Rede Filiz Polat: Änderung der Geschäftsordnung/Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe

- es gilt das gesprochene Wort -

 Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

am 18. August 1993 wurde die Ausländerkommission im Niedersächsischen Landtag durch Rot-Grün ins Leben gerufen. Einmalig in der Bundesrepublik bis heute. Die wechselnden politischen Mehrheiten in Niedersachsen haben danach die Kommission nie jemals in Frage gestellt.

Allerdings haben sich Entwicklungen innerhalb unserer Migrationsgesellschaft immer wieder in der Geschäftordnung - der Rahmen der Kommission – abgebildet. Eine wesentliche Änderung war sicherlich, dass die Mitglieder der Kommission auch Deutsche mit Migrationhintergrund sein konnten. Eine ähnliche Entwicklung haben die Ausländerbeiräte hin zu Integrationsbeiräten oder Migrationsauschüssen Ende der 90er Jahre erfahren.

Anrede,

Heute nach 20 Jahren sollten wir gemeinsam die Chance nutzen, eines der wichtigsten Forderungen der Migranten umzusetzen. Mehr Mitbestimmung und echte Teilhabe innerhalb der Kommission.

CDU und FDP haben vor 10 Jahren den ersten gemeinsamen Vorstoß der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen für mehr Mitbestimmung der Vertreterinnen und Vertreter der damaligen Ausländerkommission abgelehnt.

 

Ihre Bedenken, dass die vorgesehene Regelung in der Geschäftsordnung, wonach die Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe mit der Mehrheit ihrer Mitglieder beschließt, gegen das Demokratieprinzip verstößt und damit verfassungswidrig ist, wurden eindeutig vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst ausgeräumt.

Anrede,

Lassen sie also das Einstimmigkeitsprinzip in der Kommission Geschichte werden.

Sie alle wissen, dass obwohl sich in vielen Punkten die externen Vertreter und Vertreterinnen zu Fragen der Migration einig waren, es oftmals ein ablehnendes Votum der Kommission auf Grund des Einstimmigkeitsprinzips ergeben hatte. Das war demotivierend und frustrierend.

Lassen sie mich aus einem Artikel 2006 veröffentlicht in der Schriftenreihe der damaligen Ausländerbeauftragten des Landes Niedersachsen Frau Gabriele Erpenbeck „Integration vor Ort“ zitieren in dem auch ein längjähriges Mitglied der Kommission zu Wort kommt:

„Wir sind frustriert. Wir wollen nicht weiter. Und das hat einen Grund: Wir

werden nicht ernst genommen.“ So dürfe etwa die Ausländerkommission

des Niedersächsischen Landtages, die sich aus Vertretern von Landtagsfraktionen und Selbstorganisationen zusammensetzt, nur einstimmige Empfehlungen abgeben. Das sei nahezu unmöglich. Deshalb wurden nur drei Empfehlungen in den vergangenen sieben Jahren ausgesprochen.

Anrede,

Herr Anwar Hadeed hatte das angesprochen, was die Migrantenselbstorganisationen seit langem einfordern – echte Mitbestimmung und echte Teilhabe auf Augenhöhe mit dem Parlament.

Also gehen sie heute mit uns im niedersächsischen Landtag und lassen sie uns nach der Gründung der Kommission vor 20 Jahren einen wesentlichen Schritt nach vorne zur aktiven Gestaltung der Migrationsgesellschaft gehen.

Die Kommission wird öffentlich tagen. Dass ermöglicht unseren Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere Schülerinnen und Studenten die Möglichkeit, parlamentarische Arbeit auf andere Weise kennen zulernen. Ein Beitrag zur gelebten Demokratie!

Die Kommission soll sich als Denk- und Ideenwerkstatt weiterentwickeln. Die    Mitglieder der Fachausschüsse sind eingeladen, die Expertise der Vertreterinnen und Vertreter der Kommission einzuholen. Die Fraktionen haben die Möglichkeit Anregungen und Kritik zu ihren Anträgen zu bekommen – genauso wie es Stellungnahmen zu Initiativen der Landesregierung geben wird.

Neben den Fraktionsmitgliedern werden wieder Vertreterinnen und Vertreter von landesweit tätigen Verbänden der Migrantinnen und Migranten in der Kommission mitarbeiten. Wir wollen zukünftig aber auch die Expertise der Wohlfahrtsverbände und der Wissenschaft in der Kommission berücksichtigen.  Erstmalig wollen wir eine Vertreterin oder einen Vertreter der Sinti und Roma berufen.

Ich freue mich auf die Arbeit mit Ihnen gemeinsam.

Vielen Dank.

 

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