Rede Filiz Polat: Aktuelle Stunde (GRÜNE) - „Abschottungspolitik Europas beenden – Einwanderung ermöglichen!“

- Es gilt das gesprochene Wort -

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Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Menschen in ganz Deutschland sehen tagtäglich die grauvollen Bilder aus Syrien und dem Nordirak. Sie sehen die entsetzlichen Bilder von ertrunkenen Menschen an den Küsten von Lampedusa, Kos und im Mittelmeer.

Schwimmwesten und das Plastik von kaputten Schlauchbooten liegen an diesen Stränden im Meterabstand.

Anrede,

in einer Woche im April dieses Jahres starben 1000 Flüchtlinge im Mittelmeer.

Aber bereits 2011 fragte die damalige Bürgermeisterin von Lampedusa Guisi Nicolini: „Wie groß muss der Friedhof auf meiner Insel noch werden?“

Nichts ist passiert – ich muss mich korrigieren – es wurde zur Grenzsicherung die Mission Triton installiert, ein neuer Grenzzaun an der ungarischen Grenze zu Serbien mitfinanziert und ein erneuter Plan der Europäischen Kommission zur Bekämpfung illegaler Einwanderer und ihrer Schleuser gebilligt.

Ja, Anrede - diese bösen illegalen Einwanderer aus Syrien, Irak und Afghanistan.

Wenn es bei der Rettung des Euros so kläglich wenig Einsatz gegeben hätte wie bei der Rettung von Flüchtlingen: Es gäbe den Euro schon längst nicht mehr.

Anrede,

nun haben sich tausende Menschen einfach auf den Weg gemacht ohne auf die Relocation-Maßnahme der EU zu warten die im Frühjahr dieses Jahres bereits beschlossen wurde zur Unterstützung Griechenlands und Italiens.

Zu Fuß, über Tage und Wochen, mit Schlauchbooten oder Luftmatratzen von der türkischen Küste zur ein paar km entfernten griechischen Insel Kos auf der so genannten Balkanroute nach Deutschland. Im 21. Jahrhundert - zu Fuß als Flüchtling nach Europa unter dem Einsatz des eigenen Lebens.

Da kann mensch doch fragen, warum fliegen diese Menschen nicht einfach nach Europa? Natürlich gibt es jeden Tag Flüge von Kairo, Istanbul, Beirut oder Khartum nach Europa. Diese Flüge sind natürlich nicht nur sicherer, sondern auch noch billiger als zum Beispiel die lebensgefährliche Mittelmeer-Überquerung.

In vier Stunden ist man von Beirut in Frankfurt für knapp 500 Euro. Flüchtlinge kostet dieselbe Strecke knapp 15 000 Euro teils über Schlepper organisiert; wenn sie denn lebend ankommen.

Aber Europa investiert auch eine Menge: Millionen flossen an Libyen und den damaligen Diktator Gaddafi, um afrikanische Flüchtlinge fernzuhalten.

2013 investierte Europa 340 Millionen in das Überwachungssystem Eurosur (European Border Suveillance System) mit Aufklärungsdrohnen und im All installierten Satelliten.

Verdoppelt der Etat für Frontex und Millionen für Triton, Millionen für das Projekt Smart Borders.

Und immer begleitet von dem Ziel „fight against irregular immigrants“– Ertrinken tausende Menschen – Kinder und Frauen. Diese Flüchtlingspolitik mit Todesfolge – so wie Pro Asyl zu Recht scharf formuliert - schneidet Flüchtlingen den legalen Weg nach Europa ab. So werden Flüchtlinge in die Arme von Schleppern getrieben.

Anrede,

Und dann das Dublin-System, welches darauf bedacht ist Menschen hin- und herzuschieben. Tausende Menschen werden von A nach B verschickt, von C nach D, um von B wieder nach A zu wandern und von D nach C.

Anrede CDU – wenn Ahmed Youssafi einen Onkel in Amsterdam hat, dann erklären sie mir bitte was dieser Mann dann in Budapest soll?

So konzentriert sich Europa – ich muss es präzisieren - die konservativen Regierungen dieses Europas mit ihrer EVP Fraktion im Europäischen Parlament - weiterhin auf die Abwehr von Flüchtlingen als auf die Aufnahme über Kontingente, Resettlement – oder humanitäre Aufnahmeprogramme. Diese Praxis ist mit dem Geist der Genfer Konvention nicht vereinbar und entspricht auch nicht dem Bild unserer europäischen Wertegemeinschaft.

Heribert Prantl bringt es in seinem Kommentar in der SZ auf den Punkt: „In Deutschland werden Flüchtlinge mit großer Herzlichkeit aufgenommen, viele europäische Länder verweigern sich aber. Doch Europa erstickt nicht, wenn es syrische Flüchtlinge aufnimmt. Es erstickt, wenn es sie nicht aufnimmt - an Geiz und Heuchelei.“

Wir brauchen endlich eine neue Schutzkultur ohne Dublin, ohne Frontex und Smart Borders – sperren sie nicht den Fischer ein, wenn er Flüchtlinge aus dem Mittelmeer rettet und kriminalisieren sie nicht Fluggesellschaften, wenn sie Asylsuchende ohne Visum nach Europa bringen möchten.

Es ist Zeit, sich auf Sankt Martin zu besinnen, einen der Schutzheiligen Europas. Es wird Zeit, Migration als zivilisatorische Notwendigkeit zu begreifen und danach zu handeln. Es ist Zeit, die Globalisierung der Gleichgültigkeit zu beenden.

Europa braucht keine Abwehrkommissare und keine Abwehrminister wie Prantl zu Recht mahnt, Europa braucht Einwanderungsminister und Einwanderungsbürgermeister.

Anrede,

an den Bahnhöfen vieler deutscher Städte haben die Bürgerinnen dieses Landes die Werte Europas verteidigt. Viele Flüchtlinge antworten auf die Frage von Journalisten immer wieder das Gleiche: Deutschland hat uns unsere Würde zurückgegeben.

Deshalb sagen sie Nein zu Dublin und Ja zu einer deutlichen Erhöhung humanitärer Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten.

Sagen sie Nein zum Asylbewerberleistungssystem und Ja zur Einwanderung in den Arbeitsmarkt.

Sagen sie Nein zu einer Europäischen Subventionspolitik, die die Existenz von Bauern und Fischern in Afrika zerstört.

Sagen sie Ja zu einer Migrationsgesellschaft, die Einwanderer nicht als Problem sieht, sondern als Chance anerkennt!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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