Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Haushalt 2006 ? Wissenschaft und Kultur

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Anrede,
die diesjährigen Haushaltsberatungen im Bereich Wissenschaft und Kultur wurden von den Themen Zukunftsvertrag und Studiengebühren beherrscht. Doch was Minister Stratmanns Meisterstück in der laufenden Legislaturperiode werden sollte, endete als Musterbeispiel für politischen Wortbruch und Flickschusterei.
Herr Minister Stratmann, noch vor Jahresfrist sind Sie wie ein Ehrenmann durchs Land gezogen. Sie versprachen, mit Ihnen werde es Studiengebühren nur geben, wenn sie sozialverträglich gestaltet und zu 100% bei den Hochschulen verbleiben würden. Mittlerweile sind Sie als von Hochschulen wie Studierenden gleichermaßen gescholtener Bauernfänger geendet, dem selbst der Landesrechnungshof, seit Jahren ausgewiesener Befürworter von Studiengebühren, schlechte Noten gibt.
Sie behaupten, der Zukunftsvertrag garantiere den Hochschulen fünf Jahre lang Mittel in der Höhe des Ansatzes von 2005 und bewahre sie vor weiteren Kürzungen. Aber alleine die Verpflichtung, eigene Berufungspools einzurichten, beziffert die Landeshochschulkonferenz mit 25 Millionen Euro Mindereinnahmen. Hinzu kommen Tarifanpassungen und globale Minderausgaben. In manchem Wirtschaftsplan steht es schwarz auf weiß: der Zukunftsvertrag bedeutet für die Hochschulen Kürzungen im gleichen Umfang wie das HOK. Das nenne ich einen Wortbruch.
Sie haben stets behauptet, sie wollen den Hochschulen eine Option auf Gebühren eröffnen, ihnen aber die Einführung und Höhe freistellen. Davon kann keine Rede mehr sein. Sie setzen die Gebühren verpflichtend und Sie bestimmen den Einheitstarif von 500 Euro. Auch das nenne ich einen Wortbruch! Und wenn Sie nun mit rechtlichen Sicherheitsbedenken kommen, kann ich nur entgegnen: Solche Pannen passieren eben, wenn man erst mal verkündet, dann erst überprüft und schließlich zurückrudern muss, das zeugt nicht gerade von Professionalität.
Aber als eigentlichen Affront betrachten Hochschulleitungen wie Studierende die Verpflichtung, dass aus dem Gebührenaufkommen ein Ausfallfonds gespeist werden soll. Sie sprechen von 6%, die anderen Länder rechnen schon jetzt mit 20% und der Landesrechnungshof verweist auf das Beispiel England, wo die Kosten für Zinsverbilligung und Ausfallrisiken bei 50% liegen. Wie auch immer, alle Rechnungen belegen dasselbe: Die Studiengebühren werden nicht ungeschmälert und zweckgebunden für die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen zur Verfügung stehen und auch das ist ein glatter Wortbruch!
Anrede,
faktisch bedeutet der Ausfallfonds aber auch, dass sich das Land der auferlegten Pflicht entzieht, Studiengebühren sozialverträglich zu gestalten. Die Studierenden selbst zahlen für billige Zinsen und mögliche Rückzahlungsausfälle, nicht das Land. Freistellungstatbestände belasten die aufnehmenden Hochschulen, ebenso wie die Auflage von Stipendien. Außerdem, werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP müssen Sie mir mal erklären, was sozialverträglich daran sein soll, wenn man Studierende, die aufgrund eines einkommensschwachen Elternhauses durch BAföG staatlich bezuschusst werden müssen um überhaupt studieren zu können, nun auf Landesebene Studiengebühren in voller Höhe zahlen lässt.
Anrede, Herr Minister,
Sie genieren sich nicht einmal, dem Finanzminister einen zusätzlichen Schluck aus der Pulle zu geben, indem sie ihm durch die Beibehaltung der Langzeitstudiengebühren den direkten Zugriff auf die Studiengebühren offen halten. Das trauen sich nicht mal die selbst die auch nicht gerade zimperlichen Amtskollegen in Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen.
Aber, meine Damen und Herren, ich bin noch nicht am Ende der Liste der Wortbrüche.
Sie behaupten wider besseres Wissen mit den Einnahmen solle insbesondere das Betreuungsverhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden verbessert werden. Einmal davon abgesehen, dass Sie weder eine Berichtspflicht über die Verwendung der Gebühreneinnahmen noch einen Sanktionskatalog bei Nicht-Einhaltung vorgesehen haben: Diese Vorgabe ist schlicht nicht zu erfüllen.
Herr Minister Stratmann,
Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Verbesserung des Betreuungsverhältnisses über die Einnahmen aus Studiengebühren wegen des geltenden Rechts unmöglich ist. Die Kapazitätsverordnung schreibt zwingend die erschöpfende Nutzung vorhandener Ausbildungskapazitäten vor und unterscheidet dabei nicht zwischen Landesmitteln und Gebührenmitteln. Ihre Ansage im Oktober-Plenum, man könne das Problem gesetzlich beheben, ist blanker Unfug.
Anrede,
aber was heißt das für die Studierenden und die Hochschulen? Das kann ich Ihnen sagen: Werden nur Angebote jenseits des Pflichtlehrangebots gemacht, so wie es im Rahmen der KapVO erlaubt ist, können die Studierenden keine Verbesserung ihrer Studienbedingungen erwarten, denn was nutzt der zusätzliche EDV-Kurs, wenn das Pflichtseminar weiterhin heillos überfüllt ist? Oder aber die Hochschulen stellen mehr Personal für das Pflichtcurriculum ein: Ergebnis dessen wird eine Klageflut sein, mit denen studierwillige, aber abgewiesene Hochschulzugangsberechtigte die Hochschulen überziehen, um einen Studienplatz einzuklagen. Beide Varianten lehnen wir ab, denn beide sind bildungspolitischer Unsinn.
Anrede,
sehr wahrscheinlich ist darüber hinaus die folgende Entwicklung: Die Situation an den Hochschulen wird sich weiter verschlechtern. In 6 Jahren wird es in Niedersachsen mehr als doppelt so viele Hochschulzugangsberechtigte geben als heute. Ministerpräsident Wulff fordert derweil in Sonntagsreden eine Steigerung der Abiturientenquote von 26 auf 40 Prozent, klammert aber geflissentlich die Frage aus, wo denn all diese Menschen nach dem Abitur weiter ausgebildet werden sollen. Dieses Problem nimmt die Landesregierung lieber gar nicht zur Kenntnis, und darum findet es auch keinen Niederschlag im Zukunftsvertrag. Denn dass impliziert der Zukunftsvertrag eben auch: Die Hochschulen müssen trotz üppig steigender Studierendenzahlen mit einer – zumindest nach Ihrer Behauptung - im besten Falle gleich bleibenden Summe Geldes auskommen. Das ist für mich eine weitere verkappte Kürzung im Bildungsbereich und damit ein weiterer Wortbruch.
Werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP,
Sie verfahren aber nicht nur auf Landesebene nach dem Prinzip "nach uns die Sintflut". Mit Ihrer und der SPD Zustimmung zur Föderalismusreform, die dem Bund sämtliche hochschulpolitischen Kompetenzen entzieht, versperren Sie den Weg für ein Sonderprogramm des Bundes. Dies ist aber die einzige Möglichkeit, um den Studierwilligen eine gute Ausbildung bieten zu können.
Anrede,
wir Grünen fordern, das Föderalismusreform-Paket in Sachen Hochschule noch einmal aufzuschnüren. Wenn Sie unserem Antrag nicht folgen, dann werden Sie sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass Sie auf Kosten zukünftiger Studierender dringend notwendige Bundesmittel ausgeschlagen haben, weil Ihnen die Profilierung im Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern wichtiger war als sachorientierte Lösungen. Sie spotten damit Ihren sämtlichen Schwüren über die Relevanz der Bildungspolitik. Über Politikverdrossenheit braucht man sich dann aber nicht mehr zu wundern.
Anrede,
aber auch in anderen Fällen belässt es die Landesregierung bei Sonntagsreden. Ich spreche von der Elementarpädagogik. Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, bekannten sich erst während des letzten Plenums zur Notwendigkeit, die Elementarpädagogik als Studienfach an unseren Hochschulen auszubauen. Ich aber kann nur feststellen, dass die Kluft zwischen propagierter Meinung und tatsächlichem Handeln riesig ist. Neben Emden bietet nur die evangelische Fachhochschule in Hannover ein Studienangebot Elementarpädagogik an. Dieser nachgefragte Studiengang muss nun aber allen Ernstes nach 12 Monaten wieder eingestellt werden, weil sich das Land nicht in der Lage sieht, eine Professur mit 70.000 Euro jährlich zu finanzieren. Das ist ein bildungspolitisches Armutszeugnis, das Sie sich nicht ohne Not selbst ausstellen sollten. Ich fordere Sie deshalb auf, unserem Antrag doch noch zuzustimmen.
Anrede,
zum Schluss auch noch einige Sätze zum Bereich Kultur. Es gibt hier keine gravierenden Kürzungen, aber Sie haben massive Eingriffe in die Struktur vorgenommen, die unter dem Aspekt des effektiven Mitteleinsatzes nichtsdestotrotz haushaltsrelevant sind.
Meine Damen und Herren von den Mehrheitsfraktionen,
ich halte daran fest, dass entgegen Ihrer Ansage, Bürokratie abzubauen und damit möglichst viele Mittel für die Projektförderung freizusetzen, noch nie so viel Geld in die Kulturverwaltung geflossen ist wie heute.
Vierzehn eigenständige Verwaltungseinheiten, ich spreche von den Landschaften, verwalten nur eine Million Euro Fördermittel. Zwölf dieser Landschaften erhalten dafür vom Land je 49.000 Euro Verwaltungskostenzuschuss. Dass heißt knapp 600.000 Euro Verwaltungskosten stehen einer Million Euro zu vergebender Fördergelder gegenüber. Gleichzeitig wurde der Beleihungsvertrag mit der LAG Soziokultur aufgekündigt, obwohl diese mit unschlagbar günstigen 9% Verwaltungskostenanteil bei der Mittelvergabe das Vorzeigemodell in Sachen Entstaatlichung von Dienstleistungen war. Ich finde es nach wie vor skandalös, wie Sie aus rein ideologischen Erwägungen heraus der freien Kultur in Niedersachsen einen solchen Bärendienst erweisen konnten und deswegen dauerhaft unnötig Geld verbrennen wollen.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP,
Wissenschaft und Kultur sind als zentrale Segmente der Bildungspolitik wichtige Stellschrauben unserer Zukunftsfähigkeit. Es reicht deshalb nicht, sich die eigene Politik schön zu reden, seien es durch Euphemismen wie "Hochschuloptimierungskonzept" oder "Studienbeiträge" oder sei es durch die autosuggestive Beschwörung, Ihr Studiengebührenmodell sei zum Wohle der Studierenden erdacht. Sie wollen auch 2006 fortgesetzt am Hochschulhaushalt sparen und Sie belasten die Studierende, ohne dass die davon tatsächlich profitieren können. Dieser Politik können wir unsere Zustimmung nur verweigern.

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