Rede Filiz Polat: Härtefallkommission beibehalten und nach humanitären Grundsätzen umgestalten

Anrede,

am Ende der letzten Legislaturperiode hat meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Antrag "Härtefallkommissionsverordnung nach humanitären Gesichtspunkten umgestalten" deutlich machen wollen, dass wir eine echte Härtefallkommission in diesem Bundesland dringend brauchen.

Die lange geforderte Härtefallkommission haben wir zwar seit September 2006, aber bis dahin war es ein steiniger Weg. Erst sollte es der Petitionsausschuss richten. Bis erkannt wurde, dass dieser Ausschuss natürlich eine Härtefallkommission nicht ersetzen kann. Dann wurde nur widerwillig anlässlich des Schlüssel-Falls "Zahra Kameli" und unter dem Druck der Opposition, der Verbände und Kirchen ein Beratungsgremium für Härtefälle eingerichtet.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP,

Der Druck nahm zu! Gefordert wurde eine echte Härtefallkommission wie sie gesetzlich vorgesehen ist. Diese Forderung kam von breiter Front mit solch beeindruckendem öffentlichem Druck, dass sich die Koalition dem gesellschaftlichen Willen schließlich beugen musste, nachdem bereits 14 andere Bundesländer deren Notwendigkeit und humanitären Sinn deutlich schneller erkannt hatten.

Anrede,

die Tür schien offen für menschliche Lösungen, aber gemauert wurde seitens der Regierung weiterhin. Denn was tat der Minister? Herr Schünemann, sie verabschiedeten eine Verordnung, die die Kommissionsarbeit behindert, die darauf ausgerichtet ist, möglichst wenige Fälle an die Kommission heran zu lassen und die in der zweiten Stufe die Möglichkeiten der Anerkennung von Härtefällen maximal einschränkt.

Neben Zugangs- und Anerkennungshindernissen treten Verfahrenshemmnisse, die die praktische Arbeit der Kommissionsmitglieder erheblich erschweren. Ich nenne an dieser Stelle nur die ¾-Mehrheit. Diese und andere Umstände führten dazu, dass zwei Mitglieder der Kommission ihre Mitgliedschaft aufgaben.

Ja, meine Damen und Herren, so drastische Zeichen waren nötig, um der Landesregierung die Misere aufzuzeigen. Dann Landtagswahlen! Die Folge: die Landesregierung legte einen Änderungsentwurf zur Härtefallkommissionsverordnung vor. Die Verbandsanhörung ist mittlerweile abgeschlossen.

Anrede,

die wirklich minimalen, sich praktisch kaum auswirkenden Verbesserungen stehen vollkommen hinter den Defiziten zurück. Deshalb ist die Enttäuschung der Angehörten über diesen Entwurf groß. Trotz eines nun neu vorliegenden Entwurfes der Verordnung kann ich mich an dieser Stelle nur wiederholen und die letzten Worte meiner damaligen Rede aus 2007 wieder aufgreifen: "Ändern Sie die Verordnung! Die Kommission braucht Luft zum Atmen und ihre Mitglieder Raum zum Handeln."

Die geforderte einfache Mehrheit für die Anerkennung eines Härtefalls haben sie nicht umgesetzt.  

Elemente der Sippenhaft wurden lediglich verlagert, sind aber absolut inakzeptabel und entsprechend aus anderen Bundesländern nicht bekannt.

Ein bereits feststehender Abschiebungstermin oder die Anordnung von Abschiebungshaft dürfen kein Hindernis für die Befassung der Kommission mit der Eingabe sein.

Auch die zahlreichen Ausschlussmöglichkeiten aufgrund vorhergegangener asyl- oder aufenthaltsrechtlicher Entscheidungen lassen humanitäre Zwänge unberücksichtigt.

Und nach wie vor wird gerade den besonders Hilfebedürftigen wie Alten, Kranken, Alleinerziehenden und Menschen mit Behinderung durch die Anforderung der selbständigen Sicherung des Lebensunterhalts die Anerkennungsmöglichkeit verstellt.

Gerade an diesem Punkt zeigt sich, dass der humanitäre Zweck der Kommission durch die Verordnung nicht erfüllt wird und die Landesregierung offensichtlich auch kein Interesse daran hat.

Anrede,

eine weitere Forderung ist auf die Aufnahme eines weiteren Kommissionsmitglieds aus der Flüchtlingsarbeit gerichtet. Das bisher einzige entsprechende Mitglied hat lediglich stellvertretenden Status.

Als beratendes Mitglied sollte die Integrationsbeauftragte des Landes Niedersachsen aufgenommen werden, weil sie die angemessene Würdigung der von den Antragstellern erbrachten Integrationsleistungen sicherstellen könnte. Häufig handelt es sich bei den Betroffenen aufgrund ihrer langen Aufenthaltszeiten und ihrer Verwurzelung in der niedersächsischen Gesellschaft schon um faktische Inländer.

Und schließlich muss der Abschiebungsschutz bereits dann greifen, wenn eine Eingabe an ein Kommissionsmitglied herangetragen wird. Sonst lastet ein zu großer Druck auf den Mitgliedern, die als Ehrenamtliche nicht immer sofort die Zeit für die oft sehr intensive Fallarbeit finden.

Anrede,

diese Forderungen stellen wir an die Landesregierung. Wir stehen damit nicht allein, sondern haben maßgebliche gesellschaftliche Gruppen hinter uns.

Ich fordere Sie auf, den Änderungsentwurf zur Härtefallkommissionsverordnung entsprechend umfassend zu überarbeiten.

Und noch etwas: Die bundesgesetzlichen Regelungen zur Härtefallkommission sind auf den 31.12.2009 befristet. Trotz aller Widrigkeiten in Niedersachsen hat sich dieses Instrument bundesweit bewährt. Es muss über 2009 hinaus Bestand haben. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich im Bundesrat für die Aufhebung der Befristung einzusetzen.

Herzlichen Dank!

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