Rede Filiz Polat: Große Anfrage „Muslimisches Leben in Niedersachsen“
Landtagssitzung am 06.12.2012
Filiz Polat, MdL
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,
wir beraten heute im niedersächsischen Parlament die erste Große Anfrage zum Thema „Muslimisches Leben in Niedersachsen“.
Wir brauchen zum Einen eine Debatte über den Umgang dieser Landesregierung mit den Muslimen und zum Anderen eine Debatte über die politischen und rechtlichen Herausforderungen im Hinblick auf die Gleichbehandlung des Islam als drittgrößte Religionsgemeinschaft in Niedersachsen.
Die weltanschaulich-religio?se Neutralita?t des Staates sollte dabei für uns alle Maßstab des politischen Handelns sein.
Schon vor 90 Jahren hat der Verfassungsgeber eine verfassungsrechtliche Ordnung konzipiert, die in der Lage ist, religiöse Pluralität normativ zu verarbeiten. Der religionsverfassungsrechtliche Rahmen des Grundgesetzes ist so neutral, dass er allen Religionen offensteht.
Anrede,
in Niedersachsen leben 6 Prozent Muslime. Darunter bilden die Sunniten die größte Gruppe, neben Schiiten und Aleviten.
Seit 2009 steht die Landesregierung im Dialog mit den zwei großen Dachverbänden Ditib und Schura. Sie vereinen allein 140 Moscheegemeinden.
Muslime möchten gleichberechtigt und selbstbestimmt am gesamten gesellschaftlichen Leben in Niedersachsen teilhaben und sich aktiv einbringen: in der Politik, der Wirtschaft, im karitativen und seelsorgerischen Bereich, in Kultur und Medien und in Wissenschaft, Bildung und insbesondere den Schulen.
Allerdings wird in der Antwort sehr deutlich: Es fehlt auch hier der klare Kurs dieser Landesregierung! Christian Wulff bot den Muslimen noch einen Staatsvertrag an. Dem wird heute eine Absage erteilt. Körperschaft öffentlichen Rechts - keine Aussage.
Stattdessen eine Art Integrationsvereinbarung a la Schünemann, ich zitiere „Ziel der mit den Vertreterinnen und Vertretern von SCHURA Niedersachsen e.V. und DITIB Landesverband Niedersachsen und Bremen e.V. gefu?hrten Gespra?che ist es, Lo?sungsansa?tze fu?r kla?rungsbedu?rftige Fragen im Integrationsprozess zu erarbeiten und die gefundenen Lo?sungen in einer Vereinbarung festzuhalten.“
Anrede,
das ist lächerlich - Nehmen sie die Menschen endlich ernst und machen Sie ernstzunehmende Angebote!
Die Antwort der Landesregierung dokumentiert die hinkende Partnerschaft zwischen muslimischen Religionsgemeinschaften und der Regierung. So hat man durchgehend den Eindruck, dass hier die verschiedenen Ministerien eine unterschiedliche Haltung zum Islam haben.
Lassen sie mich ein Beispiel herausgreifen:
Ihre Interpretation des Kopftuchtragens unter dem Kapitel Bekleidungsgebote: Mich würde wirklich interessieren, ob es Ihr Ernst ist, dass die Mehrheit der Muslimas, die ein Kopftuch tragen, für einen islamischen Gottesstaat eintreten. Wenn das so wäre, warum sieht dann das Bundesverfassungsgericht das Tragen des Kopftuches aus religiösen Gründen als geschützt an.
Warum schreibt die Landesregierung, dass die Position der Religionsgemeinschaften und die der Landesregierung in Fragen der Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu keinem Konflikt führen?
Das ist die Regierung McAllister – konzeptlos und planlos!
Es muss zur gelebten Wirklichkeit werden, dass alle Menschen entsprechend dem Verfassungsgebot - unabhängig von Herkunft, Religion und Weltanschauung - ihre Grundrechte und Teilhabemöglichkeiten gleichberechtigt wahrnehmen können.
Die Landesregierung ist hiervon weit entfernt. Obwohl es Auftrag und Anspruch des Grundgesetzes ist.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!