:Rede Enno Hagenah: Gigaliner sind Megaunsinn: Niedersachsen muss Feldversuch stoppen

Anrede,

Niedersachsen führt auf Betreiben von Verkehrsminister Hirche einen unsinnigen Feldversuch für Riesenlastwagen durch. Inzwischen liegen so viele überzeugende Gegenargumente von den unterschiedlichsten Seiten vor, dass der Landtag dem bisher uneinsichtigen Minister in den Arm fallen muss, um den gefährlichen Spuk auf unseren Straßen per Beschluss zu beenden. Die heute schon beängstigend großen LKW auf unseren Straßen um weitere 6,5 m zu verlängern und in der angestrebten Praxisanwendung noch einmal um 50 % schwerer werden zu lassen, führt in die falsche Richtung. Die Beschränkung auf 40 Tonnen während der Versuchsphase ist doch nur den rechtlichen Problemen geschuldet, die Sie mit dem Betrieb der Monster- LKW haben, solange der Bund nicht mitzieht.

Die von Minister Hirche vorgebrachten Argumente, mit Gigalinern werde der Transport von mehr Gütern mit weniger LKW möglich, die Straßen würden entlastet und ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet erweisen sich als bewusste Irreführung von Öffentlichkeit und Parlament.

Eine Studie für den Verband der deutschen Verkehrsunternehmen (VDV) von der Beratungsfirma TIM Consult warnt vor einer drohenden Rückverlagerung von Schwerlastverkehr von der Schiene auf die Straße. Durch die Kosteneinsparungen bei Personal, Maut und Kraftstoff beim Einsatz von Gigalinern würden im Markt über 50 % des bisherigen kombinierten Verkehres bei der Bahn wegbrechen.

Der vermeintliche ökologische Gewinn durch weniger LKW für gleich viel Ladung konterkariert sich somit selbst: weniger Waren werden auf der Schiene und mehr auf der Straße transportiert.

1,3 Millionen zusätzliche LKW Fahrten pro Jahr prognostiziert der VDV, wenn die Monster Trucks offiziell bei uns zugelassen werden.

Verkehrswissenschaftler und die Bundesanstalt für Straßenwesen warnen vor Gigalinern, wegen des erhöhten Fahrwegverschleißes, erhöhter Unfallgefahren durch die Überlänge und Gefährdungen für die Tragfähigkeit von Brücken und das Rückhaltevermögen von Leitplanken bei Unfällen. Probleme entstehen auch auf Park- und Rastplätzen, engen Fahrspuren, Kreuzungen, Kreisverkehren und Eisenbahnübergängen.

Auch ADAC und ACE sind dagegen, dass einige Spediteure ihre Transportkosten mit Gigalinern um etwa 25 % senken und damit ihre Gewinne auf Kosten der Steuerzahler hochfahren können. Denn die müssen für die Behebung der vermehrten Schäden aufkommen. Nach Ansicht von Straßenexperten verschleißt ein einziger 40-Tonner unsere Straßen so stark wie 1000 PKW. Steigt das Gewicht der Monster-Trucks noch weiter an, steigt auch die Torsionskraft, die die Straße bei Beschleunigungs- und Bremsvorgängen am stärksten angreift, exponentiell weiter an. Die Erneuerungszyklen für die Fahrbahndecken verkürzen sich damit erheblich.

Nicht nur deshalb hält die Bundesregierung Hirches Versuch von Anbeginn an für rechtswidrig und legte nun ein Gutachten von K+P Transport Consultants nach, in dem weitgehend die negativen Auswirkungen der übrigen Stellungnahmen bestätigt werden.

Es ist darum höchste Zeit, dass dieses Parlament der überwiegenden Stimmung in Fachwelt und Bevölkerung gegen die Monster LKW Rechnung trägt. Nach einer Umfrage des ADAC befürchten 90 % der Menschen, dass die Gigaliner die Straßen unsicherer machen, 75 % lehnen den weiteren Einsatz schlicht ab.

Selbst in der Transportwirtschaft heißt es, nur einige wenige große Spediteure hätten kurzfristige Vorteile durch die Riesenlaster. Mittelfristig würde aber ein umfassender Preis- und Verdrängungswettbewerb zugunsten der Riesen-Laster die ganze Branche erfassen.

Genau wegen dieses harten Wettbewerbes im Transportbereich glaubt doch kein Mensch, dass eine dauerhafte Beschränkung der Tonnage bei den Riesen-LKW eingehalten wird. Schon heute, so haben Stichproben laut VDV ergeben, werden die Gewichtsbeschränkungen vielfach überschritten. Die Kontrollen sind zu selten, die Sanktionen zu lasch. Fakt ist: wenn ein Volumen und eine Tragfähigkeit für 60 t dauerhaft zugelassen würde, dann wird diese über kurz oder lang auch ausgenutzt bis zur Belastungsgrenze und in Einzelfällen ebenso überschritten, wie schon die heutigen Grenzen. Was das zum Beispiel für die Brücken bedeutet, können Sie sich mal von einem Statiker vorrechnen lassen.

Angesichts dieses kritischen Befundes bleibt doch die Frage, was oder wer diese Landesregierung eigentlich dazu getrieben hat, diesen Versuch vom Zaun zu brechen. Minister Hirche fördert nicht freiere Straßen, sondern nimmt sogar deren zusätzliche Verstopfung in Kauf.

Macht er das vielleicht sogar bewusst und absichtsvoll, um Druck für noch mehr Straßenbau zu machen?

Oder hat er schlicht der LKW Hersteller Lobby und den großen Spediteuren nachgegeben, die sich Wettbewerbsvorteile zu den weniger liquiden Mittelständlern und ausländischer Billigkonkurrenz sichern wollen?

Auf jeden Fall kämpft Minister Hirche einmal mehr für die Freiheit weniger auf Kosten der Allgemeinheit. Das ist ein sehr einseitiger Freiheitsbegriff, wie ihn die FDP hier in Niedersachsens Landtag inzwischen kultiviert hat.

Anrede,

dieser Feldversuch mit Monster LKW ist Megaunsinn und muss wegen der Gefährdung des allgemeinen Straßenverkehres mit sofortiger Wirkung eingestellt werden. Jeder Weiterbetrieb erhöht gegen alle Vernunft den Druck aus Industrie und Ausland auf eine Zulassung der Monster Trucks in Deutschland und verhindert letztlich notwendige Investitionen in wichtige Projekte des kombinierten Verkehres.

Ich appelliere an die Regierungsfraktionen, angesichts dieser klaren Faktenlage mit uns für ein schnelles Ende dieses Irrweges einzutreten.

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