Rede: Filiz Polat: Für ein soziales Europa – verbindliche Regelungen für soziale Grundrechte

Anrede,

lassen Sie mich zunächst ein paar Worte zur Genese der Anträge "Europa bewusst machen" und "Wahlbeteiligung erhöhen" sagen.
Für mich ist es absolut unverständlich, warum eine Fraktion in diesem Parlament sich nicht dazu durchringen kann – um es mal vorsichtig zu formulieren – einem gemeinsamen Antrag zuzustimmen, der von allen anderen demokratisch gewählten Fraktionen hier im Parlament getragen wird.

Einen Antrag, der nichts anderes zum Ziel hat als gemeinsam die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu motivieren, am 7. Juni in die Wahllokale zu gehen.

Ich möchte Sie nicht wieder mit Dr. von Münchhausen und dem inneren Schweinehund quälen. Daher die Bitte an die Kollegen von CDU: Springen Sie über Ihren Schatten.

Die grüne Fraktion hat Ihnen gemeinsam mit der Fraktion die Linke eine Brücke gebaut, was uns wahrlich nicht leicht fiel - wie Sie sich denken können - und einen Änderungsantrag vorgelegt.

Ich glaube unser Antrag ist eine sinnvolle und notwendige Ergänzung des CDU/FPD-Antrags, dem alle Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses zustimmen können.

Denn ein Lob an Herrn Prof. Dr. Pöttering, der über alle Parteigrenzen hinweg geschätzt wird für seine konstruktive und wichtige Arbeit als Parlamentspräsident, halten wir als Niedersachsen für angebracht. Einen Dank verdienen auch die anderen niedersächsischen Europaabgeordneten für ihren politischen Einsatz in Brüssel und Straßburg.

Ich möchte nun noch einige Worte zu den vier Anträgen zum Thema Soziales Europa sagen.

Ich bedanke mich bei den Fraktionen von SPD und Linken, dass sie das Thema "Soziale Gerechtigkeit in Europa" auf die Tagesordnung des Landtags gebracht haben.

Das Haus Europa braucht unter dem Dach von Wirtschafts- und Währungsunion, das in 50 Jahren zu einem soliden Schirm ausgebaut worden ist, auch einen zentralen gut ausgebauten sozialen Lebensraum.

Das heißt:

  • Arbeitnehmerrechte, die Rechte der europäischen Betriebsräte müssen EU-weit gestärkt werden.
  • Es muss das Prinzip gelten "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort".
  • Es muss eine menschenwürdige Arbeitszeithöchstgrenze festgelegt werden.

Wir brauchen eine Weiterentwicklung des Lissabon-Vertrages, um verbindliche Regelungen für soziale Grundrechte gleichberechtigt zu wirtschaftlichen Grundfreiheiten und der Dienstleistungsfreiheit aufzustellen.

Das heißt nicht, dass wir den Lissabon-Vertrag in Frage stellen wollen. Im Gegenteil, wir brauchen ganz schnell die noch ausstehende Zustimmung der vier EU-Mitgliedstaaten Polen, Deutschland, Tschechien und Irland.

Denn der Vertrag ist die dringend notwendige Grundlage für ein starkes europäisches Parlament, eine handlungsfähige Kommission und einen entscheidungsfähigen Europäischen Rat.

Die Erweiterung des Lissabon-Vertrages ist eine politische Aufgabe der nahen Zukunft. So ist auch der Beschluss des Europäischen Parlaments vom Oktober vergangenen Jahres, den wir in unserem Antrag zitieren, zu verstehen.

Meine Damen und Herren von der CDU,

ich verstehe nicht, wie Sie in ihrem Änderungsantrag behaupten können, die sozialen Grundrechte seien bereits ausreichend im bestehenden europäischen Vertragswerk abgesichert. Sie stellen sich mit dieser Interpretation der politischen Situation auf die Seite marktradikaler Kräfte, die allenfalls noch von der FDP vertreten werden, dem Anspruch einer christlichen und sozialen Partei aber nicht gerecht werden.

Dem Antrag der SPD-Fraktion können wir im Grundsatz folgen. Allerdings haben sie die Diskussion um die Arbeitszeitrichtlinie ausgespart. Bundesarbeitsminister Scholz gibt da nun wirklich keine gute Figur ab, wenn er für wöchentliche Regelarbeitszeiten jenseits der 60 Stunden eintritt. Man reibt sich die Augen und fragt sich: Wurde da nicht vor gar nicht langer Zeit der Konflikt um die Bereitschaftszeiten in den Krankenhäusern zur Zufriedenheit beider Seiten, der Ärzte und der Krankenhausbetreiber, beigelegt? Warum wird diese Debatte wieder losgetreten? Ich sehe einen Erklärungsbedarf, den die SPD zu decken hat.

Meine Damen und Herren

Ich möchte noch daran erinnern, dass politische Lösungen für mehr soziale Gerechtigkeit, gegen Lohndumping und Ausbeutung nicht nur auf europäischer Ebene durchgesetzt werden müssen, sondern in Deutschland auch die nationale Politik gefordert ist.

In 20 von 27 EU-Staaten gelten Mindestlöhne. Offensichtlich bewährt sich dieses Instrument als unterste Arbeitslohnsicherung in vielen Staaten. In Deutschland wird die Einführung eines Mindestlohns weiter verhindert. Ich finde der Mindestlohn ist überfällig.

Das ist eine Erfolgsgeschichte auf dem Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit in Europa und davon brauchen wir mehr.

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