Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Ministerpräsident Christian Wulff soll sein Wort halten ? für ein gebührenfreies Erststudium in Niedersachsen

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Anrede,
die Pläne dieser Landesregierung zur Einführung von Studiengebühren werden bereits vor deren Umsetzung mehr und mehr zum Desaster.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP,
Sie sind wie alle CDU geführten Bundesländer nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Siegestaumel vorschnell damit vorgeprescht, schon zum Wintersemester 2006 Studiengebühren einzuführen und haben jetzt das Problem, dass Sie, - um Akzeptanz für Ihr Gebührenmodell werbend - Zusagen gemacht haben, die Sie gar nicht halten können.
Erstens gelingt es Herrn Minister Stratmann nicht, das vollmundige Versprechen einzuhalten, wonach Studiengebühren nur dann eingeführt werden, wenn sicher gestellt ist, dass das Geld auch wirklich den Hochschulen zufließt.
Anrede,
Inzwischen liegt ein Entwurf des Zukunftsvertrags vor, auf den die Hochschulen seit 2003 warten und der sie vor weiteren Kürzungen bewahren soll. Aber von Entwarnung keine Spur. Im Gegenteil: die Hochschulen sollen sich darauf verpflichten, jährliche Tarifsteigerungen bis zu 1% selbst aufzufangen. Das aber bedeutet nichts anderes, als dass innerhalb von 5 Jahren faktische Kürzungen in der Größenordnung des HOK hingenommen werden müssten.
Herr Minister Stratmann, mit dem vorliegenden Vertragsentwurf liefern Sie selbst die Bestätigung dafür, dass die Einnahmen durch Studiengebühren natürlich nicht bei den Hochschulen bleiben, sondern hinterrücks über den Finanzminister wieder einkassiert werden. Kein Wunder, dass die Hochschulen gesagt haben, auf dieser Grundlage unterschreiben wir den Zukunftsvertrag nicht.
Das zweite Versprechen, das Sie, Herr Minister Stratmann, bisher nicht haben einlösen können, ist die sozialverträgliche Ausgestaltung der Studiengebühren. Jüngstes Zeugnis dieser Misere: das Hin und Her des MWKs in Sachen Bafög.
Zuerst signalisiert man im Ministerium Zustimmung für die Vorschläge der baden-württembergischen Kultusministerin Schavan, das Bafög durch einen attraktiven Markt der Bildungsfinanzierung zu ersetzen und forderte sogar die Abschaffung des Bafög. Einen Tag später erklärt Minister Stratmann, die Abschaffung des Bafög sei "kein Thema", ein Dementi, dem aber niemand mehr glaubt.
Denn tatsächlich weist der Eiertanz des Ministeriums nur darauf hin, dass sich kreditfinanzierte Studiengebühren, wenn sie sozialverträglich gestaltet werden sollen, als ein Problem darstellen. Den Banken ist die Kreditsumme aus den Studiengebühren zu klein, für sie wäre ein Einbeziehen von Unterhaltsleistungen wesentlich lukrativer. Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat bisher nur ein Kreditmodell zur Absicherung der Lebenshaltungskosten vorgestellt. Darum wird kurzerhand das Bafög zur Disposition gestellt.
Ihre Gebührenphantasien, meine Damen und Herren von CDU und FDP, drohen an den harten Realitäten zu scheitern. Bei der Einführung von Studiengebühren ab dem ersten Semester wird die soziale Abfederung einfach zu teuer. Die jetzt im Raum stehenden Überlegungen zur Abschaffung des Bafög zeigen, dass Ihre Pläne nur auf Kosten derjenigen zu realisieren sind, die im deutschen Bildungssystem ohnehin benachteiligt werden: Kinder aus einkommensschwachen Familien. Dem verweigern wir unsere Zustimmung.

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