Rede Enno Hagenah: Lehrstellenlücke schließen - Transparenz in die Ausbildungssituation im Land bringen

Anrede,

während für uns alle hier die mehr oder weniger verdiente Sommerpause ansteht, wollen tausende junger Menschen den Schritt von der Schulausbildung in die berufliche Ausbildung schaffen. Dies wird in diesem Jahr wieder ein Stück schwerer werden. In Niedersachsen wurden im Mai erneut gut 6 % weniger Ausbildungsstellen von den Arbeitgebern gemeldet, während die Zahl der Schulabgänger - bedingt durch die geburtenstarken Jahrgänge - weiter steigt. Hier erwarten wir den Scheitelpunkt erst 2009. Seit drei Jahren müssen wir aber bereits einen Rückgang des Lehrstellenangebotes zur Kenntnis nehmen.

Angesichts dieser alarmierenden Entwicklung muss man den niedersächsischen Pakt für Ausbildung als Rosstäuscherei bezeichnen: Dort werden laufend Rekorde unter der Nulllinie gefeiert. 6000 zusätzliche Lehrstellen und 3500 EQJ in 2005 reichten nicht aus den Bedarf zu decken, weil eben leider zur gleichen Zeit offenbar noch mehr bisherige Ausbildungsplätze weggefallen sind als neu gewonnen werden konnten.

Dieser Pakt wird zunehmend zum Potemkinschen Dorf, das sich nur dank einer zeitlich sehr verzögert gemeldeten, intransparenten Datenlage noch aufrecht erhalten lässt. Die bittere Realität darf aber hinter diesem Datennebel nicht länger versteckt werden, damit dringend erforderliche zusätzliche Maßnahmen gegen den Lehrstellenmangel endlich ergriffen werden.

Klar ist doch, dass Niedersachsen, belegt durch den Bildungsbericht 2006 der Bundesregierung bei der Ausbildungssituation Minusrekorde einfährt: mit nur 37,5 % junger Menschen in der dualen Ausbildung und dafür aber 46,2 % in den so genannten Übergangssystemen ist unser Land in beiden Bereichen weit vom Bundesdurchschnitt entfernt. Nirgendwo ist die Aussicht auf einen Ausbildungsplatz im dualen System für Schulabgänger in der Bundesrepublik so schlecht wie in Niedersachsen.

Die hausgemachten Ursachen, die auch diese Landesregierung zu verantworten hat, sind klar zu benennen. Die wirtschaftliche Strukturschwäche unseres Landes spiegelt sich wieder im niedrigen Qualifizierungsstand, der sich durch alle Branchen unseres Landes zieht. Niedersachsen ist dort in allen Branchen lt. NIW unterdurchschnittlich positioniert. Dabei sind in der globalisierten Welt die Wettbewerbe der Zukunft nur mit möglichst viele hoch qualifizierten Jobs zu bestehen.

Hinzu kommt, wo wenig Hochqualifizierte arbeiten, gibt es nun mal auch weniger Arbeit für Geringqualifizierte.

Unsere Lage wird noch dadurch verschärft, dass mit dieser Landesregierung die Innovationsförderung derart zurückgefahren wurde und auf eine Vielzahl von Projektbereichen aufgeteilt wurde, dass kein wirklicher Schwerpunkt mehr erkennbar ist.

Obwohl auch der Landesregierung bekannt ist, dass wir schon in wenigen Jahren vor einem Fachkräftemangel stehen, hat sie bisher nicht entschieden gegen die seit Anfang der 90ger Jahre von 11 % auf inzwischen 15 % angewachsene Zahl junger Menschen ohne Ausbildungsabschluss angekämpft.

Besonders problematisch ist auch die seit 2003 zu beobachtende Abnahme der Studienanfängerzahlen. Das liegt nicht nur an der Studienplatzvernichtung dieser Landesregierung im Zuge des HOK, der über 4000 Studienplätze in Niedersachsen zum Opfer fielen. Selbst zukunftsträchtige Ingenieurstudiengänge sind in Hannover und Braunschweig in den Anfangssemestern derzeit nicht ausgelastet.

Insgesamt hat die Studierquote der Abiturienten von den 80ger Jahren als sie noch bei 85 % lag, auf heute nur noch 70 % abgenommen. Ein negativer Verdrängungswettbewerb hat eingesetzt, so dass bei uns inzwischen 51 % der Hauptschüler und 25 % der Realschüler im ersten Anlauf keinen Ausbildungsplatz finden und in den frustrierenden Übergangssystemen landen.

Unser gemeinsames Ziel muss es sein diesen Verdrängungswettbewerb nach unten im Ausbildungssystem wieder umzukehren, um das Gesamtabschlussniveau der nachwachsenden Generation bei uns deutlich anzuheben.

Wir wollen die Studierquote wieder erhöhen. Dazu müssen an den Schulen mehr Inhalte die auf nachgefragte Studiengänge hinführen angeboten werden, und die Berufsinformation muss an den Gymnasien gezielt akademische Ausbildungsgänge präferieren. Zugleich müssen wir für die einige Jahre noch wachsende Nachfrage und nicht nur für den doppelten Abiturjahrgang in 2012 das Studienplatzangebot bei uns wieder ausweiten.

Der Pakt für Ausbildung muss zu einer echten Zuwachsvereinbarung für mehr Ausbildungsplätze fortgeschrieben werden. Die derzeitigen Regelungen täuschen Erfolge vor ohne die Probleme zu lösen.

Ausbildenden Betrieben in den Branchen sollten im Zuge des Paktes  durch eine solidarische Umlage der Prüfungsgebühren in der Ausbildung auf die Kammerbeiträge aller Mitglieder entlastet werden. Dafür gibt es bereits einige gute Beispiele.

Ebenso übrigens für unseren Vorschlag in Tarifverhandlungen obligatorisch Vereinbarungen für zusätzliche Ausbildungsplätze mit zu vereinbaren.

Bei der Entwicklung der Ausbildungsplatzangebote ist der öffentliche Dienst in Niedersachsen übrigens ein besonders negatives Beispiel. In kaum einer Branche wurden in den vergangenen Jahren die Ausbildungsmöglichkeiten so zurückgefahren wie hier. Landesregierung und Kommunen sind auch hier in der Pflicht das was sie von anderen einfordern auch selbst umzusetzen.

Die Landesregierung trägt auch die Verantwortung dafür, dass der Übergang zwischen Schule und Beruf durch eine ausbildungsgerechtere Schulbildung erleichtert wird. Das Übergangssystem, auf das wir wohl trotz der übrigen Anstrengungen noch einige Zeit angewiesen sein werden muss mehr echte Qualifizierung bieten. Die dort erworbenen Abschlüsse müssen alle eine berufs- oder ausbildungsrelevante Verwertbarkeit haben. Nur so bleiben die jungen Leute dort bei der Stange.

Um das alles zielgerichtet und schnell umzusetzen, und von der bisherigen rechnerischen Versorgung zur echten Vermittlung aller Jugendlichen zu kommen muss die Landesregierung über Nachfrage und Angebot endlich aktuelle und belastbare Zahlen vorlegen. Wer wenn nicht das Land ist in der Lage einen regelmäßigen jahrgangsbezogenen Datenabgleich dazu zusammen zu stellen. Das bisherige Wechselspiel zwischen Kammern, Arbeitsagenturen und Schulen war sehr schädlich.

Zumindest alle angebotenen Lehrstellen und EQJ können durch diese Maßnahme zukünftig sicher besetz werden. Und das sollte uns der Aufwand der mit der Datenerfassung verbunden ist schon wert sein.
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