Rede Enno Hagenah: Land muss Kürzungen der Regionalisierungsmittel ausgleichen

Anrede,

die Bundeskürzungen bei den Regionalisierungsmittel werden den ÖPNV in Niedersachsen besonders hart treffen.

Anders als die Landesregierungen von Hessen, Bayern, Berlin und Brandenburg will die niedersächsische Landesregierung keine eigenen Mittel bereitstellen, um die drastische Kürzung der Bundesförderung für den öffentlichen Personennahverkehr auszugleichen.

Dies ist insbesondere deshalb nicht akzeptabel, weil die schwarz-gelbe Landesregierung erhebliche Mitverantwortung für die Kürzungsvorgabe des Bundesfinanzministers trägt: Seit 2004 fanden in Niedersachsen eine zunehmende Zweckentfremdung der Förderung und eine überproportionale Kürzung des ÖPNV Budgets insgesamt statt.

Um die Verantwortung von CDU und FDP für die drohende Unterfinanzierung des ÖPNV in Niedersachsen zu verdeutlichen, ist ein Rückblick auf die vergangenen Jahre nötig: 

Seit 2004  werden Gelder aus den Bundes-Bahn-Regionalisierungsmitteln, die zur Finanzierung der Landesaufgabe Schülerverkehr vorgesehen sind, entnommen. Inzwischen ist diese Zweckentfremdung von zunächst 58 Mio. € auf über 100 Mio. € jährlich angewachsen. Das ist der höchste Betrag bundesweit.

Außerdem haben CDU und FDP die Mittelvergabe im Gemeindeverkehrsfinanzierungs-gesetz (GVFG) geändert. Waren Schiene und Straße früher gleichberechtigt, so verteilen sie heute 60% der Mittel - 73 Mio. €/Jahr - auf die Straße und nur noch 40% -49 Mio. €/Jahr - auf die Schiene. Kürzung: 12 Mio. €/Jahr

Daneben wurde das Nahverkehrsgesetz 2005 von CDU und FDP so geändert, dass 34 Mio. €/Jahr aus den Regionalisierungsmitteln des Bundes ohne hinreichende Zweckbindung direkt an die Kommunen gegeben werden. Auch wenn ein Großteil des Betrages korrekt eingesetzt wird, ist doch inzwischen ein erheblicher Anteil der kommunalen Mitfinanzierung des ÖPNV so durch Bundesmittel ersetzt worden.

Die Kürzungssumme ist dramatisch: Niedersachsen erhält jährlich ca. 600 Mio. € Regionalisierungsmittel vom Bund. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat  dem vereinbarten Förderzweck 20 % entzogen.

Nicht nur in Niedersachsen wurden die Regionalisierungsmittel missbraucht. Als Reaktion darauf erfolgte schon 2004 im Zuge des so genannten Subventionsabbaus von Koch und Steinbrück die erste Kürzungsrunde des Bundes.

Trotz dieser Belastungen konnten in Niedersachsen bis heute zwar noch unverträgliche Preisanhebungen oder Leistungseinschnitte im Öffentlichen Verkehr (ÖV) vermieden werden. Dies gelang durch erhebliche Einsparungen im Zuge von ÖV-Ausschreibungen, durch Rationalisierungen in den Verkehrsunternehmen und durch eine sparsame Wirtschaftsführung der Landesnahverkehrsgesellschaft.

Die jetzt anstehende zusätzliche Kürzung überfordert aber endgültig das Effektivierungspotenzial des ÖPNV. Das Maß ist voll. Würde die Kürzung ungeschmälert umgesetzt, käme es zwangsläufig zu massivem Angebotsabbau.

Anrede,

600 Mio. Euro jährlich erhält Niedersachsen als Anteil aus den Einnahmen der geplanten Mehrwertsteuererhöhung. Im Gegenzug wurden die Regionalisierungsmittel bis 2010 vom Bund noch einmal um bis zu 13 Prozent gekürzt.

Land und Verkehrsunternehmen müssen in Niedersachsen mit einem Kürzungsvolumen von 283 Mio. € rechnen. Ein Minderbetrag von 48 Mio. € für 2007 steigert sich bis 2010 sogar auf 85 Mio. €/Jahr

Die Absicht der Landesregierung die Bundeskürzung anteilig an alle Kostenstellen und Verkehrsträger des ÖV durchzureichen, wird zwangsläufig zu Leistungsabbestellungen, Streckenstilllegungen und unverträglichen Preiserhöhungen im ganzen Land führen. Der Fahrzeugbestand wird schnell veralten und das öffentliche Verkehrsangebot reduziert. 

Am schnellsten und härtesten werden sich die Einschnitte in der Region Braunschweig bemerkbar machen, weil der Förderbetrag dort bisher komplett in die Leistungsbestellung geflossen ist. Schon zum 10. Dezember streicht der ZGB das Zugangebot auf der Bahnstrecke Bad Harzburg, Goslar, Seesen, Kreiensen drastisch um die Hälfte zusammen.

Letztlich stehen aber nun überall im Land schwach ausgelastete ÖV-Strecken wie Lüneburg - Dannenberg, Northeim - Bodenfelde, Uelzen – Soltau - Bremen, Hildesheim - Braunschweig und Wolfenbüttel - Helmstedt auf dem Prüfstand.

Für die von der Landesnahverkehrsgesellschaft bestellten Verkehrsleistungen hat die Landesregierung rein taktisch eine zeitliche Verzögerung bei der Umsetzung der Streichvorgabe angeordnet. Die LNVG soll zunächst für 2007 die Kürzungen bei den Mitteln für Betriebsleistungen ausgleichen, indem sie auf die noch vorhandenen Rücklagen für eingeplante Ausbauprojekte zurückgreift (Anfang 2006 waren das noch fast 80 Mio. €).

Damit stehen allerdings nun auch die bisher fest zugesagten Netzausbauten wie die Heidebahn, die Regionalstadtbahn Braunschweig und die S-Bahn Hannover-Hildesheim oder die S-Bahn Bremen zur Disposition.

Über kurz oder lang wird das Streichkonzert von Land und Bund alle Regionen des Landes erreichen. Innerhalb einer Wahlperiode hätte schwarz-gelb dann eine Minderung des Mitteleinsatzes im ÖPNV von einem Drittel zu verantworten.

Das darf so nicht bleiben. Selbst Minister Hirche scheinen Skrupel bei den Eckdaten seines Haushaltentwurfes zu beschleichen. Dem VCD schrieb er im September, dass er sich für den ÖPNV im Zuge der Haushaltsberatungen selbstverständlich für eine zusätzliche Mittelbereitstellung aus den Mehreinnahmen infolge der Mehrwertsteuererhöhung einsetzen wird. Wir sind gespannt.

Wir legen heute einen Antrag vor, dessen Ziel es ist, durch Umschichtungen und effizienteren Mitteleinsatz den nötigen Finanzspielraum zu schaffen, um die negativen Folgen im niedersächsischen ÖPNV noch zu verhindern.

Die im Bundesrat angekündigte Absenkung der Kürzung um 500 Mio. € muss endlich umgesetzt werden, damit Planungssicherheit vor Ort besteht. Ministerpräsident Wulff ist hier gefordert, sich hierfür im Bundesrat einzusetzen. Möglich ist damit eine Reduktion des Kürzungsbetrages für Niedersachsen um ca. 11 Mio. €/Jahr

Die Mittel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes müssen ab dem Haushalt 2007 wieder zu gleichen Teilen auf Schiene und Straße aufgeteilt werden um 12 Mio. €/Jahr für ÖV zu gewinnen. 

Zukünftig ist durch eine ergänzende Verordnung eine strenge Verwendungsvorgabe und -kontrolle bei den Nahverkehrsgesetzmitteln durchzusetzen.

Umstrittene Planungen für Straßenneubauprojekte müssen für die Substanzerhaltung im ÖV ausgesetzt und Vorratsplanungen bei nicht gesichertem Mittelzufluss beendet werden. So wird ermöglicht, die Fremdvergaben für Planungen entsprechend zu reduzieren und die Verwaltungsreform in der Straßenbauverwaltung zu beschleunigen. Gewinn für den ÖPNV bis zu 10 Mio. €/Jahr in den kommenden Jahren.

Diese Maßnahmen und einige mehr können alle zusammen genommen den drohenden Einschnitt im ÖPNV-Angebot zwar noch nicht völlig ausgleichen, aber sie reduzieren die Kürzungen entscheidend. Nur so wird es möglich, vor Ort noch akzeptable Lösungen mit den Verkehrsunternehmen zu erarbeiten, um das ÖPNV-Angebot in Niedersachsen vor einem Kahlschlag zu bewahren.

Der Landtag hat es in der Hand im Interesse der Fahrgäste im niedersächsischen ÖPNV die Weichenstellungen mit diesem Ziel neu zu setzen.
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