Rede Enno Hagenah: Lehren aus dem Fall Conti ziehen: Meldepflicht verschärfen und wirkungsvoll sanktionieren

Anrede,

die beiden vorliegenden Anträge sind weiter aktuell, auch wenn die Regierungsfraktionen die aufgezeigten Probleme klein reden möchten.

Das Conti Werk Hannover Stöcken schrumpft laut Einigungspapier mit dem Betriebsrat auf eine Produktionszelle zusammen. Und ob sie über 2010 hinaus genutzt wird, steht in den Sternen. Hier wurde für Ruhe im Wahljahr gesorgt, ohne die akute Gefährdung der in Hannover eng verknüpften Produktions- und Forschungskompetenz aufzulösen. -   

Conti nutzt ganz offensichtlich die Wirtschaftskrise, um einen lange vorher einkalkulierten weiteren Rationalisierungsschritt durchzuziehen. Die Conti-Führung hat gezielt in Billiglohnländern Überkapazitäten beim Reifenbau in den Aufschwungjahren geschaffen. In der nächsten Abschwungphase sollen dann weniger profitable Altstandorte liquidiert werden, um die Rendite zu erhöhen. Die betriebswirtschaftlichen Gründe für eine Werksschließung, mit denen jüngst auch hier in Hannover argumentiert wurde, werden so künstlich selbst erzeugt.

Dieser "Karawanen-Kapitalismus" hat eine zerstörerische Eigendynamik, weil er in immer schnellerer Folge Produktionsstandorte nur so lange nutzt, wie sich kein günstigerer weltweit findet. Diese kaltschnäuzige Profitmaximierungsstrategie verweigert sich der Verantwortung und den Chancen die auch für die Arbeitgeberseite in der Innovationskraft der sozialen Marktwirtschaft stecken.

Damit nicht genug: Die Vorgehensweise bei den Übernahmeversuchen von Conti durch die Schaeffler-Gruppe zeigt ebenso wie der von Porsche bei VW, dass der deutsche Kapitalmarkt unzulängliche Rahmensetzungen für das Transparenzgebot hat.

Bestehende Meldepflichten und Sanktionsstrafen haben nicht verhindert,  dass sich zwei deutlich kleinere Familienunternehmen "heimlich" an die niedersächsischen DAX-Konzerne heranschleichen konnten und sich im Hintergrund beinahe dominierenden Einfluss sicherten.

Die neuen Entwicklungen - womöglich mit Rückabwicklungen - sind allein der Finanzmarktkrise geschuldet und kein Zeichen von Selbstheilungskräften der unvollkommen geregelten Freiheit des Märkte. Die soziale Marktwirtschaft braucht Fairness und Transparenz, damit alle Akteure erkennen, wer welche Absichten im Kapitalmarkt verfolgt.

Was bei Conti und VW geschah, könnte in jedem Großunternehmen bei uns passieren. Ob Daimler, Allianz oder TUI – sie alle könnten das nächste Opfer werden. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren ohne durchschlagenden Erfolg versucht, die Möglichkeit feindlicher Übernahmen zu reduzieren. Aber selbst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat das Vorgehen der Schaeffler-Gruppe als rechtmäßig bezeichnet. Bei Porsche läuft die Prüfung noch.

Tatsächlich lassen sich bislang also mit legalen Tricks die bestehenden Meldeschwellen im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz sowie im Wertpapierhandelsgesetz umgehen.

Die Verschärfungen durch das neue Risikobegrenzungsgesetz erhöhen die Transparenz nicht im ausreichenden Maß. Dennoch will die Bundesregierung den Umfang der erfassten Finanzinstrumente nicht ausweiten. Wenn nicht alle Finanzderivate erfasst sind, wird es aber auch künftig einfach sein, die Kontrolle über ein Unternehmen lautlos und unbemerkt zu erlangen. Porsche hat es uns ja auch vorgemacht.

Selbst wenn einmal tatsächlich eine Meldepflicht verletzt und erfolgreich geahndet würde, schrecken die bisherigen geringen Sanktionsstrafen von maximal 200.000 Euro keinen Investor vor Verstößen ab.

Die deutsche Gesetzgebung reicht nicht aus, die modernen Instrumente eines angelsächsisch geprägten Kapitalmarktes zu erfassen. Für alle Investoren sind Regeln zu schaffen, damit der deutsche Kapitalmarkt  fair und transparent wird.

Wir in Niedersachsen haben dazu die leidvollen Erfahrungen machen müssen. Deshalb sollten wir jetzt gemeinsam auf Bundesebene dafür sorgen, die zu laschen Rahmensetzungen endlich zu verändern.

Zurück zum Pressearchiv