Rede Enno Hagenah: Missbrauch der Leiharbeit beenden – Fehlentwicklungen entgegenwirken

- es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

nach dem Schlecker-Skandal wächst in allen Parteien - mit Ausnahme der CSU - die Einsicht, dass in der Zeitarbeit Arbeitsbedingungen möglich sind, die zu einer Erosion auf dem Arbeitsmarkt führen. Inzwischen wissen wir, dass sich allein die ermittelten Verstöße gegen das Gesetz innerhalb eines Jahres auf mehr als 2000 Bußgeldverfahren vervierfacht haben. Dabei setzte die Bundesagentur für Arbeit bislang gerade einmal 75 Mitarbeiter zur Kontrolle von 23.000 Leiharbeitsfirmen ein und ermittelte damit nur die Spitze des Eisberges.

Heinrich Kolb von der FDP fordert seither im Bundestag die Umsetzung des Grundsatzes "Gleiches Geld für gleich Arbeit"; Arbeitsministerin Ursula von der Leyen verspricht, Missbrauch und Lohndumping verhindern zu wollen. Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm ist Schirmherr für die Initiative "Gleiche Arbeit – Gleiches Geld", weil er den "Rückfall zurück in die Zeit der Tagelöhner" nicht länger tatenlos zuschauen will.

Ja sogar die Branche selbst verlangt nach einer Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG): Marcus Schulz von der USG People Group, viertgrößtes Leiharbeitsunternehmen in Europa, erhebt schwere Vorwürfe gegen seine Branche. Systematisch bewege sich die Zeitarbeit in einer gesetzlichen Grauzone. "Es geht eben nicht nur um schwarze Schafe, sondern [”¦] um Alltagsgeschäft." Auch Manpower, drittgrößter Anbieter in Deutschland, will, dass Leiharbeiter genauso bezahlt werden wie die Stammbelegschaft, um die gesellschaftliche Akzeptanz  zu verbessern.

Anrede,

wer ernsthaft in der Politik die offensichtlichen Probleme in der Zeitarbeitsbranche beheben will, der kann dies tun. Im Bundestag und gern auch über den Bundesrat, wie es heute die SPD vorschlägt:

Wir unterstützen das. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) muss geändert werden!  Wir alle wissen genau um die Schwachstellen, die Unternehmen offenbar zum systematischen Missbrauch einladen:

  1. Wir brauchen das Synchronisationsverbot zurück: Das Arbeitsverhältnis muss den Einsatz im Entleihbetrieb überdauern!
  2. In der verleihfreien Zeit ist den Beschäftigten ein Mindestlohn zu zahlen. Dafür muss die Branche ins Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen werden.
  3. Wir erreichen den von uns allen gewollten Gleichbehandlungsgrundsatz, indem wir die Aushebelung durch Tarifverträge zwischen Zeitarbeitsverbänden und zweifelhaften Kleinst-Gewerkschaften ausschließen.
  4. Stammbelegschaften dürfen nicht durch Leiharbeit ersetzt werden: Die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung wird verboten. Und für den Einsatz von LeiharbeiterInnen gilt eine Quote von 10 Prozent. Ausnahmen sind bei Unternehmen unter 200 Beschäftigten und durch Betriebsratszustimmungen möglich.
  5. Für LeiharbeiterInnen müssen gleiche Mitbestimmungsrechte gelten und sie müssen das gleiche Recht wie Stammbelegschaften haben, sich von Betriebsräten vertreten zu lassen.

Anrede,

keine andere Branche erlebt einen derartigen Boom nach der Krise wie die Zeitarbeit. Mehr als 600 000 Beschäftigte sind in der Leiharbeit beschäftigt. Gleichzeitig sorgt sich die Bevölkerung um die Auswirkungen der Leiharbeit-Praxis auf die Gesellschaft: Laut aktueller Unfrage befürchten 85 Prozent der Befragten, dass Zeitarbeit Lohndumping fördert und reguläre Beschäftigung verdrängt.

Wir Politiker haben eine Verantwortung, für Beschäftigte anständige Rahmenbedingungen zu schaffen und dafür zu sorgen, dass unterm Strich die volkswirtschaftliche Rechnung stimmt. Wir können die Verantwortung nicht an Unternehmen abgeben, die Gesetzeslücken für sich zu nutzen verstehen.

Und wir können die Verantwortung auch nicht an die Verbraucher weiter reichen, wie dies Bayerns Sozialministerin vorschlägt. Es ist unsere Aufgabe, diese Lücken zu schließen und das Gesetz zu dem zu machen, wofür ist gedacht war: Ein Instrument, um Auftragsspitzen zu begegnen, und ein Instrument, das einen Weg in eine reguläre Beschäftigung eröffnen kann.

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