Rede Filiz Polat: Härtefallkommission muss handlungsfähig werden

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in, meine Damen und Herren,

ich möchte mich zunächst im Namen meiner Fraktion ausdrücklich bei allen in dieser Kommission tätigen Mitgliedern für ihre ehrenamtliche und schwierige Arbeit bedanken. Vielen Dank!

Die Kommission muss in den kommenden Monaten mit einem vielfachen der bisherigen Eingänge rechnen. Schon jetzt hat sich die Zahl der Eingaben in den letzten vier Monaten auf die Zahl der Eingänge der gesamten letzten drei Jahre summiert.

Umso mehr ein fataler Fehler – dass sich die Koalitionsfraktionen zum wiederholten Male einer grundlegenden Reform der Kommission verweigern.

Wir brauchen eine handlungsfähige Härtefallkommission, die den Vorgaben von Artikel 1 Grundgesetz gerecht wird und die Handlungsspielräume von § 23 a Aufenthaltsgesetz ausschöpft.

Meine Damen und Herren, mit dem Auslaufen der Bleibebrechtsregelung und den Rückübernahmeabkommen mit dem Kosovo und Syrien droht vielen Menschen gerade in Niedersachsen die Abschiebung. Derzeit sind ca. 15.000 Personen ausreisepflichtig.

Die Zahl der Härtefälle wird zwangsläufig steigen. Denn gerade diejenigen, die vom Bleiberecht ausgeschlossen wurden – ältere und kranke Personen – Familien mit mehreren Kindern, Menschen mit Behinderung konnten und werden die hohen Hürden der Altfallregelung nicht überspringen können.

Sie werden auf der Strecke bleiben. Sie bleiben im menschenunwürdigen Zustand der Duldung oder Ihnen droht eine Abschiebung in eine ungewisse Zukunft. Vielen Roma-Familien aus dem Kosovo droht die humanitäre Katastrophe. Dieser Personenkreis, von dem wir sprechen, ist sehr jung. Knapp 60% sind unter 25 Jahre alt. Ein Großteil hier geboren.

Wollen sie das hier im Parlament verantworten oder vor Ort tatenlos zusehen wie eine Familie, die seit 20 Jahren in ihrer Gemeinde lebt, deren Kinder hier geboren sind, von heute auf morgen weg ist –abgeschoben wird?

Wir nicht, meine Damen und Herren!

Für viele Menschen wird die Härtfallkommission die letzte Chance sein, ein Bleiberecht zu erhalten. Ein Leben in ihrer Heimat. Das war und ist Ziel des Gesetzgebers gewesen mit der Einführung dieses Gremiums im Gesetzestext.

Deshalb zum wiederholten Male die Intention des Gesetzgebers damit sie erkennen, wie weit wir in Niedersachsen davon entfernt sind:

Voraussetzung:

à der Ausländer muss vollziehbar ausreisepflichtig sein und dringende humanitäre oder persönliche Gründe müssen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen.

à die Kommissionsmitglieder können abweichend von den im Aufenthaltsgesetz festgelegten Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel eine Empfehlung aussprechen

Möglicher Ausschlussgrund

  • -         im Einzelfall kann die Anordnung unter Berücksichtigung des Umstandes erfolgen, ob der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist oder eine Verpflichtungserklärung nach §Â 68 abgegeben wird. "Im Einzelfall", meine Damen und Herren.

Regelmäßiger Ausschlussgrund:

  • -         Die Annahme eines Härtefalls ist "in der Regel" ausgeschlossen, wenn die betroffene Person Straftaten von erheblichem Gewicht begangen hat.

Jetzt schauen sie sich die derzeitige Verordnung an: 9 Nichtannahmegründe und 5 Ausschlussgründe.

Wo ist hier bitteschön die Unabhängigkeit der Kommission gewährleistet, wenn das Innenministerium eine Verordnung erlässt, die vorsortiert, aussortiert und blockiert?

Die Härtefallkommissionsverordnung des Landes wird mit dem vorgelegten Änderungsentwurf nicht besser. Die Mitglieder der Kommission müssen jederzeit sicherstellen können, dass Geist und Buchstaben von Artikel 1 des Grundgesetzes in den Entscheidungen der Kommission zur Geltung kommen.

Der von Ihnen vorgelegte Verordnungsentwurf, der sich zurzeit im Anhörungsverfahren befindet, ist eine Farce. Der Entwurf schränkt die Arbeit der Kommission weiterhin so stark ein, dass die Intention von § 23a des Aufenthaltsgesetzes konterkariert wird.

Sie verkaufen die Existenzverlängerung der Kommission als großen Wurf. Dabei folgen sie nur einer formalen Anpassung, die der Bundesgesetzgeber im Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz ohnehin vorgesehen hat. Sie greifen keinen einzigen Punkt der Forderungen der Verbände, Kirchen und im Übrigen der Integrationskommission des Landes Niedersachsen auf.

Stattdessen beschuldigt der Innenminister die Kommissionsmitglieder, sie würden ihre Position missbrauchen, um politisches Kapital daraus zu schlagen.

[Sie sagten laut HAZ vom 24.02.2009: "Es geht um Einzelschicksale, damit darf keine Politik gemacht werden."]

Uns zeigt das allerdings, dass Sie es sind, der diese wertvolle Arbeit nicht schätzt und diesen Menschen kein Vertrauen schenkt, in das, was sie dort tun.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen dank für ihre Aufmerksamkeit.

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