Rede Enno Hagenah: Haushalt 2011 – Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Anrede,

die niedersächsische Landesregierung verursacht in den Bereichen Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zunehmend Chaos. Nichts passt zusammen. aber alle reden mit.

Da findet ein Kabinettsmitglied einen Stundenlohn von fünf Euro bei uns durchaus akzeptabel. Die Regierungsfraktionen nennen das Lohndumping, ziehen aber keine Konsequenzen und Arbeitsminister Bode behauptet sogar, dass der freie Markt solche unsozialen Löhne verhindern wird.

Die fatalen Folgen des Umweltdumpings von Minister Sander, das Arbeitsplätze akut gefährdet, haben wir gestern schon besprochen. Zusammen mit Minister Schünemann will er sich für eine schnellere Heimfahrt mit dem Dienstwagen auch noch einen teuren Tunnel durch den Ith buddeln lassen. Währenddessen beklagt Verkehrsminister Bode, dass er nicht mal genug Geld zum Erhalt der vorhandenen Landesstraßen hat und der Bund weder für die hochfliegenden Pläne zur Y-Trasse und erst recht nicht für die vom Land vorfinanzierten Planungen von diversen neuen Autobahnen auf absehbare Zeit Geld zur Verfügung stellt.

Herr Dürr, wenn es hier Parallelwelten gibt, dann betrifft das das Landeskabinett: das ist eindeutig nicht in die bundesdeutsche Realität integriert. Aus einer solchen Scheinwelt kommt auch der Haushalt des Wirtschaftsministeriums für 2011. Den realen Anforderungen der wirklichen Welt wird dieser Haushalt nicht gerecht!

Herr Bode, Herr McAllister, Sie lassen ja im Augenblick keine Gelegen­heit aus, um Ihre vorgeblichen historischen Erfolge am Arbeitsmarkt zu beklatschen. Dabei verschweigen Sie aber, mit welchen Statistiktricks fast zwei Millionen Menschen durch vorübergehende Fördermaßnahmen, Mini- oder Teilzeitjobs und als Totalaussteiger aus der Arbeitslosenstatisik "herausgemogelt" werden. Auch der vorgebliche Beschäftigungsrekord ist ein Ergebnis der Zuwanderung in den vergangenen 20 Jahren und kein Erfolg ihrer Wirtschaftspolitik.

Solange Sie nur versuchen die veröffentlichte Meinung mit solchen Trugbildern zu übertölpeln, mag das noch angehen. Aber im nächsten Jahr werden viele tausend junge Menschen durch diese geschönte Sicht auf die Realität um einen guten Start in die Zukunft betrogen, wenn Sie nicht noch im Haushalt korrigierend eingreifen.

25.000 Jugendliche werden 2011 wegen des doppelten Abiturs zusätzlich auf den Markt strömen. Weitere 15.000 Jugendliche, die sonst in Niedersachsen jährlich Wehrdienst oder Zivildienst geleistet haben, brauchen ebenfalls einen Studienplatz, eine Lehrstelle oder eine andere Alternative. Gleichzeitig kürzen Schwarz-Gelb auf Bundes- und Landes­ebene massiv bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Sie stützen sich dabei auf Ihre eigenen Statistiktricks, mit denen Sie die alljährlich nicht mit Ausbildung versorgten Jugendlichen im Übergangssystem verstecken.

Es ist schlicht Betrug, wenn Sie gebetsmühlenartig behaupten, es gebe rechnerisch keine unversorgten Jugendlichen. Das belegt die aktuelle Übersicht der Bundesanstalt für Arbeit aus der vorigen Woche. Ein Drittel aller Bewerberinnen -und zwar 20.000 - sind schon dieses Jahr nicht versorgt! Niedersachsen hat seine Übergangssysteme für Jugendliche, die bei der Lehrstellensuche leer ausgehen, so aufgebläht, wie kaum ein anderes Bundesland. Gemeinsam mit Schleswig-Holstein liegt Niedersachsen dabei vorn, Jugendliche in sinnlosen Warteschleifen zu parken.

Der vorgebliche Glücksfall für die Unternehmen im kommenden Jahr die letzte Chance gut qualifizierte Jugendliche einzustellen, wie Herr Orlob von der IHK verkündet, heißt doch in Wirklichkeit: Lasst uns das Überangebot an Abiturienten abschöpfen. Und für die Absolventen aus der Hauptschule und aus dem Übergangssystem gibt's keinen Platz!

Es ist zynisch und verantwortungslos hier nur auf den Pakt zu setzen! Ihr Ausbildungspakt hat in den vergangenen Jahren nie mehr als 1-2 Prozent Bewegung am Lehrstellenmarkt bewirkt. Für 2011 brauchen wir aber mehr als 20 Prozent mehr Lehrstellen, um die jungen Menschen, die wir so dringend brauchen, nicht gegen eine Wand der Perspektivlosigkeit laufen zu lassen. Der Aufgabe müssen auch Sie sich stellen:

Wir fordern deshalb eine Umschichtung von EU-Mitteln in Höhe von 20 Mio. Euro. Mit dem Geld wollen wir die Konsequenzen aus Ihren Fehlentscheidungen verantwortungsvoll gestalten und dem Ausbildungsengpass mit doppeltem Abiturjahrgang und der Aussetzung der Wehrpflicht und Zivildienst mit einem Landesprogramm "Ausbildung statt arbeitslos" begegnen. Damit möglichst alle Schulabgängerinnen, die im Jahr 2011 eine Lehrstelle suchen, auch eine berufliche Ausbildung erhalten.

Ihre Bilanzen zum Ausbildungsmarkt sind bewusste politische Verzerrungen der Realität. Diese ideologisch bedingte Realitäts- und Zukunftsverweigerung setzt sich in Ihrer Politik und im vorgelegten Haushalt auch auf allen anderen Ebenen fort.

Sie betonen einerseits staatstragend die Verpflichtungen zur C02 Minderung und die Notwendigkeit, die öffentliche Schuldenspirale endlich zu stoppen, gleichzeitig planen Sie aber unvermindert weiter milliardenteure Autobahnneubauten in Konkurrenz zum viel dringen­deren Schienenausbau. Weder für die Reaktivierung von Schienen­strecken und Bahnhöfen mit Potential noch für den günstigeren und schneller umsetzbaren Ausbau vorhandener Schienen für mehr Güterverkehr setzen Sie ausreichend Schwerpunkte. Ein unglaublicher Widerspruch zwischen Sonntagsreden und Wirklichkeit Ihres Handelns.

Statt dessen schlagen wir vor, die Mittel nach dem Entflechtungsgesetz und Regionalisierungsmittel zu Gunsten des schienengebundenen Personenverkehrs umzuschichten, um zum Beispiel die dringend nötige Neuplanung der RegioStadtBahn Braunschweig zu ermöglichen und weitere ÖPNV- Angebotseinschränkungen besonders beim Zweckverband Großraum Braunschweig und der Region Hannover zu vermeiden.

Die von Ihnen vorgesehenen Mittel für den beschleunigten Autobahn­neubau werden von uns gestrichen und in den vom Land vernachlässigten Substanzerhalt der vorhandenen Infrastruktur umgeschichtet.

Um die Erfolge beim Arbeitsplatzaufbau durch die rot-grünen Klimaschutzvorgaben und die Förderung von Effizienzsteigerungen und regenerativer Energieerzeugung weiter zu nutzen, wollen wir den Wirtschaftsförderfonds auflösen und die vorhandenen Mittel in einen Klimainnovationsfonds einbringen. Neu eingerichtet wird von uns auch ein Altlastenfonds, mit dem Kommunen bei Flächensanierung und -recycling unterstützt werden.

Nicht nur Ressourcen werden gespart, wenn wir auf Abriss und Neubau des Landtages verzichten, sondern auch der fatale Bruch des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes durch den Gesetzgeber selbst wird vermieden. Stattdessen müssen die dringenden Sanierungsmaßnahmen im Rahmen eines kostenbewussten Sanierungskonzepts ab kommendem Jahr durchgeführt werden.

Auch der achtlose Umgang mit einem Denkmal und die Verweigerung nötiger Instandsetzung sind ein Bruch des Denkmalschutzgesetzes

Das grüne Haushaltskonzept bringt Anspruch und Wirklichkeit des Handelns in Einklang. So werden zum Beispiel nach der vielfachen Ankündigung

auch der Landesregierung die Zuschüsse an die GISMA von uns zugunsten der privaten Finanzierung gestrichen. Stattdessen erhält die Verbraucherzentrale wegen der erhöhten Nachfrage der Bevölkerung und die TMN, wegen der vielen noch nicht voll ausgeschöpften wirtschaftlichen Potentiale des Tourismus in Niedersachsen die dort dringender benötigten Zusatzmittel.

Das ist das grüne Handlungskonzept für die realen Herausforderungen in Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrspolitik für heute und morgen.

Zurück zum Pressearchiv