Rede Enno Hagenah: Zum Antrag von CDU, FDP und SPD "Planungen für die Y-Trasse weiter vorantreiben"

Anrede,

der heute von CDU,FDP und SPD gemeinsam vorgelegte Antrag für eine schnelle Realisierung der Y-Trasse ist eine kontraproduktive Vorfestlegung für die Bahninvestitionen der kommenden zehn Jahre in Niedersachsen. Der Verkehrsinfarkt, den CDU, SPD und FDP vorgeblich mit der Y-Trasse verhindern wollen, wird durch Ihr Beharren auf dieser überholten Planung aus den 90ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Wirklichkeit erst provoziert. Die vorrangige Festlegung auf den Bau der Y-Trasse führt Niedersachsen und die Häfen an der Küste in die Güterverkehrs-Sackgasse.

Die von allen Seiten als realistisch angesehene Steigerung des Schienengüterverkehres in Niedersachsen um 400 Güterzüge pro Tag schon bis zum Jahr 2015 ist damit nicht mehr zu bewältigen. Die Y-Trasse und das mit ihr in geringem Umfang entlastete vorhandene DB Netz kann zu wenig Güterzüge aufnehmen und wird viel zu spät fertig. Zusätzlich blockiert das Y durch seine enormen Kosten die Finanzierung der jetzt und heute dringlich notwendigen Ausbauarbeiten am Schienenetz in Norddeutschland.

Wir alle wissen, jeder Euro aus Berlin kann nur einmal ausgegeben werden und die Zeit für eine erhebliche Kapazitätsausweitung insbesondere für den Güterverkehr auf unseren Schienen drängt. Sollten die norddeutschen Häfen aufgrund mangelnder Hinterland-Infrastruktur verstopfen, dann freut sich die Konkurrenz im Mittelmeer. Die wirtschaftlichen Schäden für das niedersächsische Umland, durch das dort dann weg brechende  Distributions-Wachstum wären dramatisch.

Bevor wir also jetzt auf Jahre Milliarden Bundesmittel im Bau der Y-Trasse binden, sollten wir uns die durchaus sinnvoll eingesetzte Zeit von nur wenigen Wochen und Monaten nehmen, um nach einer sorgfältigen Bestandanalyse aller Bahn-Kapazitäten und Transportbedarfe die verschiedenen Ausbauszenarien und die vorhandenen Finanzierungs-mittel gemeinsam kritisch abzugleichen. Wer vor den offenen Fragen die dort bestehen die Augen verschließen will, der schadet dem Land.

Meine Fraktion hat mit der laufenden großen Anfrage zu Zustand und Potentialen des Bahnverkehres in Niedersachsen bereits einen wichtigen Beitrag geleistet. Aufbauend darauf wollen wir unter Hinzuziehung der aktuell sowohl von Hamburg als auch von Niedersachsen in Auftrag gegebenen Gutachten zu Ausbaubedarf und Ausbaualternativen der Zuginfrastruktur einen gründlichen Fachdiskurs initiieren.

Alle diese neuen Grundlagen werden uns noch im Verlauf dieses Sommers vorliegen. Erst auf einer solchen Basis können die richtigen Zukunftsentscheidungen getroffen werden.

Offenbar wollen aber die Fraktionsspitzen von CDU, SPD und FDP Sie liebe Kolleginnen und Kollegen vor dem Einfluss möglicher besserer Erkenntnisse durch die für heute geplante Abstimmung über den erst vor drei Tagen vorgelegten gemeinsamen Antrag schützen. Hier soll durch schnelle Vorfestlegung den Kritikern in den eigenen Reihen ein Maulkorb verpasst werden.

Schon jetzt ist doch klar, dass ein deutlich höheres Investment in den Ausbau der bestehenden Bahninfrastruktur, insbesondere auch im Bereich der "nicht bundeseigenen Bahnen" nötig ist, als dies mit dem bisher laufenden Sofortprogramm des Bundes für 255 Mio. € möglich ist. Die von der Bahn versprochenen Kapazitätszuwächse bleiben nebulös und unzureichend. Das Netzt wird mit einer theoretischen Höchstkapazität berechnet, mit der dann keine kleine Havarie, kein Signalausfall mehr ausgeglichen werden Kann. Ohne erhebliche  Zusatzinvestitionen droht uns noch in dieser Wahlperiode ein tägliches Chaos auf den norddeutschen Gleisen mit Verspätungen ohne Ende.

Mehr Investitionen in das Bestandsnetz zur notwendigen Kapazitätsausweitung werden nur finanzierbar sein, wenn die bisher für das Y reservierten Bundesmittel zunächst umgewidmet werden und der Bau der Y-Trasse so lange vertagt wird. Eine wirklich bedarfsgerechte Aufstockung der Bahninvestitionsmittel des Bundes für den Norden zusätzlich zur Finanzierung der derzeit schon viel zu niedrig im Bundesverkehrswegeplan kalkulierten Y-Trasse ist doch politische Traumtänzerei. – Ich weise dazu nur kurz auf die vorige Woche bekannt gewordenen Pläne von Bundesfinanzminister Steinbrück hin, die im Zuge der Bahnprivatisierung für 10 Jahre fest zugesagten je 2,5 Mrd. € Bundesmittel für Netzinvestitionen um 500 Mio. € pro Jahr zu kürzen.

Wie dünn ihre Argumentation für den Beschlussantrag ist, wird auch schon daraus deutlich, das ihr vorgebliches Gesamtkonzept gegen den Güterverkehrsinfarkt im Norden neben der falschen vorzeitigen Festlegung auf die Y-Trasse ansonsten nur im Aufzählen von ordentlich nacherzählten Selbstverständlichkeiten besteht, die zum Glück schon längst von Bund und Bahn verbindlich eingeplant sind.

Wir müssen nicht noch einmal bekräftigen, dass es zum Ausbau der Strecke Wilhelmshaven – Oldenburg kommt, oder zum Ausbau der Heidebahn und zum dritten Gleis zwischen Lüneburg und Stelle.     

Nötig und sinnvoll wäre es dagegen statt drei Gleisen zwischen Lüneburg und Stelle, schon heute den Ausbau des 4. Gleises voran zu treiben und mit dem Bund nach Wegen zu suchen, wie er die Mitfinanzierung zum notwendigen Ausbau der NE Bahnen für mehr Güterverkehr und den nötigen Schallschutz bei der Intensivierung des Güterumschlages im bestehenden Netz in Niedersachsen ermöglichen kann.

Anrede,

Wenn Sie es mit dem Thema in der Sache ernst meinen, sollte der vorliegende Antrag zumindest solange zurückgestellt werden. 

Heute würden durch eine direkte Abstimmung ohne Not vollendete Tatsachen geschaffen, bevor die Politik überhaupt alle Fakten der Alternativen zum Y-Bau auf dem Tisch liegen hat.

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