Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung der Niedersächsischen Technischen Hochschule (NTH)

Anrede,

das Ziel des vorliegenden Gesetzes, eine rechtliche Grundlage zur Koordination der Entwicklungsplanung im Bereich der Natur- und Ingenieurwissenschaften zwischen den Universitäten Hannover, Braunschweig und Clausthal zu schaffen, findet nach wie vor unsere Unterstützung. In der vorliegenden Form ist der jetzt eingebrachte Gesetzentwurf allerdings an zentralen Punkten überholt und bedarf einer Änderung. Dass nicht ein einziger der im Rahmen der schriftlichen Anhörung geäußerten Kritikpunkte im jetzt eingebrachten Gesetz aufgegriffen wurde, ist ein Beleg für die Politikunfähigkeit dieser Landesregierung.

Als die Idee der Niedersächsischen Technischen Hochschule (NTH) in der letzten Wahlperiode aus den Reihen der Hochschulen geboren wurde, tat Minister Stratmann das einzig richtige: Er griff die Idee auf und versprach den Universitäten in Braunschweig, Clausthal und Hannover, in enger Abstimmung mit den Präsidien einen Gesetzentwurf zu entwickeln. Und dann nahm das Malheur seinen Lauf. Was uns als Sternstunde schwarz-gelber Hochschulpolitik angekündigt wurde, ist inzwischen zum persönlichen Waterloo des Ministers geworden.

Herr Minister Stratmann, schon in der Koalitionsvereinbarung wurde deutlich, dass Ihnen als zuständigem Ressortminister nach fünf Jahren regieren die Luft ausgegangen war. Ihre Hochschulpolitik beschränkt sich längst im Wesentlichen auf die Verwaltung von Bundesprogrammen. Und wenn  Sie sich dann doch mal im Gestalten statt im Verwalten versuchen, dann legen Sie eine Pannenserie hin, die wirklich ihresgleichen sucht.

Schon bei der Präsentation Ihres neuen Konzeptes für die Landesmuseen konnte man feststellen, dass Ihre Kommunikationsstrategie komplett versagt. Weil Sie eine öffentliche Auseinandersetzung verweigerten, wurden Sie zum Getriebenen, der zwischen lokalen Befindlichkeiten zwischen Braunschweig und Hannover zerrieben wurde.

Aber aus Schaden gelernt haben Sie bei der Geschichte offensichtlich nicht. Im Gegenteil: In Sachen "Pleiten, Pech und Pannen" war der "Museumsstreit" offensichtlich noch zu toppen. Sie haben es geschafft, dass das, was mit der NTH erreicht werden sollte, nämlich das engere Zusammenrücken der Universitäten in Braunschweig, Clausthal und Hannover, vorerst ins Gegenteil verkehrt wurde.

Und statt gegenzusteuern und die an vielen Stellen geäußerte Kritik am vorgelegten Gesetzentwurf aufzugreifen, verharren Sie in Schockstarre und sehen untätig zu, wie ein zukunftsweisendes Kooperationsmodell, das den Hochschulstandort Niedersachsen nachhaltig stärken könnte, zu scheitern droht.

Seit Wochen prasselt eine Flut von Kritik zu zentralen Punkten des NTH-Gesetzes auf Sie nieder, von den leitenden Gremien der Leibniz-Universität über den Landesrechnungshof bis hin zu bundesweit namhaften Hochschulexperten, wie dem Leiter des CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) oder dem Leiter der Zentralen Evaluationsagentur ZEVA, und Sie verfahren nach dem Motto "Augen zu und durch". Sie sind auch hier wieder nicht in der Lage, eine fachlich fundierte Debatte zu führen, schlimmer noch, Sie haben in Sachen NTH jede Deutungshoheit verloren, die Debatte wird ohne Sie geführt. Wenn Sie, obwohl es ein hochschulpolitisches Thema wohl selten so häufig auf die Seite 1 der Tagespresse geschafft haben dürfte, verlauten lassen, es sei nicht üblich, auf Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen zu reagieren, dann ist das eigentlich schon eine Bankrotterklärung. Aber selbst da können Sie noch einen nachlegen und verkünden am Wochenende nach dem Motto "Haltet den Dieb": "Der Impuls zur NTH stammt nicht von mir."

Da fragt man sich, ist das jetzt der Einstieg in den Ausstieg?

Statt sich in Rückzugsgefechten zu üben, sollten Sie sich lieber an die Arbeit machen.

Vieles von dem, was als Kritik geäußert wird, hätte bei einer Überarbeitung des Gesetzentwurfes längst entschärft werden können. Ich möchte auf einige zentrale Punkte beispielhaft eingehen.

Das Rotationsprinzip  in der Frage des Sitzes der NTH, das als Kompromisslösung gedacht war, um lokale Befindlichkeiten im Zaume zu halten, ist erstens als Kompromisslösung gefloppt, nachdem Hannover diesen Kompromiss aufgekündigt hat. Zweitens wird es von niemandem für sachgerecht gehalten. Wer mit dem ehrgeizigen Ziel antritt, sich weltweit einen Namen in den oberen Wissenschafts-Ligen zu machen, sollte als Marketing-Strategie mit klügeren Hinguckern arbeiten als mit permanent wechselndem Firmensitz.

Der aus Hannover stammende Vorschlag, die Leibniz-Universität als Sitz der NTH zu installieren ist plausibel. Hannover ist der größte Hochschulstandort in Niedersachsen, wenn es nach der Zahl der Studierenden und der Zahl der Hochschulen geht, und Hannover ist als Messestandort weltweit bekannt. Aus rein fachlicher Sicht wäre es allerdings genau so plausibel, Braunschweig als Hauptsitz zu nehmen. Auch hier bestehen mit einer Vielzahl von Forschungseinrichtungen exzellente Rahmenbedingungen, die Region Braunschweig ist die Region mit der höchsten Forschungsdichte in Europa und alle Beteiligten in Braunschweig stehen hinter dem Projekt. Letztlich kann die Frage des Sitzes daher nur politisch entschieden werden und müsste mit entsprechenden Kompensationsangeboten an die beiden anderen Standorte der NTH abgefedert werden. Entscheidend ist nur, dass die NTH nicht an der Sitz-Frage scheitern darf. Aber genau das werden Sie zu verantworten haben, Herr Minister Stratmann, wenn Sie sich nicht endlich bewegen.

Außerdem werden wir in der anstehenden Beratung im Ausschuss zu klären haben, welche rechtlichen Voraussetzungen die NTH erfüllen muss, um überhaupt antragsberechtigt zu sein.

Die hier geäußerten Bedenken sind ernst zu nehmen. Diese Bedenken einfach zu ignorieren, ist schlichtweg grob fahrlässig, denn diese Frage ist für die Hochschulen von zentraler Bedeutung.

Zudem scheint das NTH-Gesetz an Stellen, wo die Rechte der Selbstverwaltungsorgane berührt sind, nicht immer mit dem Hochschulgesetz kompatibel. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten etwa der Senate der jeweiligen Hochschulen im Verhältnis zum Senat der NTH oder das Verhältnis der einzelnen Präsidien zum Präsidium der NTH  sind nicht immer klar. Ich will die Punkte hier gar nicht im Einzelnen aufführen, das wird Gegenstand der Ausschussberatung sein, aber hier gibt es aus grüner Sicht Änderungsbedarf.

Die Entsendung von zwei Präsidiumsmitgliedern durch das Wissenschaftsministerium und damit das direkte Einwirken des Ministeriums in das operative Geschäft der Hochschulen, halten wir ebenfalls nicht für zielführend. Das ist ein großer Rückschritt in Sachen Hochschulautonomie.

Auch die bisher angedachte Lösung, die von den Hochschulen einhellig geforderte Bauherreneigenschaft unter den Vorbehalt der Zustimmung des Finanzministers zu stellen, ist in Sachen Hochschulautonomie Ausdruck des Restaurationsgeistes, an dem schon die letzte NHG-Novelle gekrankt hat.

Bleibt noch die Frage der Finanzierung. Sich damit zu brüsten, die NTH mit jährlich 5 Mio. Euro auszustatten erscheint angesichts der jährlichen Kürzungen im Rahmen des Hochschuloptimierungkonzeptes (HOK) scheinheilig. In Summe wurden den beteiligten Hochschulen der NTH jährlich über 16 Mio. € gestrichen. Hinzukommt, dass die 5 Mio. aus einem bereits bestehenden Haushaltsansatz genommen werden, der für Kooperationsprojekte im Hochschulbereich ohnehin zur Verfügung steht. Wer angesichts der chronischen Unterfinanzierung unserer Hochschulen glaubt, mit 5 Mio. € zusätzlich in eine Liga mit der namensverwandten Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich aufsteigen zu können, der ist gründlich auf dem Holzweg.

Fazit, Herr Minister Stratmann - und diese Mahnung ist auch an die Kolleginnen von CDU und FDP gerichtet - wenn Sie über die genannten Punkte, weiter hinweggehen, nur weil Sie nicht als Verlierer dastehen wollen, dann verspielen Sie endgültig jedes Vertrauen der Hochschulen in die Politik.

Wenn dieses Gesetz nicht am Ende der Beratung von allen betroffenen Hochschulen getragen werden kann, dann wird die Idee eines neuen Kooperationsmodells zur Zwangsehe verkommen, die, wie wir gerade am Beispiel der FH Oldenburg – Ostfriesland - Wilhelmshaven erleben  müssen, zum Scheitern verurteilt ist. Deshalb fordern wir Sie auf, das NTH-Gesetz ergebnisoffen und ohne Zeitdruck mit der gebotenen Sorgfalt zu beraten.

Wenn Sie den Anhörungsentwurf unverändert mit Koalitionsmehrheit durch die Beratung peitschen lassen - und genau das ist zu befürchten, wenn sie am Inkrafttreten zum 01.01.2009 festhalten - dann wird vom NTH-Gesetz nichts anderes übrig bleiben, als eine Trümmerlandschaft. Eine wie auch immer geregelte Kooperation zwischen niedersächsischen Hochschulen wird damit auf viele Jahre ein Tabu-Thema sein. Dann werden Sie, Herr Minister Stratmann, nicht als Geburtshelfer der neuen Super-Uni, sondern als Totengräber niedersächsischer Hochschulkooperation in die Geschichte eingehen.

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