Rede Enno Hagenah: Programm zur Finanzierung von Arbeit statt Arbeitslosigkeit

Anrede,

die Arbeitslosenzahlen sind erstmals niedriger als vor der Arbeitsmarktreform Hartz IV, sprudelnde Steuereinnahmen, stabile Konjunkturlage, dazu ein milder Winter und ein warmer April. Die Rahmendaten sind so günstig wie schon lange nicht mehr.

Wir Grünen sind der Meinung, dass wir diesen Schwung nutzen müssen, um auf dem Arbeitsmarkt für diejenigen eine Perspektive zu schaffen, die offensichtlich am wenigsten vom allgemeinen Aufschwung profitieren, für die Langzeitarbeitslosen.

Wir legen heute einen Antrag vor, der für diese Personengruppe eine Förderung entwickelt, wie sie bereits auch auf Bundesebene und in anderen Bundesländern diskutiert wird. Das Ziel ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren und eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen oder zumindest eine längerfristige Beschäftigungsperspektive zu sichern. Das ist bisher mit den  überwiegend genutzten Förderinstrumenten des SGB II und SGB III nicht umfassend gelungen. Der Drehtür-Effekt, den die Ein-Euro-Jobs haben, frustriert nicht nur die Geförderten. Eine hinreichende Qualifizierung ist während dieser sehr kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisse kaum möglich. Damit wird der Wiedereinstieg in eine reguläre Erwerbstätigkeit weiterhin erschwert.

Anrede,

das Ziel, möglichst viele Menschen in Arbeit und Beschäftigung zu bringen ist nicht nur im Interesse der Entlastung der Sozialsysteme, sondern auch ein sozialpolitisches Anliegen von hohem präventiven und gesellschaftlich integrativen Wert. Kommunal gesteuerte Arbeitsmarktinitiativen, die der Finanzierung öffentlicher und gemeinnütziger Arbeit den Vorrang vor der Finanzierung von Arbeitslosigkeit geben, sind ein Schritt in die richtige Richtung.

Es gilt Tätigkeitsfelder im Bereich der Kommunen und der kommunalen Infrastruktur zu identifizieren, die im Moment weitgehend unerledigt bleiben und große Lücken im sozialen Geflecht der Städte und Kreise und der Gesellschaft hinterlassen. Ohne wettbewerbsverzerrend zu wirken, können dies Tätigkeiten im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen für ältere Menschen, im Bereich Quartiersmanagement oder Assistenzen in Kindergärten sein. Die Erfüllung dieser Aufgaben ist von hohem Nutzen nicht nur für die potentiellen Beschäftigten, sondern auch für die Gesellschaft, die von der Verbesserung der sozialen Infrastruktur maßgeblich profitiert. 

Arbeitsmarktexperten warnen seit langem vor der Zwei-Klassen-Gesellschaft:

Auf der einen Seite diejenigen, die nach dem Jobverlust schnell wieder eine neue Stelle finden, auf der anderen Seite die, die nach länger zurückliegender Kündigung kaum noch eine realistische Chance auf einen neuen Arbeitsplatz haben. Von den 120.000 Menschen, die in Niedersachsen länger als ein Jahr arbeitslos sind, ist bereits jeder Dritte mehr als sechs Jahre nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen.

Anrede,

was das für den Einzelnen heißt stellte eine dpa-Meldung in der letzten Woche anschaulich dar. Der Sprecher der hannoverschen Arbeitsagentur erklärte hier: "Wer keinen richtigen Beruf gelernt hat, ist so gut wie ohne Chance. ”¦ Mangelhafte berufliche Qualifikation ist mit Abstand das größte Risiko für Langzeitarbeitslosigkeit."

Wir erwarten, dass die Landesregierung über den Bundesrat folgende, dringend notwendige Initiativen ergreift. Zum einen muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Leistungen des Bundes und die Leistungen der Kommune für die Unterkunftskosten in ein Arbeitsentgelt zusammengefasst werden können. Außerdem ist es unbedingt nötig, die Belastung kleinerer Einkommen mit Sozialabgaben zu senken. Auch hier erhoffen wir uns die Unterstützung der Landesregierung auf Bundesratsebene, um im Niedriglohnbereich mit unserem Progressiv-Modell für die Sozialabgaben zu einer deutlichen Entlastung sowohl der Arbeitgeber- als auch der Arbeitnehmer-Seite zu kommen.

Anrede,

die derzeit positive Entwicklung am Arbeitsmarkt ist nach Einschätzung der meisten Analysten nicht zuletzt auf die Reformen zurückzuführen, die die rot-grüne Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Auch die Jahre lang geübte Lohnzurückhaltung bei Gewerkschaften und Arbeitnehmern hat ihren Teil dazu beigetragen. Nun müssen wir die erweiterte Chance, die die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bietet, nutzen, um denen eine Perspektive zu geben, die sich selbst oft nur noch als Teil der Statistik ohne Gesicht empfinden. Wir dürfen keine Spaltung unserer Gesellschaft zulassen, deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung.

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