschungssektor der einzige Bereich mit relevanten Expansionspotentialen für Wissenschaft und Wirtschaft. Hinzukommt, dass jeder €Â  Hochschulausgaben vor Ort im Schnitt mindestens 2 €Â  gesamtwirtschaftliche Nachfrage induziert. Angesichts der sonstigen Ansiedlungshilfen aus der Wirtschaftsförderung ist Hochschulförderung also auch aus arbeitsmarktpolitischer Perspektive konkurrenzlos günstig. Und das wirkt sich natürlich mittelbar auch wieder auf den Landeshaushalt aus. Nach Berechnungen der OECD lag im Jahr 2000 der fiskalische Ertrag staatlicher Bildungsinvestitionen durch erhöhte Steuereinnahmen in Deutschland bei ca. 6,5% und er steigt ständig weiter an.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP,

für den Hochschulbereich gilt, Ihre Sparpolitik von heute, das sind die Schulden von morgen. Mit nachhaltiger Haushaltspolitik hat das nichts zu tun.

Aus diesem Grund haben wir einen Haushaltsantrag vorgelegt, der in einem ersten Schritt den dauerhaften Ausbau von zusätzlichen 3000 Studienanfängerplätzen ab 2007 vorsieht. Wir veranschlagen die durchschnittlichen Kosten eines Studienplatzes pro Jahr mit 9.000 € und stützen uns damit auf Berechnungen des Hochschul-Informations-Systems HIS und der Hochschulrektorenkonferenz. Denn wir wollen nicht nur neue Studienplätze, sondern auch qualitativ hochwertige Studienplätze. Um die Qualität von Lehre und Studium insgesamt auszubauen, schlagen wir die Einrichtung eines Bildungsfonds vor, der aus Veräußerungsgewinnen von Landesvermögen gespeist wird. Alleine seit 2003 sind 900 Mio. € Vermögen zur Haushaltsdeckung aufgezehrt worden. Daher sollen die Erlöse in Zukunft in einen Fonds fließen, aus dessen Zinserträgen innovative Hochschulprojekte unterstützt werden, die eine Steigerung der Qualität der Lehre und des studentischen Lernens ermöglichen. Ähnlich wie die DFG Mittel in der Forschung, sollen die Fondsmittel als Leistungsanreiz in der Lehre funktionieren. 

Jenseits der zentralen Frage von Quantität und Qualität der Studienplätze möchte ich noch kurz einen Punkt im Bereich Forschung ansprechen.

Um Niedersachsens Hochschulen wettbewerbsfähig zu machen, wollen Sie eine engere Kooperation der Universitäten in Braunschweig, Hannover und Clausthal unter der Dachmarke Niedersächsische Technische Hochschule NTH, in Anspielung auf die Schweizer ETH, etablieren. Ein ehrgeiziges Ziel, aber zum Scheitern verurteilt, wenn Sie so weiter machen wie bisher. Ich spiele auf die Gründung des Energieforschungszentrums an. Die Gründung dieses Forschungszentrums könnte ein erster wichtiger Baustein zur Zusammenarbeit und damit zur Profilstärkung der NTH werden. Aber mit der Ansiedlung dieses Instituts ausgerechnet in Goslar, verspielen Sie diese Chance gründlich. Ich gönne der schönen Stadt Goslar jede Form von Strukturhilfe, aber bitte nicht aus Hochschulmitteln. Das hat mit der von Ihnen ansonsten so gepriesenen Devise Stärken stärken rein gar nichts zu tun und führt in Punkto internationaler Wettbewerbsfähigkeit der Technischen Hochschulen schlicht in eine Sackgasse. Die Mittel für Forschung können an einem etablierteren Standort wesentlich sinnvoller eingesetzt werden.

Unterm Strich muss festgehalten werden, dass Sie, werte Kollegen von CDU und FDP mit dem Haushalt 2007 eine Politik fortsetzen, die die Bedeutung Niedersachsens als Hochschulstandort weiter schmälern wird. Wider besseres Wissen  verspielen Sie Niedersachsens Chancen im demographischen Wandel. Sie lassen die Hochschulen weiterhin im Regen stehen und bleiben Antworten auf die zentralen Fragen schuldig.
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