Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Niedersachsen gibt den Ton an. Wir machen die Musik!

Landtagssitzung am 20.06.2012

Gabriele Heinen-Kljajic, MdL

Anrede,

das Projekt "wir machen die Musik" ist zweifelsohne eine sinnvolle Initiative und die bisherige Bilanz kann sich sehen lassen. Es war aber auch höchste Zeit, in der Musikschulpolitik die Kehrtwende einzuläuten. Denn die Gesamtbilanz des schwarz-gelben Engagements in Sachen Musik, sieht alles andere als rosig aus.

Sie haben in 2004 den ohnehin geringen Landesanteil an der Musikschulförderung von 2 Prozent noch mal radikal um 25 Prozent gekürzt. Mit dann nur noch 1,5 Prozent Landesförderung hatte Niedersachsen bundesweit die rote Laterne. Durch die Projektmittel "Wir machen die Musik" ist der Anteil zwar wieder auf 1,8 Prozent gestiegen, aber im Bundesvergleich liegen wir damit immer noch abgeschlagen auf einem der letzten Plätze.

Diese Zahlen machen sich natürlich auch in der Flächenversorgung bemerkbar. Als vor sechs Jahren das erste Jugendkulturbarometer herauskam, war die Bilanz für Niedersachsen äußerst unerfreulich. Junge Niedersachsen haben weit aus weniger Kontakt zu kulturellen Angeboten, als Jugendliche anderer Länder. Das wird im Bericht ausdrücklich auch für Musikschulen festgestellt. Begründet wird das Defizit mit fehlenden Angeboten in der Fläche. Der Handlungsdruck ist also auf Seiten des Landes enorm hoch.

Die Musikschulen haben – jenseits der Finanzierung – das Problem, dass ihnen die Schüler laufen gehen. Dank Ganztagsschulen und steigendem Leistungsdruck, haben immer weniger Schüler Zeit und Muße, eine Musikschule zu besuchen. Der Landesverband der Musikschulen hat daraus die richtige Konsequenz gezogen. Wenn die Jugendlichen nicht zur Musikschule kommen, kommt die Musikschule eben zu den Jugendlichen. Deshalb der Vorschlag ans Land, eine Kooperation mit Schulen und Kitas zu fördern. Der dritte im Bunde, die Kommunen als Träger der Musikschulen, wurde vom Land ungefragt mit in die Verantwortung genommen.

Die 50 prozentige Kofinanzierung der Personalkosten und die alleinige Finanzierung der Sachmittel sind angesichts der angespannten Haushaltslage der Kommunen kein Pappenstil.

Obwohl inzwischen die Nachfrage nach Programmförderung höher ist als das Angebot  - das Geld also schon nicht mehr für alle interessierten Musikschulen reicht – beklagen die kommunalen Spitzenverbände, dass sich manche Kommunen die Teilnahme am Programm nicht leisten können. Im Ergebnis kritisieren die Verbände zu Recht eine ungleiche Verteilung des frühmusikalischen Bildungsangebotes im Land. Das ist eine klare Schwachstelle des Programms, die sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird.

Ungeklärt ist auch die Frage, wie die Kontinuität des Angebots sichergestellt werden soll. Bisher bleibt es den Musikschulen überlassen, ob nach Ablauf eines Jahres für die Schulklassen oder Kita-Jahrgänge Schluss ist, oder ob das Programm fortgesetzt wird. Auch die Qualität der Angebote wird bisher nicht überprüft. Die Flexibilität des Programms ist einerseits seine Stärke, andererseits ist es nach drei Jahren an der Zeit, die Förderrichtlinien zu konkretisieren.

Außerdem kann dieses Programm nicht den Schulunterricht ersetzen. Einen gerechten Zugang zu kultureller Bildung kann es nur über den Schulunterricht geben. Und hier sieht ihre Bilanz mager aus, werte Kollegen von CDU und FDP. Schon heute ist Musik ein Mangelfach. Bis 2017 fehlen an niedersächsischen Schulen 658 Musiklehrer. Das Problem ist seit langem bekannt, aber passiert ist bisher wenig.

Im Oktober 2009 haben wir hier im Parlament beschlossen, Einfachlehrer und Kleine Fakultas für das Lehramt Musik zu prüfen. Aber erst zum kommenden Wintersemester wird der erste Studiengang mit der kleinen Fakultas an der Uni Hannover und der Musikhochschule starten. Das sind drei verschenkte Jahre zur Behebung des Musiklehrermangels.

Erst vor zwei Jahren haben Sie an Haupt- und Realschulen die Unterrichtsstunden in musischen Fächern gekürzt. Was Sie mit dem Programm "Wir machen die Musik" aufbauen, reißen Sie an den Schulen wieder ein. Das Musikland Niedersachsen ist ein Versprechen, das Sie an den Schulen nicht einlösen; dabei ist und bleibt die Schule der einzige Ort, über den die Angebote bei wirklich allen Kindern ankommen.

Deshalb, werte Kollegen von CDU und FDP, besteht kein Grund zum Jubeln. Im Ländervergleich haben wir noch jede Menge aufzuholen. Den Ton geben andere an, nicht Niedersachsen.

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