Rede Enno Hagenah: Regionalisierungsmittel-Aufstockung jetzt zusichern – ÖPNV-Einschränkungen abwenden

Anrede,

kaum ein anderes Thema im Verkehrsbereich wurde schon so ausführlich hier im Landtag behandelt, wie die Notwendigkeit, die von CDU und SPD im Bund vorgenommene Kürzung der Regionalisierungsmittel aus dem Etat des Landes auszugleichen.

Deshalb haben CDU und FDP vor zwei Jahren nach einer kurzen parlamentarischen aber auch heftigen öffentlichen Debatte und entsprechenden Protesten zunächst für 2008 und 2009 jeweils 15 Mio. € Hauhaltsmittel als Ausgleichsmaßnahme bereitgestellt.

Unstrittig dabei ist sicher auch hier im Hause, dass jetzt im Mai die Bestellungen der Verkehrsleistung für den Winterfahrplan 2009/2010 verbindlich abgegeben werden müssen. Und bisher hat keiner der Aufgabenträger des öffentlichen Personenverkehrs in Niedersachsen eine Zusage für die Finanzierung dieses Verkehrsangebotes. Es fehlt eine Nachfolgeregelung zur dringend benötigten Aufstockung der Regionalisierungsmittel in 2010. Wenn es vom Land dazu nicht umgehend Zusagen gibt, drohen erhebliche Einschränkungen des Nahverkehrsangebotes schon im Herbst dieses Jahres.

Die Antworten der Landesregierung auf meine Anfragen in den vergangenen Monaten haben ergeben, dass die Region Hannover aufgrund vertraglicher Bindungen beim S-Bahn-Verkehr mindestens bis Ende 2012 auf Kompensationszahlungen in gleicher Höhe wie 2008 und 2009 (1,793 Mio. Euro) angewiesen ist.

Für den Zweckverband Großraum Braunschweig sind nach den Berechnungen Kompensationszahlungen bis mindestens 2014 notwendig, wenn es nicht zu erheblichen Abbestellungen kommen soll. Nach einem Bedarf von 4,9 Mio. Euro in den Jahren 2008 und 2009 steigt der Bedarf in 2010 nach Angaben des Zweckverbandes sogar auf 5,6 Mio. Euro.

Auch bei der Landesnahverkehrsgesellschaft kann der derzeitige Bestellumfang in Zukunft nicht ohne zusätzliche Mittel finanziert werden.

Verkehrsminister Rösler hat uns in seinem Antwortschreiben selbst vorgerechnet, dass durch die immer noch fehlende Landeszusage zur Fortsetzung der Aufstockung der Regionalisierungsmittel 32 Nahverkehrsverbindungen in ganz Niedersachsen auf dem Spiel stehen:

So drohen  Abbestellungen von acht Bahn- und Buslinien in der Region Hannover. Im Zweckverband Großraum Braunschweig stehen sogar 425.500 Zugkilometer pro Jahr auf acht Strecken in Frage und im Aufgabenbereich der Landesnahverkehrsgesellschaft sind 16 Verbindungen mit 858.000 Zugkilometern pro Jahr gefährdet. Dies betrifft zum Beispiel die Strecken Rotenburg-Verden, Nienburg-Minden, Hildesheim-Braunschweig, Bremen-Soltau, Hameln-Bad Pyrmont und Herzberg-Nordhausen.

Um diesen drohenden Kahlschlag im ÖPNV zu verhindern fordert unser Antrag von der Landesregierung und den Regierungsfraktionen, den Aufgabenträgern des ÖPNV noch jetzt im Mai durch eine Verpflichtungsermächtigung die erforderlichen zusätzlichen Mittel für das Jahr 2010 zuzusichern und mindestens den bisherigen Ausgleich der Regionalisierungsmittel in Höhe von jährlich 15 Mio. Euro in den Haushaltsplanentwurf 2010 und die Mittelfristige Finanzplanung für die Folgejahre einzustellen.

Anrede,

eines ist doch im Gegensatz zu vielen anderen politischen Fragen hier klar -, dass die Haushaltsmittel für diesen Zweck vorhanden sind. Schließlich hat der Bund den Ländern im Gegenzug zur Kürzung der Regionalisierungsmittel mehr als das Zehnfache aus der Mehrwertsteuererhöhung als Kompensation überlassen.

Finanzminister Möllring hat damit bisher sogar einen goldenen Schnitt gemacht. Statt dem nominell gestrichenen Zehntel dieser 600 Mio. € Mehreinnahmen pro Jahr hat er mit 15 Mio. € bisher nur ein 40stel der Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung jährlich zusätzlich in den ÖPNV gegeben.

Aber trotz all dieser bekannten und überzeugenden Punkte erleben wir in den vergangenen Wochen eine hinhaltende Tatenlosigkeit der politisch Verantwortlichen. Für uns wirft das einige grundsätzliche Fragen auf:

  1. Welches Selbstverständnis von Ihrer Verantwortung für die Menschen und Betriebe in unserem Land haben diese Landesregierung und die Regierungsfraktionen eigentlich noch?
  2. Wollen Sie zumindest weiter den Schein wahren, dass die Förderung des ÖPNV und der Ausbau des Motorisierten Individualverkehrs bei Ihnen noch ähnlich wichtig sind, oder setzt sich inzwischen eine ideologische Schieflage zugunsten des MIV gegen klimapolitische und demografische Erfordernisse ungehemmt durch?
  3. Wollen Sie überhaupt eine Politik der finanziellen Fairness und bleibt es beim Subsidiaritätsversprechen gegenüber den Kommunen, oder geht Ihre plakative Konsolidierungspolitik jetzt auch hier noch rücksichtsloser zu Lasten der nachgeordneten Ebenen?

Wegen der Dringlichkeit der Entscheidung bitten wir um sofortige Abstimmung.

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