Rede Filiz Polat: „Aufnahme syrischer Flüchtlinge – Niedersachsen lässt Syrerinnen und Syrer nicht im Stich“

- es gilt das gesprochene Wort - 

 

 

Sehr geehrte Frau/Herr PräsidentIn, meine Damen und Herren,

heute senden wir aus Niedersachsen ein gemeinsames Signal der Solidarität mit den syrischen Flüchtlingen und  ihrer hier lebenden Angehörigen.

Gemeinsam treten wir dafür ein,

dass syrischen Flüchtlingen auf Dauer eine Perspektive in Niedersachsen erhalten,

dass die Einreise von syrischen Menschen zu ihren Verwandten nach Deutschland erleichtert wird

und dass die Möglichkeit eröffnet wird, syrischen Flüchtlingen, die über andere EU-Länder eingereist sind, ihr Asylverfahren in Deutschland durchzuführen.

Mit diesem Antrag senden wir aber auch ein deutliches Signal an die Bundesregierung bzw. hier im Besonderen an Bundesinnenminister Friedrich (CSU).

Immer noch weigert sich der für Einreisefragen zuständige Bundesminister des Inneren, Hans-Peter Friedrich, den Nachzug von Familienangehörigen aus humanitären Gründen zu erleichtern obwohl das UN-Flüchtlingskommissariat schon im Dezember entsprechend ihn appellierte.

Anrede,

mit diesem Antrag stehen wir gemeinsam mit zahlreichen Flüchtlingsorganisationen, Kirchen, syrischen Verbänden und Abgeordneten im Bundestag aller Fraktionen.

Wir brauchen mehr als die „Hilfe vor Ort" und wir brauchen mehr als ein Touristenvisum.

So sieht es auch der geschätzte Kollege Polenz, Vorsitzender des Auswärtige Ausschusses.

Polenz forderte, ich zitiere aus einem Artikel in der Zeitung die Welt: "Die Bundesregierung muss ihre Position schnell korrigieren und die Möglichkeit der unkonventionellen Flüchtlingshilfe für Angehörige schaffen."

Anrede,

die Bundesregierung muss daher schnellstmöglich eine Visa-Erleichterung für den Familiennachzug erlassen, unbürokratisch syrische Flüchtlinge aufnehmen und ein Bleiberecht für syrische Flüchtlinge, die bereits in Deutschland sind, ermöglichen.

Etwa die Hälfte der Flüchtlinge sind Kinder, meist unter elf Jahre. Diese Menschen haben bei einer der größten Flüchtlingskatastrophe in der modernen Geschichte des Nahen Ostens alles verloren - ihre Heimat, ihre Freunde und ihre Existenz. Diesen Menschen müssen wir helfen.

Anrede,

bereits 2009 spitzte sich die Lage in Syrien zu. Menschenrechtsorganisationen berichteten von Inhaftierung, abgeschobener Personen; Geduldete berichteten über Schikanierungen in den Botschaften.

Das BMI reagierte mit einem Schreiben an die Innenminister der Bundesländer, und verwies auf die besondere Sorgfalt der Prüfung bei Abschiebungen nach Syrien. Das niedersächsische Innenministerium unter Schünemann - wie sollte es auch anders sein - zeigte sich irritiert über das Schreiben aus dem BMI.

Das MI erklärte gegenüber dem Flüchtlingsrat auf Anfrage, man sei mit dem BMI-Schreiben “nicht zufrieden” und werde sich mit der Bitte um Änderung der angeregten Praxis mit dem Bundesinnenministerium in Verbindung setzen. Das Schreiben des BMI liefe bei entsprechender Umsetzung auf einen faktischen, wenn auch nicht erklärten Abschiebungsstopp hinaus.

Heute gilt der Abschiebestopp – und da ist auch gut so.

Die politischen Versuche des niedersächsischen Innenministeriums, das BMI zu einer Rücknahme seines Schreibens vom 16.12.2009 zu veranlassen, waren umso empörender, als der ad-hoc-Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 28.12.2009 die Berichte über eine Verfolgung von Flüchtlingen nach ihrer Abschiebung bestätigte.

Dem Bericht ist zu entnehmen,

  • dass im ersten Halbjahr 2009 insgesamt 28 Personen nach Syrien abgeschoben wurden,
  • dass eine Befragung der Abgeschobenen die Regel ist,
  • dass in drei Fällen Inhaftierungen bekannt geworden sind, darunter
  • ein Flüchtling, der wegen “falscher (lügnerischer) Nachrichten über den syrischen Staat im Ausland” angeklagt wird und mit einer mindestens sechsmonatigen, wahrscheinlich jedoch 2-3-jährigen Haftstrafe rechnen muss, weil er an einer Demonstration gegen das deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen teilgenommen habe (!),

Schon damals haben Bündnis 90/die Grünen im Landtag als auch im Bundestag einen Abschiebungsstopp für Flüchtlinge aus Syrien gefordert.

Im Jahr 2010 wurden in Niedersachsen 240 Personen für die Abschiebung nach Syrien angemeldet. Und noch im Februar 2011 wurden Anuar und Bedir Naso nach Syrien aus dem Landkreis Hildesheim abgeschoben.

Erst nach ihrer Abschiebung am 02.05.2011 erging ein Erlass des niedersächsischen MI zur vorübergehenden Aussetzung der Abschiebungen nach Syrien – zu spät für den Vater und den Sohn der Familie Naso.

Deshalb begrüßen wir den förmlichen Abschiebungsstopp nach § 60a AufenthG. Dieser bietet auch einen verlässlichen, dauerhaften Rechtsrahmen, um langjährig Geduldeten die Möglichkeit zu geben über den § 23 I eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.

Anrede,

verwundert hat mich in den Beratungen, dass die FDP die Streichung des Satzes eingefordert hat, dass zukünftig keine politischen und wirtschaftlichen Delegationen in die Republik Syrien durch die Landesregierung begleitet, organisiert oder unterstützt werden sollen – zumal sie mit einem eigenen Entschließungsantrag genau das einfordern.

Aber es waren ja auch ihre Wirtschaftsminister, die solche Delegationen angeführt haben.

So hat das Ministerium zu einer Wirtschaftsdelegation nach Syrien, die unter der Leitung oder mit Unterstützung der Landesregierung im Februar 2011 Syrien statt gefunden hat erklärt:

"Im Unterschied zu anderen arabischen Ländern ist Syrien ein weltlich orientiertes Land, in dem die verschiedenen Religionen und Nationalitäten weitgehend konfliktlos nebeneinander leben. Eine Entwicklung wie z.B. in Ägypten wird derzeit als unwahrscheinlich angesehen, da Präsident Assad bedeutend jünger ist als die anderen Machthaber in der arabischen Welt und somit dem Volk näher steht. Ein Generationswechsel vom Vater zum Sohn ist bereits vollzogen und hat bereits für eine Modernisierung des Landes gesorgt.”

Der Flüchtlingsrat kommentierte treffend, "diese Verharmlosung der Verfolgung und Unterdrückung in der von Sicherheitsapparaten und Militärs geprägten autoritären Diktatur im Interesse guter Geschäfte schreit zum Himmel."

Wir sind froh, dass es diese Politik nicht mehr gibt und froh dass Sie unsere Politik unterstützen und umdenken.

Der Paradigmenwechsel ist auch bei Ihnen angekommen –was wollen wir mehr!

Herzlichen Dank

 

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