Rede Filiz Polat - Antrag (FDP) 10-Punkte Sofortprogramm

- Es gilt das gesprochene Wort –

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Anrede,

was zurzeit in Deutschland und Niedersachsen geschieht, ist ein demografischer Glücksfall für unser Land.

Der Flüchtlingsrat hat gestern im Rahmen seiner Pressekonferenz ausgeführt, dass noch viel Platz bei uns ist. Die Aufnahme von Flüchtlingen kompensiere gerade einmal den Rückgang der Bevölkerung. Auch in den Schulen gebe es im Durchschnitt nicht mehr, sondern weniger Kinder. Die Aufnahme der Flüchtlinge sei insofern v.a. ein Organisations- und Verteilungsproblem. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung hat in seinem Diskussionspapier vom August zu bedenken gegeben, Einwanderung könne vor dem Hintergrund des demografischen Wandels auch zur Finanzierung des Sozialstaats und zum Wohlstand in Deutschland beitragen. Mittelfristig würden 60 bis 70 Prozent der Einwanderer nach Deutschland aus Ländern außerhalb der EU kommen. Die Regelung der Einwanderung aus Drittstaaten sei deshalb für die künftige Entwicklung in Deutschland zentral. Zwar sei durch verschiedene Reformen des Zuwanderungsrechts versucht worden, die Zuwanderung von Fachkräften, insbesondere von Hochqualifizierten zu erleichtern. Allerdings hätten in 2014 nur 7 Prozent der ZuwanderInnen aus Drittstaaten einen Aufenthaltstitel zu Erwerbszwecken, nur 1 Prozent eine Blaue Karte EU erhalten. Das Asylrecht könne durch die Möglichkeit eines „Spurwechsels“, der die Option zur Arbeitsmigration öffnet, entlastet werden.

Das muss gerade für die Einwanderer aus EU-Beitrittsländern gelten. Es muss doch möglich sein, dass unsere Nachbarinnen und Nachbarn vom Balkan unsere Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen von morgen sind.

Die Bundesanstalt für Arbeit weist in einer aktuellen Broschüre darauf hin, dass bei geflüchteten Menschen in der Regel keine kurz- oder mittelfristige Rückkehrmöglichkeit bestehe und viele ihre Verwandten im Herkunftsland unterstützen möchten. Oftmals brächten sie hierfür eine überdurchschnittliche Motivation, Eigeninitiative sowie eine hohe Lern- und Leistungsbereitschaft mit, die auch zum Teil fehlende Sprachkenntnisse und Zeugnisse kompensiere.

Anrede,

deshalb auch hier ein Blick in die jüngere Geschichte. Die polnische Einwanderung kann exemplarisch für die Einwanderung der heutigen Menschen aus den Balkanstaaten stehen. In den 80ern kamen Polinnen und Polen als Asylsuchende, in den 90er kamen sie als Arbeitsmigranten. Nur dass Ihnen der Weg trotz Beitrittsstatus über das Einwanderungsrecht versperrt war. So wählten viele auch hier den Weg über das Asylsystem.

Und noch 2004 hatten wir im Petitionsausschuss, Eingaben von polnischen Petenten, die nach 10-jährigem Aufenthalt in Niedersachsen abgeschoben werden sollten, weil sie ausreisepflichtig bzw. abgelehnte Asylsuchende waren.

Anrede,

im selben Jahr 2004 wurde der Eintritt Polens am 10. Mai in die Europäische Union gefeiert. Das ist doch absurd, finden sie nicht. Heute stellen die polnischen Freundinnen und Freunde die größte Einwanderungsgruppe dar und das ist gut so.

Eine Zweiklassengesellschaft von guten und falschen Flüchtlingen lehnen wir strikt ab. Die EU-Aufnahmerichtlinie lässt eine solche diskriminierende Behandlung nach Herkunft nicht zu – sie garantiert vielmehr ein Recht auf eine menschenwürdige Unterbringung und den Anspruch von Kindern auf Bildung für alle Asylsuchenden.

Anrede,

Die Bundesregierung macht in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag (Drucksache 18/3987) eine erstaunliche Aussage: Danach lebten Ende 2014 bundesweit gut 530.000 Menschen, deren Asylantrag irgendwann einmal negativ entschieden worden war. Davon verfügt mittlerweile aber fast die Hälfte über einen unbefristeten und weitere 38 Prozent über einen befristeten Aufenthaltsstatus. Nur knapp 15 Prozent sind weiterhin ausreisepflichtig. Die politische Diskussion um die „Gastarbeiter“ der 60er und 70er Jahre und die „Wirtschaftsflüchtlinge“ der 80er und 90er Jahre ging bereits in die gleiche Richtung: Auch diesen Gruppen war damals eine „geringe Bleibeperspektive“ zugeschrieben worden. Dies war unter anderem der Grund, warum Teilhabe verweigert wurde. Erst später hat man erkannt, dass diese Politik integrations- und sozialpolitisch falsch war.

Niedersachsen ist ein weltoffenes Land mit einer langen Einwanderungsgeschichte. Unser Land lebt von seiner Vielfalt, dem Engagement und den Ideen der Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft. Diesem Prinzip fühlen sich alle Abgeordneten und alle Ressorts der Landesregierung und Behörden verpflichtet.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

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