Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes

Anrede,

das Studiengebühren-Modell CDU-geführter Bundesländer scheint bereits Geschichte zu sein, bevor es sich überhaupt hat etablieren können.

In Hessen konnte mit einer rot-rot-grünen Mehrheit die völlige Abschaffung der Studiengebühren erreicht werden. In Hamburg ist unter Schwarz-Grün immerhin ein stark modifiziertes Modell eingeführt worden. Dieses Kompromissmodell schafft zwar die Studiengebühren leider nicht gänzlich ab, aber immerhin sind die Gebühren erst nach dem Studium zu zahlen, es entfällt das Kreditrisiko, die Semestergebühr ist im Vergleich zu Niedersachsen deutlich reduziert und die Einkommensgrenze, ab der gezahlt werden muss, ist wesentlich höher angelegt.

Für Niedersachsen bedeutet beides, dass die Attraktivität benachbarter Bundesländer die Abwanderungstendenz junger Abiturienten weiter steigen lassen wird.

Auch Niedersachsen wird die Studiengebühren nach "stratmannschem Modell" über kurz oder lang wieder abschaffen. Denn Sie haben ein Problem, werte Kollegen von CDU und FDP, Ihnen fehlen in dieser Sache schlicht die Bündnispartner. Die Wirtschaft, von Verbandsseite zu Beginn der Debatte um Studiengebühren durchaus noch für deren Einführung, hat sich die Protagonistenrolle nie angezogen und verhält sich verdächtig still dort, wo die Studiengebühren jetzt wieder abgeschafft werden.

Die Wirtschaft sieht Hochschulen als Fachkräfteschmiede. Sie braucht in den nächsten Jahren Akademiker-Nachwuchs in großem Stil. Da ist jede staatliche Intervention, die den Zugang zur Hochschule erschwert, nur kontraproduktiv.

Die Bildungswissenschaft haben Sie gegen sich, weil sie Ihnen immer wieder attestiert, dass beim Zugang zur Hochschule nicht die individuelle Eignung sondern der soziale Hintergrund des Elternhauses entscheidend ist. Bildungsökonomisch sind Studiengebühren für das Erststudium die Fortführung einer auf Besitzstandswahrung und Ressourcenvergeudung basierenden Fehlsteuerung, dank der wir innerhalb der OECD absolutes Schlusslicht sind.

Solange Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, ideologisch verbohrt an einem Bildungssystem festhalten, dass längst gescheitert ist, werden wir diesen entscheidenden Wettbewerbsnachteil, der unisono in allen Untersuchungen zur Wirtschaftskraft Niedersachsens moniert wird, nicht aufholen können.

Wenn bereits heute über 80Prozent aller Kinder aus einem Akademiker-Haushalt studieren, aus einem Nichtakademiker Haushalt aber nur gut 20Prozent, dann werden Sie dieses Verteilungsverhältnis mit Sicherheit nicht dadurch aufbrechen, dass jeder erst mal 1.000 € pro Jahr auf den Tisch legen muss, bevor er eine Hochschule überhaupt betreten darf. Die steigende Zahl von Studienanfängern zum letzten Wintersemester belegt nicht das Gegenteil. Denn zeitgleich ist die Zahl der Abiturienten gestiegen und Sachsen-Anhalt entließ einen doppelten Abiturjahrgang.

Aussagekräftiger sind da schon die Zahlen zur Inanspruchnahme der Studienkredite.

Nicht mal 5Prozent der Studierenden haben das Kreditangebot in Anspruch genommen, obwohl knapp ein Viertel aller Studierenden schon alleine für das Bestreiten des Lebensunterhalts BAföG erhält. Selbst der Landesregierung scheint es angesichts dieser Zahlen mulmig zu werden, wenn sie jetzt Gebührenvergünstigung für ehrenamtlich Tätige einfordert oder mehr Stipendien ankündigt, die selbstverständlich von den Studierenden und nicht vom Land finanziert werden sollen. 

Studierende werden sie damit nicht für Ihr Gebührenmodell gewinnen können, denn es gibt für sie angesichts gnadenlos unterfinanzierter Hochschulen schlicht keinen spürbaren Mehrwert. Selbst das Centrum für Hochschulentwicklung, grundsätzlich ein überzeugter Verfechter von Studiengebühren, muss eingestehen, dass Investitionen in Infrastruktur – und die machen das Gros der Gebührenverwendung aus – keine nachweisliche Verbesserung der Studienbedingungen bedeuten.

Meinen Damen und Herren von CDU und FDP,

Ihr einziger Bündnispartner in Sachen Studiengebühren ist Finanzminister Möllring, der sich logischerweise über jede Kompensation seiner eigenen Kürzungen an den Hochschulen freut. Ein Teil der Studierenden mag diese Mehrbelastung über das Elternhaus auffangen können. Auf der Strecke bleiben die, die trotz starker Verdichtung des Studiums dank Bologna, neben dem Studium jobben müssen und damit unter ungleich härteren Bedingungen studieren müssen, als ihre finanziell besser gestellten Kommilitonen. Und chancenlos bleiben die, deren Eltern jetzt erst Recht sagen werden: ein Studium ist für uns zu teuer.

Ihr Studiengebührenmodell ist die logische Fortsetzung einer Bildungspolitik, die bereits im Schulsystem die soziale Spaltung immer weiter vorantreibt. Sie sagen sich ganz einfach, warum sollen wir ein Bildungssystem ändern, bei dem wir selbst und die Gesellschaftsschicht zu der wir uns zählen, auf der Gewinnerseite stehen.

Erkennen Sie endlich, dass diese Politik nicht nur zutiefst unsozial ist, sondern langfristig zu einem volkswirtschaftlichen Kollaps aufgrund mangelnder Fachkräfte führen wird.

Ob man jetzt, wie der Antrag der Linken das tut, das Studium an den Hochschulen grundsätzlich freistellt, so etwa auch für Weiterbildungsstudiengänge, oder auch Verwaltungskostenbeiträge abschafft, das sei mal dahingestellt.

Aber die Forderung nach Abschaffung von Gebühren für das Erststudium unterstützen wir als Grüne ausdrücklich.

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