Rede G. Heinen-Kljajic: Kulturhauptstadt Europas

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Als Braunschweiger Abgeordnete bin ich in der Frage "Kulturhauptstadt" befangen.
Natürlich würde ich Braunschweig und der Region den Zuschlag gönnen, zumal die Region wirklich reich an Kulturgütern ist.
Und natürlich gönne ich der SPD-Fraktion die Freude darüber, die Regierungskoalition per Antrag auf die Einhaltung ihrer eigenen Vereinbarungen zu verpflichten – an einer Stelle, an der sich CDU und FDP offensichtlich vergaloppiert haben.
Denn es ist natürlich leichtsinnig, im Koalitionsvertrag eine Aussage über die Unterstützung einer Bewerbung zu machen, wenn noch überhaupt keine Unterlagen darüber vorliegen, wie diese Bewerbung inhaltlich und konzeptionell aussehen wird.
Erst recht rächt sich diese Vorgehensweise, wenn es im eigenen Land einen konkurrierenden Mitbewerber gibt. Man hätte bereits bei der Aufsetzung der Koalitionsvereinbarung wissen können, dass man sich mit einer Festlegung auf Braunschweig ins eigene Fleisch schneidet.
Da kann dann zwangsläufig nur der Eiertanz bei herauskommen, den die Landesregierung zur Zeit vorführt, wenn der Ministerpräsident an seiner Zusage für Braunschweig festhält, während Minister Stratmann "interne Konkurrenz" will. Da bleiben Vorwürfe wie "Wortbruch" oder "Begünstigung" dann nicht aus.
Tatsächlich aber wären alle Beteiligten gut beraten, doch mal einen Blick in die Verfahrensvorschriften zu werfen. Dort wird nämlich ein geordnetes Bewerbungsverfahren vorgeschlagen und nicht etwa Zuschlag auf Zuruf.
Die Bewerber haben bis zum 31. März 2004 Zeit, eine Bewerbung beim MWK einzureichen.

Weder aus der Region Braunschweig, noch aus Osnabrück liegen bisher Konzepte vor, wie die Bewerbung als Kulturhauptstadt inhaltlich ausgefüllt werden soll.
Es ist nämlich nicht die vorhandene kulturelle Substanz, die ausschlaggebend für die Bewertung – und damit die Chancen – einer Kandidatur sein wird.
Vielmehr gibt es einen differenzierten Katalog von genau festgelegten Evaluierungskriterien, der das programmatische Konzept der Bewerber zur Entscheidungsgrundlage macht.
Dazu zählen:
- Die Durchführung spezifischer Aktivitäten zur Förderung von Innovationen im Kunstbereich und zur Schaffung neuer Formen der kulturellen Aktion und des kulturellen Dialogs,
- Die Durchführung von Maßnahmen zur Förderung der Zugänglichkeit und der Sensibilisierung in Bezug auf das stadtspezifische kulturelle Schaffen,
- Die Durchführung von Projekten zur Förderung der Einbeziehung des architektonischen Erbes in neue Strategien zur Stadtentwicklung
- Oder die gemeinsame Durchführung von Initiativen zur Förderung des Dialogs zwischen den europäischen Kulturen und den Kulturen in anderen Teilen der Welt,
um nur einige Beurteilungskriterien zur Veranschaulichung zu nennen.
So sehr ich Verständnis dafür habe, dass die einzelnen Kommunen und Regionen auch in diesem Parlament um Unterstützer werben:
Die von der Landesregierung ausgelöste Konfusion sollte nicht mit einer Vorfestlegung aufgehoben werden, sondern mit Verweis auf die Bewerbungsfrist März 2004.
Alle bis dahin eingegangenen Bewerbungen verdienen eine faire Beurteilung.

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