Rede Enno Hagenah: (Vergabegesetz/EuGH-Entscheidung) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung

Das EuGH-Urteil hat in der vergangenen Woche die vorliegenden Anträge überholt. Wir befinden uns in einer neuen Situation, die selbst von Fachjuristen nicht leicht zu überblicken ist. Deswegen sollten wir uns über die Parteigrenzen hinweg mit Maß das Urteil und unser Landesvergabegesetz unter den neuen Vorgaben ansehen und mithilfe juristischer Beratung in den nächsten Wochen anpassen und optimieren.

Wenig hilfreich war meines Erachtens kurz nach der Urteilsverkündung, dass Staatssekretär Werren versuchte, das Urteil zu instrumentalisieren, und reflexhaft nach Entbürokratisierung rief. Entbürokratisierung ist kein Selbstzweck, meine Damen und Herren von der FDP. Die acht Bundesländer Deutschlands mit Vergabegesetz haben es sich sicher nicht zur Aufgabe gemacht, Kommunen  und öffentliche Vergabestellen grundlos zu ärgern. Vielmehr versuchen diese Bundesländer ein Mindestmaß an Fairness im Wettbewerb aufrecht zu erhalten. Und das ist auch zukünftig mehr als nötig.

Es kann auf keinen Fall darum gehen, dass Landesvergabegesetz abzuschaffen. Wer das verlangt, der öffnet Verhältnissen wie sie beispielhaft in Rosdorf vor knapp vier Jahren durch Zufall zu Tage getreten waren, Tür und Tor. Zur Erinnerung: In Rosdorf arbeiteten mehr als 50 Bauarbeiter einer polnischen Firma für weniger als vier Euro in der Stunde. Ein Lohn, von dem man nicht leben kann. Und ein Lohn, der anständigen Betrieben die Existenzgrundlage raubt – .

Weil wir ein Landesvergabegesetz hatten, konnte das Land reagieren: Dem Hauptunternehmen kündigen, das Unternehmen auf einen Index setzen und die Vertragsstrafe einklagen. Das alles könnten wir in dieser Form und derart zeitnah nicht, würden wir das Landesvergabegesetz streichen.

Und das fordert das EuGH-Urteil auch nicht. Nicht vereinbar mit Europarecht sind laut Urteil einzig die örtlichen Tarifvereinbarungen. Und die lassen sich durch allgemein verbindliche Mindestlöhne - wie sie für das Bauhauptgewerbe im Entsendegesetz festgeschrieben sind -ersetzen. Unangetastet bleibt, dass die öffentliche Hand den Verstoß gegen die Zahlung von Mindestlöhnen bestrafen kann und dass sie die Hauptunternehmen in die Pflicht nimmt, wenn Subunternehmen die Vertragsbestimmungen unterlaufen.

Wir GRÜNE sehen in dem EuGH-Urteil die Aufforderung, das Gesetz weiterzuentwickeln. Mittlerweile leiden weitaus mehr Branchen als der Bau unter Wettbewerbsverzerrungen. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass der niedersächsische Gesetzgeber auch die Vergabe beim öffentlichen Nahverkehr wieder im Gesetz aufnimmt. Das EuGH-Urteil macht zudem deutlich, dass wir uns in möglichst allen Branchen auf Mindestlöhne einigen müssen, weil das als europäischer Standard quasi vorausgesetzt wird. Eine Aufgabe, die sich an den Bund richtet und für die sich unsere Landesregierung einsetzen muss. Denn allgemein verbindliche Mindestlöhne sind laut EuGH die Basis, damit Länder bei Vertragsvergabe Unternehmen zur vernünftigen Bezahlung ihrer Mitarbeiter überhaupt anhalten können. 

Was wir aber auch brauchen, ist eine effektivere Kontrolle, die dafür sorgt, dass die sinnvollen Vorgaben eingehalten werden. Daran mangelt es in Niedersachsen. Die öffentlichen Vergabestellen sind personell völlig unterbesetzt und die Mitarbeiter haben oft keine ausreichenden Erfahrungen mit den zu kontrollierenden Branchen. Hier muss aufgestockt werden. An Qualität und Quantität, wenn wir es den Ernst nehmen mit dem Kampf gegen gesetzeswidriges Lohndumping.

Es gibt viel zu tun. Wer sich dem fairen Wettbewerb verpflichtet fühlt, hilft  mit, die Regelungen zu optimieren für ein neues Landesvergabegesetz.

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