Rede Gabriele Heinen-Kljajic: „Musikland Niedersachsen“ – leere Worthülsen des Ministerpräsidenten

Anrede,

der vorliegende Antrag bemängelt, dass CDU und FDP bisher kein Konzept zu ihrer Initiative "Musikland Niedersachsen" vorgelegt haben. Dass es kein Konzept für die Initiative "Musikland Niedersachsen" gibt, ist glaube ich für die, die selbst als Laien Musik machen oder die, die versuchen, sie anderen zu vermitteln, das geringere Problem. Was wirklich ein Problem ist, ist das Zurückfahren der Mittel.

Wenn Sie die Zuschüsse für Laienmusik und Musikschulen um 25% kürzen, dann haben Sie genau an der Stelle Mittel gekürzt, wo es zum einen um ein hohes Maß an ehrenamtlichem Engagement geht und wo es zum anderen darum geht, möglichst vielen Menschen den Zugang zu Musik zu ermöglichen.

Dass wir hier einen enormen Nachholbedarf haben, zeigt nicht zuletzt das erste Jugendkulturbarometer, das für Niedersachsen eine Unterversorgung mit Musikschulen in der Fläche anzeigt.

Anrede,

in hunderten von Orchestern und Chören engagieren sich niedersächsische Bürgerinnen und Bürger für ein musikalisches Angebot und musikalische Betätigung vor Ort und gewährleisten damit Teilhabe an Musik. Genau diese breite Teilhabe – aller sozialen Schichten, aller Altergruppen und aller ethnischen Zugehörigkeiten - ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass der Markenname "Musikland Niedersachsen" mit Leben gefüllt wird.

Kulturelle Events wie Festivals sind schön und wichtig, haben aber nur dann Erfolg, wenn viele Menschen teilnehmen und das setzt einen Zugang zur Musik voraus.

Es gibt nach wie vor ein riesengroßes brachliegendes Potenzial an Menschen, häufig aus bildungsfernen Schichten, denen dieser Zugang bisher versperrt ist. Auch hier sind die Ergebnisse des Jugendkulturbarometers alarmierend. Im Bundesdurchschnitt liegt Niedersachsen bei der kulturellen Betätigung von Jugendlichen weit hinten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die jüngste Umfrage des 8. Kulturbarometers, das Erwachsene befragt hat. Es zeigt auf, dass selbst die Menschen, die von sich selbst behaupten, dass sie keine kulturellen Angebote in Anspruch nehmen, bzw. aufgrund ihrer persönlichen finanziellen Situation nicht in Anspruch nehmen können, staatliche Förderung von Kultur und Kulturvermittlung für wichtig halten. 60% aller Eltern, die sich kaum für Kultur interessieren und immerhin noch 31% der Eltern, die sich gar nicht für Kultur interessieren halten es für wichtig, dass ihre Kinder einen Zugang zu Kultur bekommen. Eine Untersuchung der Uni Hildesheim hat ergeben, dass 80% der Nicht-Kultur-Nutzer Kultur für gesellschaftlich wichtig halten. In diesen Zahlen steckt auch für den Bereich Musik eine gewaltige Herausforderung.

Anrede,

es geht um effizienten Mitteleinsatz, damit ein staatlich vorgehaltenes Kulturangebot möglichst viele Nutzer erreicht. Es geht um Kulturwirtschaft, denn Musik ist eine Branche mit hohen Umsatz- und Beschäftigungszahlen. Und es geht um Standortvorteile, weil ein breites kulturelles Angebot die Attraktivität einer Region als Wohn- und Arbeitsort steigert.

Aber primär, meine Damen und Herren, geht es um Chancengleichheit und damit aufgrund der demographischen Entwicklung nicht zuletzt auch um die Zukunftsfähigkeit unserer Wissensgesellschaft. Denn Musik ist nicht nur Unterhaltung oder stärkt kulturelle Identität. Musikalische Erziehung hat enorme Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten eines Kindes. Musizieren hat einen hohen Stellenwert in der Persönlichkeitsbildung und in der Herausbildung von Schlüsselqualifikationen.

Daher sollte die Parole "Musikland Niedersachsen" auch eine bildungspolitische Herausforderung sein. Projekte wie "Hauptsache: Musik" oder die hoffentlich demnächst eingerichtete Landesmusikakademie sind zweifelsohne Schritte in die richtige Richtung. Aber wenn Niedersachsen wirklich zum Musikland werden soll, dann sollten Sie den handelnden ehrenamtlichen wie professionellen Akteuren, die nach Kräften versuchen dem beschriebenen Bildungsauftrag gerecht zu werden, nicht immer weiter den Geldhahn zudrehen.
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