Rede Filiz Polat: Aktuelle Stunde (FDP): Stabilitätsunion statt Schuldeneuropa - Keine neuen Millionenrisiken für Niedersachsen

es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

manövrierunfähig treibt die FDP in der Koalition und schlägt wild um sich. Jetzt wollen sie aus der Krise in Europa politisch Profit schlagen. Nichts Anderes machen sie hier.

In Berlin werben sie auf neuen Wahlkampfplakaten mit dem Slogan "Wollen Sie die Zeche für die Schulden anderer zahlen? Nur eine starke FDP verhindert Euro-Bonds".

Das ist eine bundesweite Kampagne zur öffentlichen Destabilisierung der Europäischen Union. Das ist unverantwortlich und schierer politischer Populismus.

Anrede,

wir haben keine Krise des Euro. Wir haben eine Krise des europäischen Projektes, was größer und vielschichtiger ist, als in den vergangen Jahren.

Nationale Egoismen, zögerliche und konzeptlose Regierungen und ein um sich greifender uneuropäischer Geist.

Leider mischen hier die Spitzen von CDU und FDP ganz oben mit.

Kommissar Oettinger fordert, die Fahnen von Schuldensündern der EU auf Halbmast zu setzen.

Wirtschaftsminister Rösler spekuliert öffentlich über den Konkurs eines EU-Mitgliedstaates und fängt scheinbar erst jetzt das Denken an.

Wie lange will die Kanzlerin diesem amateurhaften Treiben in ihren Reihen eigentlich noch zu sehen.

Selbst die Kanzlerin, die das Erbe von Konrad Adenauer und Helmut Kohl zu wahren hätte, hat mit der proeuropäischen Tradition der Christdemokraten gebrochen.

Sie schürt in bester Westerwelle- oder Rösler-Manier antieuropäische Ressentiments. Es wird hemmungslos und ständig die nationale Karte gespielt und das Bild vom Zahlmeister Deutschland an die Wand gemalt.

Das Bild des frühverrenteten Griechen zu zeichnen, der sich auf Kosten des fleißigen deutschen Steuerzahlers unterm Olivenbaum gemütlich macht, ist erbärmlich. Angesichts des Aufwinds europaskeptischer und offen europafeindlicher Parteien um uns herum ist sie sogar gefährlich.

Gerade in der Krise brauchen wir mehr europäische Solidarität. Natürlich brauchen wir auch den konsequenten Weg der Konsolidierung.

Dafür haben wir klare Regelungen mit Griechenland vereinbart.

Aber bei aller Richtigkeit von Haushaltskürzungen und Sparanstrengungen muss auf die soziale Balance  geachtet werden. Das ist die gemeinsame europäische Aufgabe. Die Protestierenden in Athen und Madrid sind nicht gegen Europa. Sie stemmen sich zu Recht gegen eine Sparpolitik, die es sich einfach macht, indem sie Finanzmärkte und Reiche verschont und sich das Geld bei den Armen holt.

Anrede,

das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. September ist eine erneute Niederlage der notorischen Anti-Europa-Kläger. Zum wiederholten Male werden die Europafeinde in ihre Schranken verwiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Euro-Rettungsschirm und sein Zustandeskommen für verfassungsmäßig erklärt und die Parlamentsrechte weiter gestärkt.

Der Weg aus der europäischen Schuldenkrise kostet Geld und Mut. Aber die Kosten des Nichthandelns sind größer. Ein Ausscheren einzelner Staaten aus der Eurozone würde einen massiven Schaden für alle Beteiligten bedeuten. Die europäische Integration wäre auf Jahrzehnte ausgebremst.

Für eine dauerhafte Lösung der Verschuldungs-, Finanz- und Wirtschaftskrise muss sich die EU weiterentwickeln. Da hilft kein Merkelsches Zaudern, Zögern und Taktieren.

Wir Grüne stehen für eine ehrliche europäische Politik, die die Bürger einerseits über die wahren Kosten der Hilfspakete informiert und dabei andererseits klarstellt, wie sehr vor allem wir Deutschen von Europa profitieren.

Die europäische Wirtschaft als ganzes, aber insbesondere die exportorientierte deutsche Wirtschaft profitiert überproportional vom Euro.

Die KfW Bankengruppe hat die quantitativen Vorteile des Euro für Deutschland gegenüber einer fiktiven D-Mark sehr präzise berechnet. So kommt die KfW unter bestimmten Annahmen zum Ergebnis, dass Deutschland durch die Mitgliedschaft in der Eurozone in den letzten beiden Jahren einen Wachstumsvorteil zwischen 2 und 2,5 Prozent und damit im Bereich von 50 bis 60 Mrd. EUR realisiert hat.

Beim Thema Eurobonds muss die Bundesregierung endlich über ihren Schatten springen. Die ablehnende Haltung ist kurzsichtig und krisenverschärfend.

Wir brauchen einen breiten Lösungsansatz, der alle wichtigen Stellschrauben in den Blick nimmt.

Dazu gehören eine europäische Wirtschaftsunion und die Koordination nationaler Haushaltspolitiken, eine grüne Wachstumsstrategie, europäische Anleihen und ein europäischer Währungsfonds.

Anrede, meine Damen und Herren von CDU und FDP,

Sie wollen bei den Anderen etwas ändern, aber nicht bei sich selbst.

Was ist Ihre Antwort auf die makroökonomischen Ungleichgewichte?

Leistungsbilanzungleichgewichte haben zwei und nicht nur eine Seite. Über die Frage der Stärkung der Binnennachfrage muss man nicht nur im Zusammenhang mit dem Mindestlohn reden. Die Bundeskanzlerin sagt zu Recht, dass es keine dauerhafte Abkopplung der Lohnentwicklung von der Produktivität geben kann, und ist deswegen gegen die automatischen Lohnindizes in anderen europäischen Staaten.

Das gilt aber auch umgekehrt.

Es kann auch keine dauerhafte Entkopplung der Lohnentwicklung von der Produktivität in der Form geben, dass die Reallohnquote permanent sinkt, was in Deutschland der Fall ist. Das ist ein Defizit, das wir in Deutschland endlich und schnell beheben müssen.

Anrede,

Sie fordern eine Stabilitätsunion und erzielen mit Ihren öffentlichen Spekulationen und einen populistischen Kampagne das genaue Gegenteil.

Herr Dürr, Sie sollten lieber über eine geordnete Insolvenz Ihrer Partei nachdenken. Denn Europa braucht gerade jetzt eine Bundesregierung mit Konzept und richtungsentscheidenden Maßnahmen, die sowohl die Schuldenkrise als auch die Ursachen der Krisen in den Griff bekommt.

Also hören Sie auf zu blockieren und werden Sie endlich Ihrer Verantwortung gerecht.

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