Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Zusätzliche Studienplätze schaffen, Bildungsfonds auflegen - Mehr Studienplätze mit Qualität!

 

Anrede,

die niedersächsische Hochschulpolitik befindet sich mehr und mehr in einer fatalen Schieflage.

Während die Zahl junger Menschen, die auf eine Hochschule gehen könnten stark ansteigt, wird in Niedersachsen die Zahl der Studienplätze stetig abgebaut.

Laut KMK-Prognose wird die Zahl der Studienanfänger in Niedersachsen, von derzeit 25.400 auf 35.000 im Jahr 2010, bzw. auf 40.000 in den Jahren 2011/2012 ansteigen und wird sich danach auf knapp 34.000 Studienanfänger einpendeln. Dies ist ausdrücklich eine konservative Schätzung, die weder eine allseits geforderte Steigerung der Überleitquote von deutlich über 80%, noch eine höhere Quote an Hochschulzugangsberechtigten pro Altersjahrgang noch eine Änderung der Wanderungssalden mit einkalkuliert. Im Vergleich dazu die Ist Zahlen: Wir haben zur Zeit 29.700 Studienanfängerplätze, mit abnehmender Tendenz, unter anderem bedingt durch höhere Betreuungsrelationen bei der Umstellung auf Bachelor und Master)

Das heißt: obwohl wir in Zukunft mehr Hochschulabsolventen brauchen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, vergibt diese Landesregierung die Chance, durch den zeitnahen Ausbau von Studienplätzen mehr hochqualifizierte junge Menschen an Niedersachsen zu binden.

Obwohl der Wissenschaftsrat nachdrücklich darauf verweist, dass die Zahl der steigenden Studienberechtigten nur dann zur Chance wird, wenn der Ausbau des Hochschulsystems kurzfristig in Angriff genommen wird und langfristig angelegt ist, läßt weder der Zukunftsvertrag mit einer Laufzeit bis 2010 noch der Haushalt 2007 Kapazitätsausbau erkennen. Herr Minister Stratmann, diesen erst im Rahmen der Verhandlungen über eine Verlängerung des Zukunftsvertrags zu diskutieren, wie Ihr Haus in der Enquet-Kommission Demographischer Wandel berichtete, wäre nach Meinung aller Experten definitiv zu spät. Denn schon jetzt haben wir eine Unterversorgung mit Studienplätzen die weiter ansteigt. Der von Ihnen an dieser Stelle immer wieder gerne angeführte Hochschulpakt, der mit Bundesmitteln die Spitzenlast bedingt durch doppelte Abiturjahrgänge abfedern soll, wird das Problem alleine nicht lösen können und entbindet Sie nicht von der landespolitischen Verantwortung, auch mit eigenen Mittel in Richtung Kapazitätsausbau umzusteuern.

Wenn man sich vor Augen führt, dass diese Landesregierung mit dafür gesorgt hat, dass Hochschulpolitik zur ausschließlichen Ländersache geworden ist, und es diese Landesregierung war, die mit ihrer Schulpolitik die Spitzenlast bedingt durch den doppelten Abiturjahrgang erst ausgelöst hat, dann wird deutlich, dass es so etwas wie ein bildungspolitisches Gesamtkonzept bei Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP offensichtlich nicht gibt, oder wenn es doch eins geben sollte, dieses dem Prinzip der paradoxen Intervention zu folgen scheint.

Es wird niemand bestreiten, dass der kurzfristig zu bewältigende Kapazitätsausbau in der Spitzenlast 2011/2012 ohne Bundesmittel nicht machbar ist. Da aber da der Hochschulpakt nur mit Zustimmung aller 16 Bundesländer beschlossen werden kann, wird er keinen Ausgleich für Wettbewerbsnachteile bieten. Ohne landeseigene Anstrengungen wird das Süd-Nord-Gefälle im Hochschulbereich weiter zunehmen. Unser negativer Wanderungssaldo – schon heute sind wir mit über 25.000 Studierenden Exportmeister - wird weiter steigen – mit fatalen Folgen für unsere Wirtschaft.

Kurzfristig mag es sinnvoll sein, im Rahmen des Hochschulpakts zur Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs freie Studienplätze in den neuen Bundesländern zu nutzen. Langfristig, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, führt dieser Weg in eine Falle. Am Vorteilsausgleich wird nach Meinung aller Experten, vom CHE bis zum Wissenschaftsrat kein Weg vorbei führen. Kommt er, dann würde Niedersachsen für den Nettoexport von Studierenden an andere Bundesländer zahlen müssen. Das heißt, wir müssten die finanziellen Lasten für Studienplätze in anderen Bundesländern übernehmen, aber den volkswirtschaftlichen Nutzen, würden andere abschöpfen. Selbst im Rahmen des Hochschulpakts, so war gestern der Presse zu entnehmen, ist nicht damit zu rechnen, dass der Bund die Kosten für die Aufrechterhaltung von Studienplatzkapazitäten in den neuen Bundesländern übernehmen wird. Laut Bundesforschungsministerin Schavan, werden die Länder für deren Erhalt aufkommen müssen.

Anrede,

aus den genannten Gründen ist es daher unumgänglich, zügig mit dem Ausbau der eigenen Studienplatzkapazitäten zu beginnen. Wir beantragen, in einem ersten Schritt zusätzlich 3.000 neue Studienanfängerplätze einzurichten, was bei einer angenommenen durchschnittlichen Verweildauer von 8 Semestern pro Studierendem nach 4 Jahren 12.000 zusätzliche Studienplätze bedeuten würde. Bei 3.000 Studienanfängerplätzen haben wir uns an dem vom MWK ermittelten mittelfristigen Mehrbedarf bis 2020 orientiert.

Auf die Frage der Spitzenlast des doppelten Abiturjahrgangs geht der Antrag bewußt nur am Rande ein, abgesehen davon, dass bereits jetzt geschaffene  neue Studienplätze natürlich auch zu einer Entschärfung ab 2011 beitragen. Darüber hinaus wollen wir die Ergebnisse des Hochschulpakts abwarten. Wir setzen voraus,  dass die Spitzenlast ohnehin mit Maßnahmen aufgefangen wird, die temporär wirken und der Normalisierung des Kapazitätsbedarfs ab 2020 angepasst werden können.

Neben dem quantitativen Ausbau der Studienplätze brauchen wir allerdings ebenso dringend eine Qualitätsoffensive in der Lehre. Denn unser Problem sind nicht nur zu wenig Studienplätze, sondern auch zu hohe Abbrecherquoten und zu lange Studierdauer.

Das Überlastproblem mit der Folge unzureichender Betreuungsrelationen hat zu Studienbedingungen geführt, an denen viele Studierende scheitern. Hinzu kommt, dass zusätzliche Lehrkapazitäten notwendig sind, um das System gestufter Studiengänge qualitätsorientiert einzuführen und so seine Ziele erst realisieren zu können. Zusätzliche Mittel müssen daher auch dazu verwandt werden, eine in den vergangenen Jahren entstandene finanzielle Unterdeckung zu kompensieren.

Neben dieser Unterdeckung an Lehrkapazitäten fehlt es aber auch an finanziellen Anreizen für Qualitätsverbesserungen in der Lehre. Die von Ihnen eingesetzten Studiengebühren, meine Damen und Herren von CDU und FDP werden an dieser Situation nichts ändern. Ein Anreizsystem zur Schaffung besserer Lehr- und Lernbedingungen wären Studiengebühren nur dann, wenn es einen echten Wettbewerb um Studierende gäbe. Dieser Wettbewerb würde aber voraussetzen, dass das Angebot an Studienplätzen höher ist als die Zahl der Nachfrager. Genau das Gegenteil ist gegenwärtig der Fall: Bereits heute sind 58% aller Studienplätze an Universitäten und 89 % aller Fachhochschulplätze mit einem NC belegt. Solange also keine wirklichen Wettbewerbsbedingungen herrschen, macht es Sinn, eine Art Drittmitteltopf für bessere Lehre zu installieren. Und genau hier setzt unser Fondsmodell an.

In den Fonds sollen alle zukünftigen Erlöse aus Veräußerungen von Landesvermögen fließen. Ausgeschüttet werden lediglich die Zinserträge. Aus den Mitteln des Fonds können Personal- und Sachmittel finanziert werden. Anträge sollen ähnlich wie bei der DFG auf der Grundlage unabhängiger Fachbegutachtungen beschieden werden. Finanziert werden könnten zum Beispiel hochschulübergreifende Kooperationen, Kooperationen mit außeruniversitären Einrichtungen, der Einsatz neuer Lernmethoden bis hin zur Reform ganzer Studiengänge.

Um zielgerichtet am Bedarf der Hochschulen ansetzen zu können, sollen die Hochschulen über die Landeshochschulrektorenkonferenz an der Ausgestaltung des Fonds beteiligt werden.

Anrede,

da Bildung auch in Zukunft die zentrale Ressource unserer Volkswirtschaft sein wird, ist es auch im Sinne einer nachhaltigen Sanierung des Haushaltes sinnvoll, Veräußerungsgewinne nicht zu verzehren, sondern sie langfristig in einem Fonds anzulegen, dessen Zinserträge in Bildung fließen.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP,

wir fordern Sie mit diesem Antrag auf, sich endlich Ihrer hochschulpolitischen Verantwortung zu stellen. Wenn Sie Ihren Hochschulsparkurs nicht umgehend verlassen, werden die volkswirtschaftlichen Schäden nicht mehr korrigierbar sein. Folgen Sie unserer Idee einer nachhaltigen Bildungsfinanzierung und schaffen Sie Platz für mehr kluge Köpfe in Niedersachsen.

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