Rede Filiz Polat (mit Video): Aktuelle Stunde zur Flüchtlingspolitik

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Es geht jetzt darum, wieder einen geordneten und nachverfolgbaren Umgang mit der großen Zahl von Flüchtlingen zu schaffen“ - so Kanzlerin Dr. Angela Merkel gegen Mitternacht auf der gestrigen Pressekonferenz nach dem Treffen mit den Ministerpräsidenten.

Meine Damen und Herren, man muss sich wirklich wundern - an dieser Stelle muss das gesagt sein -, was bei dieser Bundesregierung auf einmal möglich ist. Sie ist endlich ein Stück weit aufgewacht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von Editha Lorberg [CDU])

- Frau Lorberg, Sie kritisieren seit Monaten die Handlungsunfähigkeit der Landesregierung.

(Zustimmung bei der CDU - Editha Lorberg [CDU]: Ja, genau! - Helge Limburg [GRÜNE]: Die angebliche Handlungsunfähigkeit!)

Minister Boris Pistorius und Ministerpräsident Stephan Weil haben immer darauf hingewiesen - das bestreitet auch keiner der Ministerpräsidenten der anderen Bundesländer -, dass das eine gesamt-staatliche, eine nationale Aufgabe ist. Aber warum ist es dem Bund jetzt möglich, binnen zwei bis drei Wochen 40 000 zusätzliche Plätze für die ankommenden Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen? Wieso jetzt, meine Damen und Herren?

(Jens Nacke [CDU]: Weil die Bundeswehr eingesetzt wird!)

Bundesverteidigungsministerin Frau Dr. Ursula von der Leyen - da ist mir die Kinnlade heruntergefallen - antwortete heute Morgen im „morgenmagazin“ auf die Frage, wie viel Personal sie zur Unterstützung des BAMF und der Länder abordnen könne, verblüfft: Da gibt es keine Grenze nach oben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, endlich! Es war höchste Eisenbahn, dass auch die Bundesregierung ihre Unterstützung zumindest für diesen Teil der Herausforderungen leistet.

Damit das klar ist: Das löst - der Ministerpräsident hat das sehr deutlich gemacht - formal und kurzfristig nur die logistische Herausforderung mit Blick auf die Menschen, die an den vergangenen zwei Wochenenden zu Zehntausenden gekommen sind, und diejenigen, die sich sozusagen schon wieder vor den Grenzen sammeln.

Aber, meine Damen und Herren, welche Lösungen wurden jenseits dessen vorgeschlagen, angeboten, um den Menschen zu helfen, die sich noch auf den Weg machen oder schon unterwegs sind? Und vor allem: Wie soll endlich sichergestellt wer-den, dass keine Menschen mehr im Mittelmeer ertrinken? Gemäß den neuesten Nachrichten aus der Türkei gibt es wieder eine neue Fluchtroute: über Edirne. In Datça sind gestern wieder Menschen ertrunken, darunter auch einige Kinder. Damit muss endlich Schluss sein! Und auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, müssen endlich einmal sagen, was Ihre Antwort ist, ob Sie einer Erweiterung der Kontingente und der legalen Einreisemöglichkeiten für diese Menschen zu-stimmen oder sich weiterhin abschotten wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der SPD)

Deshalb ist es richtig: Wir brauchen ein geordnetes Verfahren, aber nicht nur für die Verteilung - Stichwort „EU-Quote“ -, sondern auch für die Ein-reise. Wir brauchen keine Inhaftierung von Flüchtlingen in Ungarn, wie von Ihrer Schwesterpartei, von Herrn Orbán jetzt durchgesetzt. Das ist sicherlich kein Beitrag, um diese humanitäre Katastrophe in Syrien und im Nordirak zu lösen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu-stimmung bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Sie haben es immer noch nicht begriffen, oder?)

Frau Kanzlerin Dr. Angela Merkel hat gesagt: Ja, wir schaffen das. - Aber ich betone noch einmal: Entscheidend ist, dass legale Einreisewege aus-gebaut, erweitert und vor allem entbürokratisiert werden, um die Flüchtlinge schon unterwegs zu schützen und ein geordnetes Verfahren herbeizuführen, das nicht nur den Flüchtlingen, sondern auch unserem Land bei der Aufnahme hilft. Wir haben die besten Erfahrungen mit dem humanitären Aufnahmeprogramm des Bundes und des Landes über Friedland gemacht. Wir haben immer kritisiert, dass die Zahlen - 20 000 Menschen - viel zu gering sind. Viele Verwandte haben auf den Familiennachzug gewartet; es gab Probleme bei den Visumsantragsverfahren in den Botschaften; Termine wurden auf dem Schwarzmarkt verkauft. All dies hat auch dazu geführt, dass die Menschen losgegangen sind und über Griechenland und die Balkanroute gekommen sind. Wenn Sie das Problem lösen wollen, dann schaffen Sie endlich ein humanitäres Aufnahmeprogramm, das seinen Namen auch verdient, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der SPD)

Zu den Einlassungen von Herrn Nacke möchte ich Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung zitieren - ich könnte ihn immer wieder zitieren -:

„Nun, im Spätsommer und Herbst 2015, beginnt, hoffentlich, das, was schon vor 23 Jahren hätte beginnen können: eine Flüchtlingspolitik, die sich den Problemen stellt und nicht vor ihnen davonläuft; es beginnt, hoffentlich, eine Flüchtlingspolitik, die im Flüchtling nicht den Eindringling sieht, sondern den Menschen, der Schutz braucht. Und es wird, hoffentlich, dem Asylrecht endlich ein Einwanderungsrecht zur Seite gestellt.

Ein Einwanderungsgesetz wird das Asylrecht entlasten, es wird Deutschland nutzen. Das wird Anstrengung, Kraft und viel Geld kosten. Die Alternative heißt: Einmauern. Solche Einmauerei hat noch nie in der Geschichte geholfen. Der Kaiser, der in Max Frischs gleichnamigem Stück ‚Die chinesische Mauer‘ bauen lässt, tut dies, ‚um die Zukunft zu verhindern‘. Es wäre schlecht, wenn dieser Kaiser in Europa noch immer seine Minister hätte.“

Da hat Herr Prantl recht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

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