Rede Filiz Polat: Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge in Niedersachsen

Landtagssitzung am 10.11.2011

Rede Filiz Polat, MdL

Sehr geehrte Frau/Herr Präsidentin, meine Damen und Herren,

ich möchte zunächst im Namen meiner Fraktion ausdrücklich unsere Bestürzung, unsere Wut und unsere Empörung über die Abschiebung der vietnamesischen Familie aus Hoya ausdrücken. Nach gut 20jährigem Aufenthalt wurden die Eltern mit ihren kleinen 9 und 6 Jahre alten Kindern, die natürlich in Niedersachsen geboren sind, abgeschoben. Die 19jährige Tochter bleibt zurück. Was ist das für ein Rechtsstaat. Die Grenze der Zumutung ist erreicht.

Das gilt auch für den Umgang mit Kinderflüchtlingen. In Niedersachsen werden minderjährige Kinder in Haft genommen, in Niedersachsen werden Kinder mit umstrittenen medizinischen Verfahren oder durch Inaugenscheinahme älter gemacht, so dass sie ihrer Rechte, die ihnen nicht nur unserer Grundesgesetz, sondern natürlich auch die UN-Kinderrechtskonvention bietet, beraubt werden. Wenn ich Menschen in Niedersachsen von diesen Kinderschicksalen erzähle, schütteln sie nur unglaubwürdig mit dem Kopf.

Anrede,

unser zentraler Kritikpunkt liegt nach wie vor bei den Altersfestsetzungen. Niedersachsen hat in 2010 bei 52 Personen das Alter auf mindestens 18 Jahre fiktiv festgesetzt. Hinzu kommen weitere 51 Personen aus der Landesaufnahmebehörde. Es liegt auf der Hand, dass das dahinterstehende Interesse der Landesregierung dahin geht, diese als Volljährig erklärten Menschen zum Einen aus dem Zuständigkeitsbereich der Jugendämter und letztlich ohne jugendschutzrechtliche Hindernisse aus dem Land zu schaffen. Bei Jüngeren wurden in Niedersachsen 85 ärztliche Überprüfungen durchgeführt, die in 63 Fällen zu Altersheraufsetzungen geführt haben.

Nach wie vor ist unklar, auf welcher Rechtsgrundlage die körperlichen Eingriffe bei radiologischen Handwurzeluntersuchungen vorgenommen werden bzw. wie rechtlich tragfähig ein ggf. vorliegendes Einverständnis der minderjährigen Betroffenen ist. Dieser ganze Verfahrensbereich inklusive der Tatsache, dass in Niedersachsen wie auch in anderen Bundesländern keine rechtsmittelfähigen Bescheide über die Altersfeststellung ergehen, ist grund- und menschenrechtlich äußerst fragwürdig. Minderjährige werden hier zum Spielball der Behörden gemacht. Und selbst Vormundschaften – das zeigen konkrete Fälle - werden teilweise nicht gewissenhaft oder entgegen den Interessen der Betroffenen ausgeübt.

Anrede,

die Antwort der Landesregierung zeigt wie auch schon frühere Antworten auf Anfragen meiner Fraktion, dass die Rücknahme der Vorbehalte gegenüber der UN-Kinderrechtskonvention immer noch zu keine Konsequenzen geführt hat. Sowohl die Bundes- als auch diese Landesregierung weigern sich in unverantwortlicher Weise, diese Konsequenzen im Sinne des Kindeswohls zu ziehen. Deshalb möchte ich abschießend Artikel 3 der Konvention zitieren mit Erlaubnis – Anrede Präsident/in:

"Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichte, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen. Ich glaube hier wird nicht zu viel verlangt.

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