Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Praxisnahe und schulformbezogene Lehramtsausbildung

...

Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen,
wir beraten das Thema Lehramtsausbildung bereits seit Monaten im Ausschuss. Welchen neuen Beitrag Sie dazu mit dem vorliegenden Antrag leisten wollen, kann ich allerdings nicht erkennen. Sie befürworten die bundesweite Anerkennung, einen stärkeren Praxisbezug oder die Erhöhung des Anteils der Berufswissenschaften. Da hätten Sie sich auch einfach unserem Antrag anschließen können. Und bei den wirklich spannenden Fragen, und damit meine ich konkret die Frage nach der Polyvalenz des Bachelors, bleiben Sie hinter allen Entwicklungen zurück.
Anrede,
Sie denken Polyvalenz anscheinend nur als Einbahnstraßenmodell. Wer im – bereits Schulform bezogenen – Bachelor als Lehrer scheitert, darf mit dem Abschluss auch einen anderen Beruf ergreifen, das wollen Sie gestatten. Ein Schulform übergreifender Bachelor, oder gar ein Quereinstieg in die Lehramtsausbildung erst ab dem Master, kommt jedoch in Ihrem Antrag nicht vor. Diese Festlegung aber, meine Damen und Herren von CDU und FDP, hat zwei ganz entscheidende Nachteile:
Erstens fallen Sie damit hinter das zurück, was an Niedersachsens Hochschulen geplant und zum Teil auch bereits umgesetzt ist. Das Verbundvorhaben Bachelor-Master in der Lehramtsausbildung sieht einen polyvalenten Bachelor vor und nimmt die endgültige Schulformdifferenzierung erst ab dem Master vor. Auch in allen Vereinbarungen über die Umstellung von Staatsexamensstudiengängen auf Bachelor-/Masterstrukturen im Lehramt, geschlossen zwischen dem MWK und den betreffenden Hochschulen ist ausdrücklich von einem "polyvalenten Bachelor" und einem "lehramtsspezifischen Master" die Rede. Ich empfehle Ihnen beides als Lektüre.

Anrede,
diese späte Schulformdifferenzierung ist sinnvoll, denn sie orientiert sich am neuen Leitbild des Lehrerberufs, das Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, anscheinend noch nicht so gegenwärtig ist. Denn wenn die Kernkompetenz des Lehrers die Fähigkeit zu gezielter Planung, Organisation und Reflexion von Lehr-Lern-Prozessen sein soll, wenn angesichts der Forderung nach autonomen Schulen Strategieplanung und Qualitätsmanagement zum Qualifikationsprofil einer Lehrkraft gehören sollen, dann macht es Sinn, diese Kenntnisse Schulform übergreifend zu vermitteln.
Zweitens verspielen Sie mit der Ausklammerung der Polyvalenz ein ganz entscheidendes Reformelement. Bei Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP verkommt der Bachelor zu einem Durchgangsabschluss zum Master.
Damit klammern Sie in Ihrem Antrag bewusst einen ganz entscheidenden Aspekt aus: die Durchlässigkeit. Gerade die breite Verwendung des Bachelor-Abschlusses, die von der Möglichkeit zum sofortigen Einstieg in den Arbeitsmarkt über die Aufnahme eines schulartspezifischen Lehrer-Master-Studiengangs bis zur Aufnahme eines entweder anwendungs- oder forschungsorientierten fachwissenschaftlichen Masters reicht, macht aber die Attraktivität der neuen Strukturen aus. Und gerade diese hohe Flexibilität in Kombination mit einem hohen Anteil von Praxisblöcken bereits im Bachelor schafft erst die Voraussetzung dafür, dass Studierende relativ risikolos ihre Eignung für den Lehrerberuf jederzeit überprüfen können.
Anrede,
deshalb empfiehlt die OECD in ihrem Länderbericht Deutschland ausdrücklich die Aufhebung der Fragmentierung in der Lehrerbildung. Sie verweist darauf, dass im Hinblick auf die Verwirklichung der Bologna-Grundsätze der Zugang zum Lehramtsstudium flexibler gestaltet werden sollte, denn wenn Lehrkräfte durch ihre Ausbildung breiter einsetzbar wären, würde auch das Schulsystem in seiner Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Gegebenheiten flexibler.
Anrede,
ich hoffe deshalb, dass es uns in den Ausschussberatungen doch noch gelingt, Ihnen ein klares Bekenntnis zum polyvalenten, Schulform übergreifenden Bachelor abzuringen.

Zurück zum Pressearchiv