Rede Enno Hagenah: Neubau Schleuse Scharnebeck – Hände weg von der mittleren Elbe

Landtagssitzung am 19.07.2012

Enno Hagenah, MdL

Anrede,

Landes-Verkehrspolitik im 21. Jahrhundert muss sich harten, neuen Herausforderungen stellen. Europa und der Bund setzen uns strenge CO2-Minderungsziele und verordneten ein Neuverschuldungsverbot. Trotz sinkender Bevölkerung steht uns nach allen Prognosen aber in den kommenden Jahren noch ein weiteres Güterverkehrswachstum bevor.

Besonders CDU und FDP gelingt es bisher nicht diesen drei dominanten, neuen Herausforderungen auch nur ansatzweise mit ihrer Verkehrspolitik gerecht zu werden:

So werden in Niedersachsen von dieser Landesregierung in bundesweit einmaligem Ausmaß neue Autobahnen für mindestens 4 Mrd. Euro ohne jede Aussicht  auf Gegenfinanzierung durch den Bund prioritär verfolgt, während dagegen umweltverträglichere und effizientere Bahn- oder Wasserstrassenausbauten im Binnenland vernachlässigt werden.

Beispiele für das Chaos und die von Bund und Land verschuldete Zeitverzögerung sind bei der Schienenanbindung des Jade-Weser-Port und natürlich, und darum geht es in unserem heutigen Antrag, die völlig inakzeptable Verschiebung des bereits heute dringend nötigen Ausbaues des Nadelöhrs Hebewerk Scharnebeck am Elbe-Seiten-Kanal.

Milliarden wurden in den vergangenen Jahrzehnten in den Ausbau unserer Binnenwasserstraßen gesteckt, aber die 200 Millionen Euro, um die letzte Engstelle zu beheben, meint Herr Ramsauer nicht mehr aufbringen zu können. Die allzu späten und spürbar halbherzigen Bemühungen von Minister Bode konnten in Berlin offensichtlich keinen Druck aufbauen, um doch noch zu überzeugen – ich will Ihnen auch erläutern warum.

CDU und FDP kriegen es einfach nicht hin die drei dominanten Rahmensetzungen heutiger Verkehrspolitik unter einen Hut zu bringen. Sie wollen weiter wie im vergangen Jahrhundert alles und das so schnell wie möglich, aber diese Zeiten sind zum Glück mehr als 60 Jahre nach Beginn des Wiederaufbaues und zwanzig Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung vorbei. Deutschland ist hinter dem Stadtstaat Singapur weltweit das Land mit dem dichtesten und besten Verkehrsinfrastrukturnetz, das belegen internationale Studien.

Ihre Aufgabe wäre es die Anforderungen von Klimaschutz, Schuldenbremse und Güterverkehrswachstum zunächst in einem schlüssigen Landesverkehrskonzept auf einen Nenner zu bringen, dann kann sich auch der Bund den so ermittelten Prioritäten nicht mehr entziehen:

Vorrang werden bei dieser Betrachtung der Ausbau von Engstellen im CO2 sparsamen Schienengüternetz und bei den Binnenwasserstraßen bekommen. – Schauen Sie dazu z.B. auf diese Grafik, die uns vorige Woche vom Wirtschaftministerium im Ausschuss vorgelegt wurde. Hier sieht man gut die parallele Führung von der beiden Bundeswasserstraßen Elbe-Seiten-Kanal und Mittelelbe. Auf dem Kanal, trotz Dauerstau vor dem Hebewerk Scharnebeck finden schon heute fast 11 Mio. t Transportleistung pro Jahr statt. Auf der Mittelelbe finden ohne aufwendiges Hebewerk weniger als 10 Prozent dieser Transportmenge statt.  

Diese eindeutige Abstimmung der Binnenschiffer darüber, welches der bundesweit wichtigere Wasserweg ist und welchen man sich sparen sollte, muss endlich auch in der Finanzierung des Bundes Konsequenzen haben. Beides gleichzeitig ist nicht zu finanzieren, deshalb läge die Lösung auf der Hand: Alle Energie und Ressourcen an dieser Stelle in die Ertüchtigung des Elbe-Seiten-Kanals!

Leider schließen sich dieser geradezu zwingenden Logik nicht alle Politiker an. Alle Jahre wieder erreichen die Öffentlichkeit Forderungen nach einem Ausbau der mittleren Elbe. Politiker von Landes oder Bundesebene sehen sich genötigt diese Forderung zu stellen, die angeblich die Wirtschaft von Hamburg über Magdeburg bis Dresden und Tschechien in Fahrt bringen sollen.

Besonders absurd wird dieses Schauspiel, wenn auch noch behauptet wird, das Wendland und der Raum Lüneburg/Uelzen würden vom Ausbau der Mittleren Elbe profitieren. – Wie denn, an dieser Strecke gibt es nicht einmal einen Hafen, es wäre ein ganzjähriger Hafenbetrieb auch gar nicht möglich.

Anrede,

dieser Landtag hat über die Perspektiven der Mittleren Elbe schon vor Jahren und nach intensiven Debatten am Ende einstimmige Beschlüsse gefasst. Das Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue wurde eingerichtet. Damit wurden auch Leitplanken für die Richtung der wirtschaftlichen Entwicklung der Region gesetzt. Es wurde in diesem Haus mehrfach  Beschlüsse gefasst:

gegen einen Ausbau der Mittleren Elbe, gegen überdimensionierte Unterhaltungsmaßnahmen und gegen den Ausbau der sogenannten Reststrecke zwischen Dömitz und Hitzacker.

Vor dem Hintergrund dieser Beschlusslage ist es mir unverständlich, warum – wie vor etwa zwei Wochen geschehen– wieder einmal CDU Politiker auf einer Bootsfahrt gegenüber der Presse über einen Ausbau des Flusses schwadronieren, während ihnen Minister Bode durch ein Gutachten, das er mit beauftragt und vorgelegt hat, dafür auch noch Schützenhilfe gibt.

Bei mehreren Besuchen der Region in den letzten Monaten erklärt dagegen Umweltminister Birkner, dass die naturverträgliche Regionalentwicklung an der Elbe fortgesetzt werde, das Biosphärenreservat weiter entwickelt und gefördert werden solle. Das passt nicht zusammen.

Ein Wegeplan wurde kürzlich erlassen, berittene Polizisten sollen für Ordnung sorgen und der Minister lehnt jeden Ausbau der Elbe ab – setzt stattdessen auf den Elbe-Seiten-Kanal und den Schleusenneubau in Scharnebeck.

Um in diesem schwarz-gelben Wirrwarr gegen Niedersächsische Interessen Ordnung zu bringen, haben wir Grüne unseren Antrag formuliert. Mit dem Antrag wollen wir den dringenden Anstoss geben, das Nadelöhr im Kanalnetz bei Scharnebeck jetzt endlich zu beheben. Das ist machbar, allein durch das mit einer Rückstufung der mittleren Elbe eingesparte Geld. Die Zukunft an der Mittleren Elbe liegt bei der Freizeitschifffahrt und beim Naturschutz und nicht beim Gütertransport.

Ich bitte Sie um Unterstützung dieses Antrags.

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